Die glorreichen 6

Die glorreichen 6 – Kritikerflops, die wir lieben (Teil VI)

von

Es ist ein Thema, das sich (nahezu) unendlich fortsetzen ließe: Filme, die einen miesen Kritikerkonsens haben, und dringend mehr Respekt verdienen. Wie das Gerichts- und Familiendrama «Der Richter».

Die Handlung


Filmfacts: «Der Richter»

  • Regie: David Dobkin
  • Drehbuch: Nick Schenk, Bill Dubuque
  • Produktion: David Dobkin, Susan Downey, David Gambino
  • Darsteller: Robert Downey Jr., Robert Duvall, Vera Farmiga, Billy Bob Thornton, Vincent D'Onofrio, Jeremy Strong, Dax Shepard
  • Musik: Thomas Newman
  • Kamera: Janusz Kaminski
  • Schnitt: Mark Livolsi
  • Laufzeit: 141 Minuten
  • FSK: ab 6 Jahren
  • Veröffentlichtungsjahr: 2014
  • Rottentomatoes-Wert: 48%
  • Metascore-Wert: 48%
Das Privatleben des extrovertierten Großstadtanwalts Hank Palmer (Downey) gleicht einem Scherbenhaufen. Seine Ehe steht vor dem Aus und zu der Familie besteht kaum noch Kontakt. Als ihn mitten in einem Prozess der Anruf seines Bruders Glen (Vincent D’Onofrio) erreicht, muss Hank seine Prinzipien über Bord werfen und reist notgedrungen in die Heimatstadt, um seine Mutter zu beerdigen. Nach einem Aufeinandertreffen zwischen dem Anwalt und seinem Vater Joseph, dem langjährigen und angesehenen Richter des Ortes (Rubert Duvall), eskaliert die Situation und Hank plant seine Abreise. Da steht plötzlich die Polizei vor der Tür. Joseph Palmer soll in einer Nacht-und-Nebel-Aktion einen ehemaligen Gefängnisinsassen überfahren haben, bei welchem sich der Richter einst ein verhängnisvolles Fehlurteil erlaubte. Hank soll die Wahrheit herausfinden und nutzt den brisanten Anlass, um sich mit seinem Vater zusammenzuraufen. Doch die beiden Männer haben Jahrzehnte ihres Lebens aufzuholen…

Die glorreichen Aspekte


«Der Richter – Recht oder Ehre» funktioniert nicht automatisch und schon gar nicht von der ersten Szene an. Insbesondere in der Anfangsphase verlässt sich Robert Downey Jr. noch verstärkt auf seinen bewährten Iron-Man-Autopilot und kommt dem Zuschauer mit seiner selbstgerechten Macho-Attitüde nicht wirklich nah. Entsprechend schwer entwickelt sich auch der Plot: Zwar berührt Downey Jr. vorzugsweise im Zusammenspiel mit seiner Filmtochter Lauren (Emma Tremblay) und geht in diesen Szenen bereits früh zu Herzen, doch gerade der Konflikt zwischen ihm und seinem Vater braucht seine Zeit, eh sich das Publikum bewusst bemüht, Interesse an der Zusammenführung der beiden Streithähne zu entwickeln; auch deshalb, weil sich der Film nicht mit der Entwicklung simpler und offensichtlicher Erzählstränge zufriedengibt.

Zwischen Downey Jr. und einem hervorragend agierenden Robert Duvall («Thank You For Smoking»), der für seine Rolle für den Golden Globe nominiert wurde, fliegen keine offensiven, gar unterhaltsamen Fetzen. Stattdessen brodelt es unterschwellig so lange, bis sich die angestauten Emotionen auf einen Schlag entladen. Bis zu dieser ersten von vielen weiteren Eskalationen hat die Story Mühe, einen für sich unterhaltsamen Rhythmus aufzubauen. Doch hat man die zähen und bis auf weiteres auch sehr konventionellen Anfangsminuten erst einmal hinter sich gebracht, entwickelt sich die Handlung in eine Richtung, die sich spürbar vom gängigen Emotionskino wegbewegt und elegant verschiedene Genreeinflüsse in sich vereint.

In seiner großzügigen Laufzeit von knapp zweieinhalb Stunden fokussiert der Schwerpunkt nach dem ersten Drittel vollends die charakterlichen Entwicklungen von Vater und Sohn. Ist der Zuschauer für die menschlichen Töne zwischen den Zeilen empfänglich, offenbart sich ihm alsbald eine Geschichte über verpasste Chancen, Misstrauen und Konsequenzen, die das Leben für jeden von uns bereithält. David Dobkin lässt zwar ansatzweise schwarzen Humor durchklingen, der nicht auf bewusst geschriebene Pointen baut, sondern sich fast beiläufig in Dialogsequenzen oder Alltagsszenerien abspielt. Dennoch verzichtet der Filmemacher in seiner siebten Langfilm-Regiearbeit zu weiten Teilen auf den bewährten Kniff, lebensechte Tragik mit Komik zu vermischen. Der Tonfall von «Der Richter – Recht oder Ehre» hat zwar nicht die Schwere einer klassischen Filmtragödie, nichtsdestotrotz konzentriert sich der Streifen ganz bewusst äußerst humorreduziert auf die wesentlichen Bestandteile seiner Handlung, zu der nach etwa der Hälfte ein weiterer Strang hinzukommt, der in seinem Auftreten wie ein waschechter Grisham daherkommt.

Wer nun allerdings glaubt, dass sich die parallel existierenden Handlungsstränge gegenseitig an Intensität berauben, der irrt. Nicht nur, dass die anstehenden Mordverhandlungen durch das nur wiederwillig eingegangene Anwalt-Mandant-Verhältnis zwischen Vater und Sohn zusätzlich an Zündstoff gewinnt – auch andersherum profitiert die Erzählung um die anstehende Versöhnung von den Szenen vor Gericht, die zum einen stark geschrieben sind, in ihrem unberechenbaren Ausgang aber vor allem eine beachtliche Spannung entwickeln.

Drehbuchautor Nick Schenck verleiht seiner Erzählung durch die vielen, verschiedenen Blickwinkel tolle Facetten, von denen allen voran die Charaktere profitieren. Taten diese sich zunächst schwer, für die Zuschauer nahbar zu wirken, gewinnen sie mit fortwährender Laufzeit an Profil, in das die Filmemacher immer tiefer einzudringen vermögen. Als Robert Duvall nicht nur der Rolle Downey Jrs. sondern auch dem Publikum schließlich offenbart, an einer tödlichen Krankheit zu leiden, gewinnt «Der Richter – Recht oder Ehre» endgültig an persönlichen Berührungspunkten. Szenen, welche den eigentlich mit seinem Vater zerstrittenen Hank zeigen, wie er seinem kranken Vater selbstlos dabei zur Seite steht, als dieser krankheitsbedingt in seinen eigenen Fäkalien steht, entwickeln in ihrer bewussten Wahl des Gezeigtem eine solche Brisanz und Intensität, dass «The Judge» eine Bandbreite an Gefühlen bedient, die man von dem Film in dieser Form zunächst nicht erwartet hätte.



Effekthascherei oder Voyeurismus seine dabei keine Mittel, mit welchem Kameramann Janusz Kaminski arbeitet, um dem Publikum ein möglichst ungeschöntes Bild der Ereignisse zu vermitteln. Der preisgekrönte Bilderkünstler («Schindlers Liste») reduziert bewusst, wenn sich das Gezeigte selbst als obsessiv erweist und schafft es in den ruhigen Momenten, die volle Wucht aus den Bildern herauszuholen. Insbesondere im Gerichtssaal werden Erinnerungen an seine Arbeit im Spielberg-Drama «Lincoln» wach, für das Kaminski ebenfalls hinter der Kamera stand. Technische Unterstützung erhält er derweil von einem ebenfalls alten Bekannten. Thomas Newman («Saving Mr. Banks») zeichnet für die musikalische Untermalung verantwortlich und greift ganz gezielt auf melancholische Musikstücke zurück, die er in einen ruhigen Pianoscore einbettet.

Womit sich «Der Richter – Recht oder Ehre» damals auch noch einen Status als Award-Geheimtipp erarbeitet hat, ist ein beeindruckend aufspielendes Hauptdarstellerduo. Hat Robert Downey Jr. seinen typischen Superheldenspielmodus erst einmal abgeschaltet, beweist er besonders in den ruhigen Momenten, dass in ihm noch immer ein Charakterdarsteller steckt, der im Falle von «The Judge» das stetig zunehmende Verzweifeln und aufopferungsvolle Kämpfen mit dem lockeren Mundwerk eines Charismatikers vereint. Energisch und impulsiv treibt er nicht nur die Handlung stetig voran, sondern spielt sich mit seinem Filmvater Robert Duvall bemerkenswerte Dialogbälle zu. Gegen letzteren schafft es jedoch auch Downey Jr. nicht, anzuspielen. Duvall kombiniert sämtliche positiven wie negativen Attribute eines vermeintlich verbitterten Mannes mit einer Selbstverständlichkeit, die nie auch nur den leisesten Zweifel an der Echtheit seiner Gefühle aufkommen lassen. Resignation, Frust und Stolz: Der Richter Joseph Palmer wird zu einer vielschichtigen Figur, die weder den Begriff Pro-, noch Antagonist verdient hat. «Der Richter – Recht oder Ehre» versucht zwar auf der Handlungsebene, nach dem Gut und Böse in einem Menschen zu fragen, kommt als Film jedoch weitaus mehrschichtiger daher und gibt sich mit solch simplen Klassifizierungen nicht zufrieden.

«Der Richter - Recht oder Ehre» ist auf DVD und Blu-ray erschienen. Zudem ist «Der Richter» via Amazon, maxdome, iTunes, Rakuten TV, Microsoft, Videoload, videociety und Freenet video, Sony und CHILI abrufbar.

Kurz-URL: qmde.de/102815
Finde ich...
super
schade
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelSozialdokus am Abend: «Hartz und herzlich» schlägt den «Jugendknast» erneut deutlichnächster ArtikelPrimetime-Check: Samstag, 4. August 2018
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel
Weitere Neuigkeiten

Optionen

Drucken Merken Leserbrief



Heute für Sie im Dienst: Fabian Riedner Veit-Luca Roth

E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung