«The Strangers: Opfernacht»
- Start: 21. Juni 2018
- Genre: Horror/Thriller
- Laufzeit: 85
- FSK: 16
- Kamera: Ryan Samul
- Musik: Adrian Johnston
- Buch: Ben Ketai
- Regie: Johannes Roberts
- Darsteller: Christina Hendricks, Martin Henderson, Bailee Madison, Lewis Pullman. Damian Maffei, Emma Bellomy
- OT: The Strangers: Prey at Night (USA 2017)
Das Regiezepter übernahm Johannes Roberts, dessen Hai-Horror «47 Meters Down» im vergangenen Jahr zum erfolgreichsten Indie-Film in den USA avancierte. Gemeinsam mit Drehbuchautor Ben Ketai («The Forest»), der das ursprüngliche Skript von Bryan Bertino einmal komplett überarbeitete, gelingt ihm mit «The Strangers: Opfernacht» ein stimmiger Slasher im Achtzigerjahre-Stil, der der Effektivität des Vorgängers in nichts nachsteht.
Eine Familie in der Falle
Cindy (Christina Hendricks) und ihr Ehemann Mike (Martin Henderson) begeben sich mit ihrer rebellischen Teenager-Tochter Kinsey (Bailee Madison) und ihrem Sohn Luke (Lewis Pullman) in den Familienurlaub. Doch der Trip entpuppt sich schon bald als unvorstellbarer Albtraum. Nachdem die Vier ihre Unterkunft in einem abgelegenen Trailerpark bezogen haben, beginnt mit einem Klopfen an der Tür eine Nacht voller Terror, aus der es kein Entrinnen gibt. Drei maskierte Fremde mit tödlichen Absichten zwingen die Familie dazu, gemeinsam um ihr Leben zu kämpfen.
In der ursprünglichen Drehbuchfassung sollte es ein Wiedersehen mit Liv Tylers Figur aus dem ersten Teil geben, die die erschütternden Ereignisse in «The Strangers» mit Müh und Not überlebt hatte. Von dieser Idee nahm Ben Ketai nicht zuletzt deshalb Abstand, weil «The Strangers: Opfernacht» nicht nur inhaltlich völlig auf eigenen Beinen steht, sondern auch, weil er stilistisch und tonal neue Wege bestreitet. Das im Original «Prey at Night» betitelte Sequel kommt ebenfalls gänzlich ohne stilistische Überhöhung oder Humoreinschübe aus; «Opfernacht» ist ähnlich «The Strangers» eine eineinhalbstündige Tour-de-Force für alle Beteiligten, deren Jäger keine Skrupel kennen und unter deren Pein überhaupt keine Zeit ist, mithilfe cooler Aktionen oder One-Liner auf emotionale Distanz zu gehen. Doch trotz seiner Ansiedelung im Hier und Jetzt ist die Fortsetzung vor allem eine klare Hommage an das Slasherkino der Achtzigerjahre und lässt den minimalistischen Terror-Touch aus dem Auftakt von vor zehn Jahren vermissen.
Wie sehr es Regisseur Johannes Roberts versteht, aus einem altbekanntem Szenario das Optimum an Atmosphäre herauszuholen, hatte er erst vor zwei Jahren mit seinem inhaltlich vollkommen austauschbaren, inszenatorisch aber durchaus stilsicher vor erfrischend exotischem Setting inszenierten Gruselhorror «The Other Side of the Door» bewiesen. Auch für «The Strangers: Opfernacht» entpuppt sich der gebürtig aus Cambridge stammende Regisseur als optimale Wahl.
Eine Hommage an das Achtzigerjahre-Slasherkino
Mit dem Trailerpark, der von einem neonfarbig dekorierten Poolbereich über einen abgelegenen Spielplatz bis hin zu einer (für bedrohliche Weitwinkelaufnahmen besonders gut geeigneten) Brücke so viele verschiedene Settings bietet, dass einem Horrorregisseur zwangsläufig das Herz aufgehen muss, wissen Johannes Roberts und sein Kameramann Ryan Samul («We Are What We Are»), auch ohne erzählerische Schnörkel kreativ zu sein. Inhaltlich läuft in «The Strangers: Opfernacht» ohnehin alles auf die Jagd zwischen den maskierten Killern und der anvisierten Familie hinaus. Gleichwohl geht das Leinwandgeschehen über eine gewöhnliche Hatz hinaus. Ryan Samuel kreiert äußerst bedrohliche Bilder, in denen er die Unberechenbarkeit der Bösewichte voll ausnutzt. Manchmal sieht man Dollface im Stechschritt hinter ihrem Opfer hergehen (und nicht etwa blind hinterherlaufen – sie weiß sowieso, dass sie die anvisierte Teenagerin irgendwann einholt), ein anderes Mal steigt der Maskenmann seelenruhig zu dem schwer verletzten Vater ins Auto, wissend, dass er in seinem Zustand ohnehin nicht fliehen kann.
Vor allem die Szenen, in denen die Bösen nicht einfach nur hinter der Familie herrennen, um ihnen möglichst effektvoll das Messer in den Bauch zu rammen, wirken umso beklemmender: Dollface, Pin-Up-Girl und Maskenmann strahlen bis zum Schluss eine Überlegenheit aus, die viel bedrohlicher ist, als ein Mörder, der aufgrund seiner körperlichen Beschaffenheit ohnehin schneller und stärker ist, als die Person, auf die er es abgesehen hat. Wenn Dollface im letzten Drittel sogar demaskiert wird, treibt Johannes Roberts sein Spiel mit der Standardzeichnung eines Schlitzerkillers auf die Spitze, denn der Gegenspieler ist eben kein unkaputtbarer Zwei-Meter-Hüne, sondern eine zierliche junge Frau, in deren Augen sich der ganze Wahnsinn widerspiegelt.
Weitaus generischer als die Killer geraten die Opfer. Damit hinkt «The Strangers: Opfernacht» seinem Vorgänger durchaus hinterher, denn auch, wenn das Skript mit Kinsey und ihrer Familie äußerst unberechenbar umspringt (hier sterben die Personen nicht in der Reihenfolge, von der man es erwarten würde), entsprechen die Charaktere weitgehend unspektakulären Klischees. Mutter, Vater und die zwei Kinder, von denen das eine die Rebellin, der andere das brave Muttersöhnchen sein soll, bleiben trotz einer sehr ausführlichen Exposition blass, die Darsteller spielen ihre Standardrollen aber immerhin souverän. Vor allem Bailee Madison («Good Witch») mimt das klassische Final Girl mit großer Aufopferungsbereitschaft und liefert eine starke „Ich kämpfe um mein Leben!“-Performance ab. Auch die Folgen der gewalttätigen Attacken schildert «The Strangers: Opfernacht» unter akustischer Begleitung eines nostalgischen Synthiescores (Adrian Johnston) und eingeschobenen Achtzigerjahre Evergreens mit der altbekannten Konsequenz: Hier gelangen die Verletzten ziemlich schnell an die Grenzen des Möglichen und bringen auch keine Wunder zustande, obwohl sie sich, an Horrorfilmstandards gemessen, doch immerhin ziemlich klug und logisch verhalten.
Eine ordentliche Portion Gore und eine kleine Handvoll effektiv platzierte Jumpscares bietet Johannes Roberts seinen Zuschauern ebenfalls, setzt aber, wie schon Bryan Bertino im Vorgänger, verstärkt auf den Suspense und weniger den schnellen Schock. Mit diesen altbekannten Zutaten erfindet der britische Horrorregisseur das Rad zwar nicht neu, aber er kreiert eine eindringliche Atmosphäre der Angst, ganz ohne den heutzutage fast Usus gewordenen Meta-Humor oder befreiende Humoreinschübe.
Fazit
Johannes Roberts gelingt mit «The Strangers: Opfernacht» ein nostalgischer Trip in bekannte Genregefilde. Sein sich visuell und akustisch stilsicher am Horrorkino der Achtziger orientierender Slasher schürt effektiv Angst und bietet ein beklemmendes Wiedersehen mit den unberechenbarsten Killern jüngerer Horrorgeschichte.
«The Strangers: Opfernacht» ist ab dem 21. Juni in den deutschen Kinos zu sehen.
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