Die Kritiker

«Tanken - mehr als Super»

von

Heute Abend bringt ZDFneo eine neue eigenproduzierte Serie über drei Dödel von der Tankstelle an den Start. Das soll dem Titel nach super sein, entpuppt sich aber als das E10 der Comedy-Serien.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Stefan Haschke als Georg
Daniel Zillmann als Olaf
Ludwig Trepte als Daniel
Christina Petersen als Jana
Vita Tepel als Charlotte
Sara Fazilat als Nesrin

Hinter der Kamera:
Produktion: Letterbox Filmproduktion GmbH
Headautor: Gernot Gricksch
Drehbuch: Gernot Gricksch und Julia Drache
Regie: Marc Schlegel, Joseph Orr und Martina Plura
Kamera: Tom Holzhauser und Günter Handwerker
Georg (Stefan Haschke) ist ein lächerlicher Mann. Er arbeitet schon länger bei einer Tankstelle und wurde kürzlich in die Nachtschicht strafversetzt, weil er für die Tagschicht nach einer von ihm verursachten Katastrophe nicht mehr tragbar war. Angesichts seines Tätigkeitsfeldes wäre es eigentlich nicht geboten, seine Funktion leitend zu nennen, doch man tut es trotzdem.

Formal hat er tatsächlich zwei Untergebene: Olaf (Daniel Zillmann), einen jungen, gutmütigen, adipösen Metal-Liebhaber, und Daniel (Ludwig Trepte), der aus Mangel an Alternativen beim Allerweltsjob Tankwart gelandet ist, nachdem er sein Medizinstudium abgebrochen hat. Beide haben den Laden im Griff, nachts ist es zudem sowieso meistens ruhig. Viel zu führen gibt es also nicht. Doch Georg wirft leidenschaftlich mit angelsächsischen Worthülsen um sich, Corporate Identity, Structure, Character, zitiert Daniel und Olaf im Kasernenhofton zu sinnlosen Besprechungen und tut alles, um sich aus seiner Degradierung wieder in eine ein bisschen höhere Position zu intrigieren.

Er könnte also ein Bernd Stromberg der Tankstellenbranche sein, im unteren Management an der Basis. Doch «Stromberg» funktionierte jenseits der hervorragend geplotteten Drehbücher und des perfekt besetzten Ensembles auch als Spiegel für den deutschen Büroalltag, als lebensnaher, alltäglicher Referenzpunkt für Abermillionen Zuschauer. Das Tankstellenmilieu ist dagegen im Detail weniger bekannt, weniger greifbar sowie als Untersuchungsfeld weniger vielschichtig.

Doch das ist eigentlich ein Nebenaspekt. Denn «Tanken» gelingt es nicht einmal, einen soliden erzählerischen Grundstein zu legen, geschweige denn eine besonders interessante Figur vorzustellen, von der aus sich komödiantisch ein größeres Milieu erschließen ließe. Stattdessen ist der Georg von der Tankstelle ein überheblicher, aber objektiv volltrotteliger und innerlich unsicherer Typ, der seinen Minderwertigkeitskomplex durch eine maßlos übertriebene Selbstüberhöhung zu kompensieren versucht und sich als Blockwart der Zapfsäulen aufspielt. Flankiert wird er von zwei Typen, der eine verschroben-intelligent und weit unter seinen beruflichen Möglichkeiten bleibend, der andere gutherzig-knuffig und hinter dem Tresen der Tankstelle schon am richtigen Fleck auf der Welt.

Komödiantisch wie erzählerisch ist das für zwölf Folgen eine ziemlich dünne Konstellation. Und «Tanken» macht, was deutsche Comedy-Serien immer tun, wenn sie dramaturgisch auf Sand gebaut sind: die Flucht in den Klamauk, in die hemmungslose Überzeichnung, in der Hoffnung, die Aneinanderreihung des Abstrusen würde schon ausreichen, um mit ein paar flotten Gags über die Runden zu kommen.

Die Premierenfolge stellt sich das so vor: Ein alteingesessener Tankwart hat plötzlich im Hinterzimmer einen ischämischen Anfall. Blockwart Georg weiß natürlich alles besser als der kompetente Medizinabbrecher Daniel und will den hilflosen Mann einem so unnötigen wie gefährlichen Luftröhrenschnitt unterziehen. Dabei zertrümmert er ein Ketchup-Tütchen in dessen Brusttasche, dessen Inhalt einmal quer durch den Raum schießt. Erst denken alle, das rote Zeug sei Blut und Loser-Georg hätte den Patienten erdolcht. Bis einer die rote Masse kostet. Wie witzig.

In der nächsten Folge taucht Olafs völlig dementer Opa während der Schicht auf, der in seiner geistigen Umnachtung irgendwann abhandenkommt. Da hat Olaf schon seine Metal-Freunde zu Hilfe gerufen, von denen einer trotz seiner äußerlich betont maskulinen Erscheinung ziemlich nah am Wasser gebaut ist. Wie witzig.

Als die Bande in ihrer geballten Inkompetenz die Kasse lahmlegt, verweigert Korinthenkacker Georg die Annahme der Barzahlung einer Kundin, weil die auf das Konto der verhassten Kollegen der Tagschicht ginge. Kurzerhand wird sie als Geisel genommen. Der Umstand, dass sie einen Hijab trägt, wird ihr schließlich erwartungsgemäß zum Verhängnis, als das Sondereinsatzkommando den Laden stürmt. Wahnsinn, wie unfassbar witzig.

«Tanken» hat leider nichts zu bieten als das Offensichtliche: Und auch wenn die Hijab tragende Kundin eine Weile als Vorwand herhalten muss, um die Reizthemen Racial Profiling, nationale Zugehörigkeit und rechtsextreme Vorurteile gegen religiöse Minderheiten zu thematisieren, bleibt das eben: ein Vorwand, mit gestelzten, bemühten Dialogen und einfallslosen Plotwendungen. Die Serie erzählt, als habe es seit den Tagen von «Ritas Welt» keinerlei inhaltliche Weiterentwicklung, keinerlei neue Impulse gegeben. Super ist das nicht. Allerhöchstens E10.

ZDFneo zeigt 12 Folgen von «Tanken – Mehr als Super» ab Dienstag, dem 31. Juli jeweils um 22.45 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/102681
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