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Schauspielerin Kelly Marie Tran, die ihren Durchbruch mit «Star Wars – Die letzten Jedi» erlebte, löschte sämtliche ihrer Instagram-Postings, weil sie seit Filmstart unentwegt mit sexistischen und rassistischen Hasstriaden vermeintlicher «Star Wars»-Fans überhäuft wurde. Sie ist bereits die zweite Schauspielerin aus der neuen «Star Wars»-Trilogie, die sich durch sogenannte Fans vom sozialen Fotonetzwerk vertreiben ließ. Monate zuvor löschte «Star Wars – Das Erwachen der Macht»-Hauptdarstellerin Daisy Ridley ihren Instagram-Account.
Das Team von 'ScreenJunkies News' nahm dies zum Anlass für ein extralanges Video, das sich, entgegen der Norm bei der Nerdnewssendung «ScreenJunkies Universe», allein mit diesem einen Thema beschäftigte. Und so ernst der Anlass sein mag, ist es ein famoses Beispiel dafür, was zahlreiche andere nerd- und geekbasierte YouTube-Kanäle (egal ob aus Deutschland, dem englischsprachigen Raum oder woanders her) von 'ScreenJunkies News' lernen können.
Ganz davon zu schweigen, dass 'ScreenJunkies News' nahezu immer weibliche Repräsentation vor der Kamera hat und so einigen US-Channels und den meisten deutschen YouTube-Kanälen über Film- und Popkultur eins voraus hat, was das Widerspiegeln der Filmfanrealität angeht: 'ScreenJunkies News' verrennt sich nicht ins nerdige Köpfeineinanderschagen darüber, welcher Regisseur auf gar keinen Fall Franchise XY übernehmen soll und wieso sich Studiochefin ABC besser sonstwohin verdrückt. Die von Roth Cornet angeführte Gruppe Filmverrückter geht in hoher Regelmäßigkeit über den Tellerrand des oberflächlichen "Ich mag Film X, du Film Y, einer von uns muss nun wegen Filmnews Z in Grund und Boden diskutiert werden"-Kommentars hinaus und blickt auf den größeren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kontext kinokultureller Ereignisse.
Das führt auch dazu, dass bei 'ScreenJunkies News' Teile der Fanbase ermahnt werden, was das Video zum Thema Kelly Marie Tran wohl am stärksten vorführt. So berichtet Freelancerin Danielle Radford, dass Kommentatoren auf Popkulturvideos (und somit wohl auch Teile der Fanbase solcher Kanäle wie 'ScreenJunkes News') oft den Impuls haben: "Das ist anders – das macht mir Angst, also muss ich das Andere verscheuchen." Moderatorin Roth Cornet sägt in einem Monolog sogar an einem der Äste, die solchen Kanälen überhaupt Klicks einbringen: Emotionale Bindung zu Filmreihen.
"Die Geschäftskultur hat viel Profit daraus geschlagen, das Gefühl zu verbreiten, dass Nostalgie und Markentreue […], Merchandising ein integraler Teil ihrer Persönlichkeit ist", sagt sie in einem Gedankenstrom. "Und wir sehen nun die Konsequenzen dessen", urteilt sie, weil nunmehr Meinungen über einen Film als Meinungen über eine Person aufgefasst werden.
Eindrucksvoll ist auch der introspektive Moment, wenn Dan Murrell über eine viel kopierte Videorubrik spricht, die 'ScreenJunkies' bekannt gemacht hat – «Movie Fights»: "Als wir mit «Movie Fights» angefangen haben, dachten wir, dass der Witz daran ist, dass wir triviale Angelegenheiten so passioniert und so ernsthaft debattieren, dass es lächerlich wird. […] Einer der Gründe, weshalb wir die Reihe heute ganz anders angehen als damals, ist dass die frühere Form zum Alltag wurde. Diese übertriebenen, langen Debatten […] in denen wir uns anbrüllen, doch dann ist die Kamera aus und wir vertragen uns […], das ist vorbei: Die ganze Welt ist «Movie Fights», nur ohne den Spaß daran – ohne, dass die Kamera aus- und die Arbeit weitergeht."
Murrell fürchtet kurz, dass 'ScreenJunkies' dazu beigetragen hat, dass die Nerdkultur so kämpferisch geworden ist, hofft aber, dass er sich irrt – und merkt dennoch an, dass das Team sich selbst vorgenommen hat, zu vermeiden, weiter Öl in den brennenden Onlinediskurs zu gießen. Weshalb «Movie Fights» nunmehr eine ruhigere, leisere Sendereihe darstellt.
Ebenso ironisch wie beeindruckend an dieser Sache ist, aus welcher misslichen Lage sich die beiden 'ScreenJunkies'-Kanäle vor wenigen Monaten noch manövrieren mussten: Einer der früheren, leitenden kreativen Köpfe hinter diesen YouTube-Kanälen, Andy Signore, wurde der mehrfachen sexuellen Belästigung von Mitarbeiterinnen und weiblichen Fans beschuldigt. Nachdem Signore gefeuert wurde und die 'ScreenJunkies'-Teams eine Pause einlegten, um sich seelisch und strukturell neu zu ordnen, hieß es, dass man Signores Handeln zum Trotz nicht das Handtuch werfen werde, sondern weitermachen möchte – um mit einer stärkeren Haltung am popkulturellen Diskurs mitzuwirken. Geektum, aber mit Moralkompass, statt kindlicher Cholerik – das wollen die 'ScreenJunkies'-Kanäle propagieren, der eine in Form lustiger, aber konstruktiver Videos, der andere in Form von Filmnews mit besonnenerem Kommentar, ohne sich einer künstlichen Schwere zu verschreiben.
Ich finde, dies ist den ScreenJunkies gelungen. Und daran darf sich so mancher Influencer ein Beispiel nehmen.
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