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Streaming-Kompakt: Die Neuheiten im Juni 2018Dass Prime Video hierzulande den meistgenutzten Streaming-Dienst darstellt, macht bei näherer Betrachtung Sinn und ist im Wesentlichen auf das Geschäftsmodell Amazons zurückzuführen, wonach Kunden für den Dienst Amazon Prime im Schnitt 5,75 Euro monatlich zahlen und damit das Rundum-Sorglos-Paket erhalten: Serien und Filme sind dabei, aber auch Musik-Streaming, e-Books und nicht zuletzt der schnelle, kostenfreie Versand von Produkten aus Amazons Warenhaus.
Amazon vs. Netflix: Fast gleichauf, trotz vier Mal mehr Prime-Abonnenten
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Das Problem am Paket: Amazon wird von der breiten Öffentlichkeit noch nicht als Anbieter und Produzent hochwertiger Serien und Filme wahrgenommen, sondern im Wesentlichen als Online-Versandhandel. Viele Prime-Kunden wissen nicht einmal um die Möglichkeit des Zugriffs auf die reiche Online-Mediathek, andere interessieren sich nicht dafür und schlossen das Abonnement wegen anderer Features ab. Aus PR-Sicht birgt dieser Umstand einen großen Vorteil für Netflix, das Amazon wohl bald als meistgenutzter Streaming-Dienst in Deutschland überholen wird. Netflix wird von der Bevölkerung einzig und allein mit Unterhaltungsprodukten assoziiert, mit einer breiten Auswahl qualitativ hochwertiger Serien und auch immer mehr eigenproduzierten Filmen. Amazon schreibt auch viele andere Schlagzeilen, weshalb es Prime Video weiter schwerfällt, sich in der öffentlichen Wahrnehmung als gleichwertiges Unterhaltungsangebot gegenüber Netflix zu etablieren.
Amazons Award-Erfolge
Die Original-Produktion «Transparent» gewann 2015 zwei Golden Globes, ein Jahr später gelang dies «Mozart in the Jungle» erneut. 2017 holte «Goliath» eine Auszeichnung und im Jahr 2018 kam Amazons «The Marvelous Mrs. Maisel» auf zwei Preise.Serienperlen wie «Goliath» erhalten kaum Aufmerksamkeit
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Damit steht «Goliath», dessen zweite Staffel am 15. Juni 2018 veröffentlicht wurde, exemplarisch für das, was bei Amazon derzeit noch falsch läuft. Sowohl in Staffel eins als auch in Staffel zwei erzählt «Goliath» die packende Geschichte eines alkoholkranken, von Weltschmerz geplagten Anwalts, der es als metaphorischer David mit den Großen und Mächtigen aufnimmt. Die Serie glänzt nicht nur durch großartige Darstellerleistungen um gestandene Mimen wie Billy Bob Thornton, William Hurt oder ab Staffel zwei Mark Duplass, sondern auch durch echtes emotionales Gewicht und einer einnehmenden Mischung aus Thrill und Drama, ohne dabei zu viel zu wollen.
Inhaltlich eher Hausmannskost, wurde «Goliath» hervorragend ausgeführt, was auch an den Machern liegt. Die Serie stammt von Jonathan Shapiro, einem ehemaligen Spitzenanwalt, sich in der Welt des Rechts bestens auskennt. Shapiro schuf unter anderem «Boston Legal», zusammen mit David E. Kelley, mit dem Shapiro auch im Rahmen von «Goliath» wieder zusammenarbeitete. Zurzeit gibt es wohl kaum ein heißeres Eisen in der Serienwelt als «Ally McBeal»-Macher Kelley, der 2017 mit «Big Little Lies» für HBO wohl die beste Serie des Jahres kreierte. Wieso fand «Goliath» trotz all dieser Facetten kaum Beachtung?
Amazon wirbt verhalten, aus ökonomischer Sicht aber effizient
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Doch will das Unternehmen seine Strategie wirklich ändern oder genügt die aktuelle Vorgehensweise den Verantwortlichen vielleicht schon? Als Online-Warenhaus verfolgt Amazon eine andere Strategie als Netflix. Bei letzterem Dienst dreht sich alles darum, Interessenten mit hochwertigen Produktionen in ein Abonnement zu locken. Nur so nimmt Netflix Geld ein. Wie sollen sich aber die fünf Milliarden Dollar rechnen, die Amazon laut eigenen Angaben für Eigenproduktionen im Jahr 2018 investieren will, ohne dass um diese ein echter Hype entsteht wie etwa um Netflix‘ «Stranger Things», «Narcos» oder «House of Cards».
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Die Strategie ist klar: Der Streaming-Dienst Amazons dient dazu, neue Abonnenten zu gewinnen, aus denen dann zahlende Kunden werden sollen, die neben dem Serienkonsum auch Schuhe, Elektronik oder Möbel bestellen. Warum Amazon nicht mehr daran setzt, seine Serien bekannter zu machen? Weil die aktuelle Strategie Amazons genügt, um hochprofitabel zu sein. Vermutlich rechnen die Verantwortlichen damit, dass höhere Werbekosten für die Produktionen sich letztendlich nicht mehr rechnen würden als ohnehin schon. Stattdessen gibt das Unternehmen lieber mehr Geld für die Produktion und Akquisition neuer Formate aus. Zum Beispiel für die angekündigte «Herr der Ringe»-Serie. 500 Millionen Dollar soll diese kosten. Dafür wird die Serie wohl etliche Neukunden zum Abschluss eines Abonnements bringen – und einige davon wohl auch zum Shopping-Rausch in Amazons Warenhaus.
Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
24.06.2018 12:02 Uhr 1
Im übrigen könnte ich beispielsweise fast jeden Tag voll an die Wand schlagen, wenn ich auf Amazon Filme Sehe, die ich total interessant finde, und für die man, trotz Abo, noch weitere Euro hin blättern soll!! :!: :twisted:
Man muß sich echt die kostenlosen Filme fast mit der "Stecknadel im Heuhaufen" rauss Suchen!!
24.06.2018 12:16 Uhr 2