Die Kino-Kritiker

«Mission: Impossible – Fallout»: So fesselnd, dass es dich umhaut

von   |  1 Kommentar

Eine Mission, die angenommen werden muss: Wer Actionfilme liebt, darf sich «Mission: Impossible – Fallout» auf keinen Fall entgehen lassen.

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Stilvoll trifft entfesselt


Mehr noch als McQuarries Erzählstruktur ist es aber die Handwerkskunst von «Mission: Impossible – Fallout», die es darauf abgesehen hat, dem gebannten Publikum die Luft zu verschlagen: Von Kameramann Rob Hardy («Ex_Machina») auf 35mm-Film gedreht und letztlich auf das anamorphische Bildformat 2.39 : 1 aufgeblasen, kommt dieser nahezu ununterbrochen in Bewegung befindliche Actionthriller in einem selbstbewusst-grobkörnigen, rauen Look daher. McQuarrie und Hardy setzen in diesen schroffen Bildern allerdings auf eine altmodisch-noble, strenge Trennung zwischen Bildvordergrund und Hintergrund: In Nahaufnahmen und Halbnahen sowie in einigen Halbtotalen legen sie einen strengen Fokus auf die handelnde Figur, während der Hintergrund hinter ihr verschwimmt.

Im Zusammenspiel mit einer distinguierten Lichtsetzung, die beispielsweise die von der enigmatischen White Widow (Vanessa Kirby) genutzten Bar ein luxuriöses, sattes Schwarz mit güldenen Akzenten verlieht, ergibt dies eine mitreißende Ästhetikschere: Schroff und ruhelos, aber stilvoll; ungehalten und doch mit klassischer Erscheinung. Und in eben dieser Ästhetik spielt sich purer Actionbombast ab, der jedoch nie so inszeniert ist, dass der Schwerpunkt auf dem Spektakel liegt, sondern wir weiter nah bei den Figuren bleiben, die sich mit bemühtem Gleichmut durch den Tumult steuern. Wie Tom Cruises Agentenrolle Ethan Hunt spurtet, spurtet, spurtet «Mission: Impossible – Fallout» durch ein zunehmend chaotisches Geschehen – das Cutter Eddie Hamilton («Kingsman – The Golden Circle») allerdings mit einer gesegneten Ruhe in einen Bilderreigen ordnet.

Es ist so, als sei die Seite Alfred Hitchcocks, die Filme wie «Der unsichtbare Dritte» filmte (nicht die Ader Hitchcocks, die etwa «Psycho» verantwortete), von Christopher Nolan sowie Don Siegel besessen worden, die nun versuchen, William Friedkins «Brennpunkt Brooklyn»-Verfolgungsjagd mehrmals innerhalb eines einzelnen Films zu toppen. Und wenn Ethan Hunt mal ins Stolpern oder Straucheln gerät, oder aber schwere Maschinen durch schieres Glück in die erhoffte Richtung stürzen, weht zudem der Geist des Action-Slapstick-Großmeisters Buster Keaton durch diese Mission ...



Gedämpfte, zugleich rohe Klanggewalt


Dieser von McQuarrie mit beträchtlicher Contenance verwirklichte, filmstilistische Schlagabtausch zwischen hart und zart, ungehalten und vornehm, setzt sich auch musikalisch fort: Hans-Zimmer-Schüler Lorne Balfe («13 Hours: The Secret Soldiers of Benghazi») unterlegt «Mission: Impossible – Fallout» mit schweren, kühlen Orchesterklängen, bei denen sich langsam entfaltende, schneidende Melodien mit stakkatoartigen Rhythmen abwechseln. Es werden Assoziationen zu Hans Zimmers Kompositionen für Nolan-Filme wie «Inception» und «The Dark Knight» wach, gleichwohl hält sich Balfe stärker im Hintergrund, während Nolan in seinen Filmen öfters die Wirkkraft eines Augenblicks in Zimmers Hände übergibt.

Dies liegt auch an der sanfteren Abmischung der teils verspielt-zusammengestellten Percussion-Instrumente – so viele Bongos wie «Mission: Impossible – Fallout» hat wohl kaum ein hochdramatischer Actionfilm zu bieten, der keinen Halt in Afrika macht. Balfe lässt die Streicher wiederum von aggressiv-rasch zu eingeschüchtert-schleichend changieren und baut vereinzelte, atmosphärische Piano-Einsätze in seinen Score ein und schafft so eine stilistisch stark verdichtete Brücke zwischen den situativen Agentenfilm-Musiken der Hitchcock-Ära, den melodiösen John-Barry-«James Bond»-Tagen und der lauten Hans-Zimmer-Exzentrik von heute.

Dass diese komplexe Klangwelt den Film überwältigt, vermeidet McQuarrie dadurch, dass er die non-diegetische Musik zwar in den ganz großen Verfolgungsjagden aufdreht, in Nahkämpfen dagegen primär auf Klänge "vor Ort" setzt. Etwa, wenn Ethan Hunt aus einem Verhandlungsgespräch mit White Widow gerissen wird, die Vanessa Kirby so spielt, als hätte Tippi Hedrens verschmitzte Streichespielerin aus «Die Vögel» beschlossen, eine mysteriöse Schurkin im seidig-glänzenden, geschmackvollen Femme-fatale-Look zu werden:

Stöhnen. Schnaufen. Durch die Luft schneidendes Metall, knacksende Knochen und knisternder Stoff, im Hintergrund plätschert leise Barmusik, die durch den gerade ausgebrochenen Kampf übertönt wird. Jedoch keine Lorne-Balf-Klanggewalt. Aber auch bei motorisierten Verfolgungsjagden nimmt sich McQuarrie wiederholt Momente raus, in denen vor allem das Dröhnen von Autos und Röhren von Motorrädern den Kinosaal beschallt: Erzählerisch, visuell und akustisch ist «Mission: Impossible – Fallout» ein entfesselter Schlagabtausch zwischen verlockender Edelunterhaltung, überwältigender Actiongewalt und minutiöser, das Publikum in die Szenerie versetzender Filmstilistik. Wie soll der Atem da nicht stocken bleiben?

Schauspiel, Stunts, Schaustücke


Ein kleines filmisches Wunder ist, dass bei all dem die Schauspielriege nicht völlig an den Rand gedrängt wird: Dass Tom Cruise als wahnwitziger, waghalsiger Typ, der nichts unversucht lässt, um in seiner Mission vorwärts zu kommen, überzeugt, dürfte mittlerweile außer Frage stehen. Doch dass beispielsweise Ving Rhames nach fünf vorhergegangenen Filmen in der «Mission: Impossible»-Reihe endlich zeigen darf, was mimisch in ihm steckt, gehört zu den größeren Überraschungen dieses Leinwanderlebnisses.

Rhames bekommt in einem unaufgeregt geschriebenen, von ihm unglaublich rührend gespielten Monolog die Gelegenheit, nicht nur Teufelskerl Ethan Hunt zu vermenschlichen, sondern dieser atemlosen Weltrettungsmission eine verletzliche Note zu verleihen. Ein kurzer, aber wichtiger Moment in diesem fast zweieinhalbstündigen Actionthriller, durch den die sich überschlagenden Stuntkapriolen im opulenten Finale auch an figurenbasierter Spannung zulegen.

«Mission: Impossible – Rogue Nation»-Entdeckung Rebecca Ferguson glänzt indes ein weiteres Mal als ebenso soignierte wie durchsetzungsfähige, kühle wie mitleidende Ilsa Faust, die Ethan Hunt mehrmals an seine Grenzen bringt und dennoch eine unverkennbare Sympathie für ihn aufbringt: Ferguson verleiht mit ihrem elegant-strengen Gestus eine taff-altmodische Ausstrahlung, die schon den fünften «Mission: Impossible»-Film bereicherte und sich perfekt in den neuen Film fügt. Ferguson macht es glaubwürdig, dass eine britische Agentin in der einen Sekunde dem stets gehetzten Ethan Hunt freundschaftlich vorwirft, er hätte aus dem Agentenleben fliehen sollen, als er die Möglichkeit dazu hatte, nur um ihn in einem anderen Moment verbissen durch Paris zu jagen.

Eben diese Jagd fangen McQuarrie und Hardy in fast schon schwelgerischen Bildern ein, die der im Kino zuletzt zu einem abgenutzten Klischee verfallenen Stadt der Liebe ihre romantische Noblesse wieder verleihen. Inspiriert von Claude LeLouches «Rendezvous» setzen sie auf niedrige Kameraeinstellungen, durch welche die umwerfend schönen Pariser Bauten ihre volle Macht und Pracht entfalten können, selbst wenn um sie herum halsbrecherische Stunts geschehen. Und auch das gute, alte London dient in «Mission: Impossible – Fallout» als Schauplatz einer ausgedehnten Verfolgungsjagd – diese führt quer über moderne Bürobauten und jahrhunderte alte Dächer, während Ethan Hunt Anweisungen von Technik-Ass und Chaot Benji erhält, den Simon Pegg einmal mehr mit pointiertem Witz zum Leben erweckt.

«Man of Steel»-Titelheld Henry Cavill unterdessen darf als arroganter CIA-Agent zwar nur wenige Facetten von sich zeigen, jedoch gelingt es ihm, aus diesem stets von Hunt genervten Schrank von einem Mann mittels grantiger Selbstgefälligkeit einen Spionagewachhund zu formen, den man zu hassen liebt. Mit Cruises Wagemut kann sich Cavill vielleicht nicht messen, dennoch macht er viele seiner Stunts selber und schmeißt seine volle Muskelgewalt in die harschen Nahkampfszenen. Der volle Körpereinsatz des Ensembles ist «Mission: Impossible – Fallout» eh durchweg anzumerken. Quasi alles, was praktisch umgesetzt werden kann, wurde hier auch in echt gedreht, statt digital kreiert, was «Mission: Impossible – Fallout» konsequenterweise eine höhere Durchschlagskraft verleiht als den meisten Computertricksereien im modernen Actionkino.

Anders gesagt: Wenn Cruise vor laufender Kamera einen gefährlichen HALO Jump tätigt (und mit ihm Stunt-Kameramann Craig O’Brien, der im Sprung die Schärfe seiner Kamera regulieren muss), und diese Sequenz nicht meilenweit über dem Rest des Films schwebt, dann muss «Mission: Impossible – Fallout» ja wohl verdammt viel verflucht richtig machen. Und genau so ist es: «Mission: Impossible – Fallout» ist vielleicht nicht perfekt, aber dieser Ausnahme-Actionfilm macht verdammt viel verflucht richtig!

Fazit: Ein Film, so fesselnd, dass er dich umhaut: Starke Stunts, eingepackt in eine Story, die sich langsam, schneidend wie eine Schlinge, zuzieht. Wer Actionfilme liebt, muss diese Mission unbedingt annehmen!

«Mission: Impossible – Fallout» ist ab dem 2. August 2018 in vielen deutschen Kinos zu sehen – in 2D und 3D.

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
29.07.2018 20:39 Uhr 1
DAS ist mal ein HAMMER geile Kritik!! :-)
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