Filmfacts: «LOMO: The Language of Many Others»
- Regie: Julia Langhof
- Drehbuch: Thomas Gerhold, Julia Langhof
- Darsteller: Jonas Dassler, Lucie Hollmann, Eva Nürnberg, Karl Alexander Seidel, Marie-Lou Sellem, Peter Jordan, Julika Jenkins, Rainer Sellien, Barbara Philipp
- Produktion: Martin Heisler
- Kamera: Michal Grabowski
- Schnitt: Halina Daugird, Thomas Krause
- Musik: Torsten Reibold
- Laufzeit: 101 Min
- FSK: ab 12 Jahren
Die in einer dörflichen Version Berlins spielende Small-Budget-Produktion zeigt sich wiederholt begriffsstutzig in der Beschreibung webmedialer Wirklichkeiten und überdramatisiert die schädliche Abwärtsspirale, die durch digitale Kommunikation ausgelöst werden kann. Die Verführung zum Unheil kommt fast ausnahmslos aus dem Netz. Gewiss: Mit viel, viel gutem Willen ließe sich behaupten, dass Regisseurin Julia Langhof schlicht und konsequent auf der Logikebene ihres Protagonisten operiert. Dieser propagiert folgende Erkenntnis: "Es gibt nur zwei Zustände im Leben: Langeweile oder Panik." Dass «LOMO: The Language of Many Others» zwischen Ödnis und Panikmache changiert, fügt sich also gut in das Weltbild des dauerbloggenden Teenagers.
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Als Karl seine Fans bittet, sich heimlich beim Essen mit ihrer Familie zu filmen und währenddessen intime Fragen zu stellen, dreht auch er solch einen "Prank", was ihm Ärger mit seinem Vater einbringt. Aber dieser Ärger ist ein Witz dagegen, was geschieht, sobald Karl in einem Anflug von Wut, Enttäuschung, Geltungsbedürfnis und alkoholisiertem Leichtsinn ein wesentlich pikanteres Video veröffentlicht …
Langhof versteht es, Karls Realität durch inszenatorische Kniffe mit der digitalen Welt zu verschmelzen: Sie nutzt gelegentlich lange Überblendungen oder lässt das Bild grob verpixelt erscheinen. Stimmen, die Kommentare in Karls Blog vorlesen, wachsen zu einem Klangwust an, Handlungsszenen und Videos aus Karls Blog sind zuweilen harsch aneinandergereiht. Diese Regiespielereien reichen aus, um «LOMO: The Language of Many Others» aus dem Wust mahnend artikulierter, deutscher 'Problemfilme' herausstechen zu lassen, wagen sich aber nie aus der massentauglichen Komfortzone an Experimentierfreudigkeit hervor.
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Das kuriose und konzeptlose Mischmasch aus Versatzstücken digitaler Kommunikations- und Selbstdarstellungsplattformen ist nur der Anfang einer langen Reihe an verwunderlichen Elementen dieses Films, die den digitalen und technologischen Ist-Zustand dramatisch verzerren. Vor allem im letzten Drittel sollten Filminteressierte dringend versuchen, Fragen über technische Gegebenheiten besser runterschlucken, anderweitig drohen die in Gedanken aufploppenden Fragezeichen die eskalierende Story zu übertönen.
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«LOMO: The Language of Many Others» steuert sich so in eine Zwickmühle: Für ein fein beobachtetes, unter die Haut gehendes Psychogramm einer websüchtigen Generation ist es zu inakkurat und arbeitet in der Figurenzeichnung viel zu sehr mit Verallgemeinerungen. Für einen schlichten, aber intensiven Thriller, der Vereinfachungen nutzt, um eine größere Sogwirkung zu erzeugen, verlässt sich der Stoff aber zu sehr auf konstruierte Zuspitzungen. Was ihm jedoch nicht zu nehmen ist, sind seine gewitzte Nachahmung typischer Webkommentare und ein kleiner, treffender Dialog, der den digitalen Generationenkonflikt einfängt: Karls Vater will im Web nicht bloßgestellt werden und bittet darum, ein Video offline zu nehmen. Karl ist verwundert, dass sein Vater wirklich glaubt, jemand würde sich für ihn interessieren. Im Netz geht unwichtiges eh verloren. Schade, dass der Film diesen Konflikt zwischen "Es geht eh unter" und "Es muss gar nicht erst öffentlich werden" nicht mit Ruhe vertieft, sondern auf panischen Allgemeinplätzen verharrt.
«LOMO: The Language of Many Others» ist ab sofort in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
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