Diese zeigt ungeschönt den Raubüberfall auf Rosalie Quaid und ihre Familie, bei dem Kinder erschossen und der Mann skalpiert wird, eh die brutalen Komantschen die verstörte Witwe allein zurücklassen, die ihren toten Säugling noch viele Stunden nach der Tat wie ein schlafendes Baby mit sich herumträgt und jeden angreift, der ihnen zu nahe kommt…
New Mexico, 1892
Der verdiente Offizier Joseph Blocker (Christian Bale) erhält den Auftrag, den kranken Cheyenne-Häuptling Yellow Hawk (Wes Studi), der die vergangenen sieben Jahre im Gefängnis verbrachte, in dessen Stammesland nach Montana zu begleiten. Der letzte Wunsch des als unerbittlich bekannten Indianers ist es, zu Hause zu sterben. Blocker und Yellow Hawk haben eine gemeinsame Vergangenheit, weswegen Blocker den Auftrag nur äußerst widerwillig annimmt. Gemeinsam mit einigen Soldaten und der Familie des Häuptlings bricht die Truppe auf. Unterwegs stoßen sie auf die junge Witwe Rosalie Quaid (Rosamund Pike), deren gesamte Familie kaltblütig von Komantschen umgebracht wurde. Die traumatisierte Frau schließt sich ihnen an und die Gruppe setzt ihren gefährlichen Weg quer durch das unwegsame Land und eine extrem feindselige Umgebung fort. Schon bald wird klar, dass sie nur als Gemeinschaft im Kampf ums Überleben eine Chance haben…
Auch in «Feinde – Hostiles» legt Scott Cooper die Kunst an den Tag, einen mitreißenden Film anhand von Figuren zu erzählen, die auf den ersten Blick kaum bis gar nicht sympathisch sind. Etwas Ähnliches kritisierten wird erst kürzlich im Falle des ätzenden Actionthrillers „Criminal Squad“ mit dem großen Unterschied, dass die Charaktere hier vor faszinierenden Facetten nur so strotzen, während in dem Gerard-Butler-Vehikel lediglich Klischees bis zum Erbrechen wiedergekäut werden. Selbst die zunächst so charmante Rosalie, die in der Eröffnungssequenz von «Feinde» im liebevollen Umgang mit ihren Kindern gezeigt wird, wird in den ersten zehn Filmminuten durch die Ermordung ihrer Liebsten gebrochen. Trotzdem Interesse an ihr und am Rest des Ensembles zu schüren, ist die Aufgabe von Regie und Skript – und in dieser Konstellation fördern die widersprüchlichen und zunächst unnahbaren Figuren im weiteren Verlauf im klarere Ziele und Motivationen zutage. Damit das gelingen kann, loten die Macher nicht zuletzt ihre moralischen Untiefen aus; schließlich geht es in «Feinde» in erster Linie um das Aufbrechen lang gehegter Konflikte und die anschließende Versöhnung zwischen zwei Parteien, die dem ersten Eindruck nach absolut nichts miteinander verbindet.
Da ist auf der einen Seite der mit seinen brutalen Handlungen gegenüber den von ihm verhassten Indianern nicht hinterm Berg haltende Joseph J. Blocker, der aufgrund dessen nie einen Hehl daraus macht, am Gelingen der Mission nur bedingt Interesse zu haben und auf der anderen der viel zu lange aus banalsten Gründen festgehaltene Cheyenne-Stamm, der an einer Aussöhnung mit den sie erniedrigenden Soldaten – verständlicherweise – nicht interessiert ist. Als gemeinsamen Feind verbindet die zwei Seiten ein brutaler Ableger des Komantschen-Clans, der immer wieder zu gefährlichen Überfällen aufbricht und dabei vor Nichts und Niemandem Halt macht.
Davon, wie man sich die Hand reicht
Derart verhärtete Fronten mit der Zeit aufbrechen zu lassen, erfordert viel Zeit. Und genau diese nimmt sich Scott Cooper: «Feinde – Hostiles» dauert geschlagene 135 Minuten, von denen jede einzelne notwendig ist, um die Glaubwürdigkeit der Storyentwicklung zu untermauern. Der lang gehegte Kampf zwischen dem vermeintlichen Gut und Böse, der mit Vorurteilen, Machtmissbrauch und Gewalt einherging, kann nur sehr langsam zu einer Versöhnung finden. Genau dieses Ziel wirkt zu Beginn des Films unmöglich – wenn es jedoch so weit ist, reichen ein Blick, ein Wort und ein Handschlag zwischen Blocker und dem Indianerhäuptling Yellow Hawk, um in einer Sekunde den Schmerz vieler Jahrzehnte spürbar und die persönlichen Fehden gleichzeitig vergessend zu machen. In den ersten sechzig davon lässt der Regisseur das Geschehen jedoch erst einmal auf den Zuschauer wirken. Nach dem derben Prolog und wenigen Minuten, in denen die simple Prämisse mitsamt der Gesinnung der wichtigsten Figuren erläutert wird, stehen in erster Linie die Spannungen unter den beiden Seiten im Fokus.
Auf großes Spektakel muss der Zuschauer daher erst einmal verzichten. Die zwischenmenschlichen Konflikte dagegen sind in ihrer subtilen Ergründung mindestens genauso mitreißend, wie wilde Schießereien und rasende Verfolgungsjagden. Cooper genügen kleine Gesten und ausgewählte Dialogfetzen (in «Feinde – Hostiles» wird generell wenig gesprochen), um die in dieser Zeit des weltpolitischen Umbruchs relevanten Themen auf den hier in den Fokus gerückten Mikrokosmos zu übertragen. Der weitere Verlauf der Story mag da zwar ein wenig idealistisch anmuten, doch vermutlich trifft es hoffnungsvoll ein wenig genauer.
Obwohl immer wieder Menschen blutig erschossen, aufgeschlitzt oder für alle offensichtlich an Bäumen aufgeknüpft, ist «Feinde – Hostiles» aller Brutalität zum Trotz ein wunderschöner Film, dessen schroffes Erscheinungsbild die Seele Amerikas nicht besser treffen könnte. Es ist vor allem Scotts Stammkameramann Masanobu Takayanagi (filmte auch den Oscar-Gewinner «Spotlight») zu verdanken, dass die malerischen Wüstenpanoramen nicht eintönig werden, sondern der Bilderkünstler stets das Schöne und Unverwechselbare in ihnen findet. Doch Takayanagi hat nicht nur einen Blick für die Weite, sondern betont durch besonders intime Aufnahmen der Figuren vor allem den Schmerz in den vom Schicksal gezeichneten Gesichtern. Jenes von Hauptdarsteller Christian Bale, der bereits für «Auge um Auge» mit Scott Cooper zusammenarbeitete, bleibt anschließend wohl am längsten in Erinnerung. Der «Batman»-Darsteller lotet die widersprüchlichen Facetten seines Charakters voll aus und macht ihn zu einem Menschen, dessen Beweggründe für den Hass sich mit der Zeit immer mehr erschließen – auch ganz ohne dass man diese nachvollziehen müsste.
Rosamund Pike («Gone Girl – Das perfekte Opfer») spielt die innerlich gebrochene Witwe mit einer beeindruckenden Kraft, mit der sie dem Rest des Casts – unter Anderem Stephen Lang («Don’t Breathe») und Jesse Plemons («Game Night») und Timothée Chalamet («Call Me By Your Name») die Show stiehlt. Der sehr dosiert eingesetzte Score von Komponistenlegende Max Richter («Escobar: Paradise Lost») untermalt die menschlichen Dramen kühl und prägnant.
Fazit
Mit «Feinde – Hostiles» gelingt Regisseur und Drehbuchautor Scott Cooper eine fesselnde Geschichte über Kampf und Versöhnung und beweist vor einer beeindruckend kargen Kulisse, dass selbst die härtesten Konflikte aufgebrochen werden können, wenn beide Parteien dazu bereit sind – ein zeitloser Film.
«Feinde – Hostiles» ist ab dem 31. Mai in den deutschen Kinos zu sehen.
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