Zu Volker Klüpfel und Michael Kobr
- gehören zu den bekanntesten Krimiautoren Deutschlands
- ihre Bücher wurden über 6,5 Millionen Mal verkauft und wurden schon etwa ins Japanische, Russische und Türkische übersetzt
- fünf Kriminalromane wurden bislang verfilmt
- bieten auch Liveshows an, die bislang schon etwa 350.000 Menschen besucht habe
- bislang wurden schon zehn "Kluftinger"-Krimis veröffentlicht
Zunächst mal zu der wirklich spannenden Grundidee: Die beiden erfolgreichen Krimiautoren Volker Klüpfel und Michael Kobr (siehe Infobox) müssen einen "perfekten Mord" schreiben, den der reale Kriminalhauptkommissar Peter Honecker gemeinsam mit seiner Kollegin Jessica Gerlach aufzuklären hat. Innerhalb von 48 Stunden muss Honecker unter sieben Verdächtigen den wahren "Mörder" ausfindig machen, wobei ihm die gleichen Mittel zur Verfügung stehen wie in seinem echten Berufsalltag - in erster Linie kriminaltechnische Untersuchungen sowie Verhöre mit den Verdächtigen. Letztgenannte werden von Schauspielern verkörpert, die genaue Figurenprofile von Klüpfel und Kobr erhalten und in den Verhören improvisieren müssen. In der am Mittwoch gezeigten Folge geht es um eine ermordete Radiomoderatorin, unter den Verdächtigen befinden sich unter anderem die Senderchefin, deren erfolgloser Sohn, ein arroganter Studiogast sowie ein allzu aufdringlicher Fan.
Das alles klingt schon in der Theorie nach einem anspruchsvollen Unterfangen, wenn man das Projekt einmal weiterdenkt: Schließlich muss nicht nur das Tatgeschehen (nachvollziehbar) konstruiert und die Verdächtigen umfänglich charakterisiert werden, sondern es muss auch eine Auswahl getroffen werden, welcher Darsteller welche Person zu 100 Prozent glaubwürdig zu mimen imstande ist. Und schon bei diesem elementaren Punkt hakt es in dem neuen Format gewaltig: Die Dialoge in den Verhören wirken hölzern, die Leistungen der Darsteller sind bestenfalls durchschnittlich, viel zu viele Verhörsituationen erinnern viel zu deutlich an ein "Best Of" der unfreiwillig komischsten Szenen der «K 11»-Geschichte. Und das stört gewaltig, wenn man bedenkt, dass Mimik und Gestik bei der realen kriminalistischen Arbeit eine nicht ganz unwichtige Rolle einnehmen. Hier aber wirkt erst einmal niemand aufrichtig und authentisch - weil niemand in der Lage ist, komplett in seiner Rolle aufzugehen.
Dann stellt sich auch die Frage, was eigentlich mit den Menschen fernab der sieben Verdächtigen und der beiden Ermittler ist? Darauf eine befriedigende Antwort zu finden, erfordert auch eine große Expertise - oder man begnügt sich mit dem eigens konstruierten Mikrokosmos und beschränkt sich von gelegentlichen Anrufen von beispielsweise Rechtsmedizinern abgesehen auf diesen kleinen Personenkreis. Mag völlig realitätsfern sein, ist aber günstiger und leichter zu produzieren - und das scheint für Sat.1 und Odeon Entertainment in erster Linie handlungsleitend gewesen zu sein. Da mag es noch so interessant sein, den einen oder anderen Einblick in die Arbeit eines echten und als einziger Akteur auch authentisch agierenden Ermittlers zu erhalten, das Laienschauspiel und die gar nicht mal so gut gescriptete Realität prägen den Gesamteindruck doch weitaus stärker.
Also vielleicht nichts für diejenigen Menschen, die auf gutes Fernsehen gehofft haben, sondern eher etwas für die Fraktion «K 11» und «Auf Streife»? Nein, auch nicht so wirklich. Denn dafür fehlen Kurzweil, dramatisch gefilmte Verfolgungsjagden, eine Menge Krawall und das gute Gefühl, nach einer halben Stunde zu wissen, wer laut Drehbuch der Täter ist. Die zwei Stunden Brutto-Sendezeit sind durchaus darauf ausgelegt, dass der Zuschauer ernsthaft miträtselt, nur fehlt der Ansporn für die Fraktion Hochglanz-Fiction ebenso wie für die Fraktion Brüllaffen-Liebhaber. Eine kurze Prügelei im Foyer des Radiosenders ist schon das Höchste der Krawallgefühle.
Nun muss man aber auch so fair zu den Verantwortlichen sein, zu betonen, dass dieses Konzept bereits danach schreit, im ressourcenbeschränkten Fernsehmarkt zu scheitern: Man benötigt Top-Autoren für den Fall, die man mit den "Kluftinger"-Machern vielleicht noch am ehesten hat gewinnen können. Man benötigt Top-Produzenten für die Visualisierung und Inszenierung des Falles sowie der immer wieder mal eingeflochtenen Rückblenden, was schon deutlich weniger gelungen ist. Vor allem aber benötigt man sehr gute bis herausragende Darsteller für die anspruchsvolle Aufgabe, so gut in eine Rolle zu schlüpfen, dass man auch in improvisierten Verhören nie Zweifel daran aufkommen lässt, der Verdächtige zu sein, den man gerade mimt. Für irgendein Sat.1-Mittwochabendformat im Sommerloch sind das Bedingungen, denen man kaum gerecht werden kann - außer es ist okay für einen, wenn zwei Drittel des dargebotenen Materials pomadig, schleppend und mitunter geradezu lächerlich wirken.
So bleibt am Ende des Abends der für den nach neuen Impulsen des linearen Fernsehens strebenden Unterhaltungsgourmets die bittere Erkenntnis, dass ein solches Konzept drei bis vier Nummern zu groß scheint für eine abendliche TV-Produktion und das Potenzial dieser Idee zwar punktuell immer wieder kurz erkennbar war, sich dann aber wieder in spröden Verhören, unglaubwürdigen Darstellern und zähen Impressionen von der Ermittlungsarbeit verlor. Es verwundert also nur bedingt, dass Sat.1 nach der ersten Ankündigung vor über einem Jahr erstmal nichts mehr von diesem Projekt hören ließ und es nun eben doch ein wenig in der heißen Ferienzeit versendete. Gut möglich, dass hier eine Idee so hell erstrahlte, dass man von ihr geblendet war - und erst spät merkte, wie schwierig die Umsetzung wirklich ist. "Dann künftig vielleicht doch lieber wieder einen der zahlreichen konventionellen Krimis anschauen oder lesen" dürfte die nachvollziehbare Reaktion vieler Zuschauer gewesen sein, die diesem Schauspiel am Mittwochabend beiwohnten.
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