Ein weiteres Format, das augenscheinlich auch im Genre Business-Show anzusiedeln ist, ist nun am Montagabend bei RTL II gestartet. «Jung, weiblich, Boss!», das der Sender selbst als Reality-Doku bezeichnet, begleitet acht Frauen, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Unterstützt werden sie dabei von Jette Joop. Die Schmuck- und Modedesignerin ist die Tochter von Wolfgang Joop und hat sich als Geschäftsfrau mit Mode-, Schmuck- und Living-Kollektionen einen Namen gemacht.
Die Idee, Frauen eine große Bühne zu geben, scheint dabei durchaus naheliegend und sinnvoll. Nur 15 Prozent aller Menschen in Deutschland, die ihr eigenes Business starten, sind Frauen. Trotzdem haben RTL II und die Produktionsfirma 99pro media GmbH aus dieser spannenden Idee ziemlich wenig gemacht.
Nah dran an den Gründerinnen
Aber erst einmal zu den positiven Aspekten. Während bei der «Höhle der Löwen» fast nur äußerst professionelle Gründer eine Chance haben, bekommen bei «Jung, weiblich, Boss!» auch Gründerinnen eine Bühne, die noch keinen ausgereiften Plan haben. Starke Frauen, die sich um ihre Kinder kümmern und zugleich ein Business aufbauen wollen – das passt zu RTL II, das ja selbst immer auch betont, den Otto-Normalbürger in den Vordergrund zu stellen.
Die Business-Pläne der Frauen werden in der Sendung von Joop geprüft. Sie bittet die Gründerinnen in ihr Büro und gibt ihnen Tipps. Damit ist die Sendung sehr viel persönlicher als die «Höhle der Löwen», die im Vergleich dazu fast wie ein unmenschliches Haifischbecken wirkt. Die Sendung begleitet die Protagonistinnen sogar bis in den Urlaub hinein - und rückt damit nicht zuletzt auch die Gründerinnen als Menschen mit ihren Risiken, Ängsten und Chancen in den Vordergrund.
Schwache Ideen
Wenig innovativ sind dagegen die Ideen der Gründerinnen in «Jung, weiblich Boss!». In der ersten Folge wollen beispielsweise die Schwestern Cita und Lea ihren Onlineshop „Felicitydesign“ weiter voranbringen. Sie verkaufen dort unter anderem Schmuck und Mode, verdienen daran aber noch nicht genug. Das ist zwar nett, aber eben nicht wirklich neu. Andere Ideen wiederum sind einfach nur schräg. Da wäre beispielsweise die Mutter, die mit einem Kraulsalon starten will. Ein Kraulsalon? Ja, Sie lesen richtig. „Komm her, ich mach kille kille bei Dir“, singt die junge Gründerin Jette Joop vor. Gegen Geld sollen Menschen dort gestreichelt bzw. gekrault werden. Joop ist noch nicht ganz überzeugt von der Idee, rät der Gründerin aber auch nicht davon ab. Dem Zuschauer fällt es bei alledem schwer, diese Idee ernst zu nehmen.
Am verrücktesten wirkt allerdings die Idee der Gründerin Myra, die eine Girls-Performance Show starten will. Dafür sucht sie „sechs bis acht“ Mädels, die eine Performance im Strip-Stil vortanzen sollen. Sie steht mittendrin in den Planungen. „Es ist ‘ne Art Strip, Brustwarzen werden aber abgeklebt“, betont Myra. Ja, da muss man schon mal zweimal hinhören.
Zwei Gogo-Tänzerinnen zeigen daraufhin in einer Art Casting, was sie können. Wie die junge Gründerin ihr Vorhaben ohne Kapital- oder Branchenkenntnisse und Tänzerinnen auf die Beine stellen will, erscheint mehr als fraglich. Würde sie mit diesem Konzept vor einen Löwen wie Frank Thelen ziehen – er würde sie vermutlich schonungslos abblitzen lassen. Immerhin weiß sie, dass sie bis 30 Millionärin werden will. Gründerin Joop steht dem zwar kritisch gegenüber – und trotzdem bekommt Myra in Folge eins sehr viel Sendezeit eingeräumt.
Trugbilder und falsche Erwartungen
Als Zuschauer wird man so einfach nicht das Gefühl los, dass es RTL II in der Sendung sehr viel mehr um einen gewissen Trashfaktor geht und weniger um tolle Ideen an sich. Überraschender Weise trägt dazu gerade auch Jette Joop bei. Die Unternehmerin betont, dass das Gründen eines eigenen Business der Weg in die Selbstbestimmtheit sein kann. Wann man aufsteht, mit wem man ins Bett geht oder auch nicht könne man sich dann aussuchen, erklärt die Mentorin. Dass insbesondere Letzteres vermutlich nicht der entscheidende Antrieb ist (oder sein sollte), um sein eigenes Unternehmen zu gründen, liegt wohl auf der Hand.
Und so ist «Jung, weiblich, Boss!» vor allem vorzuwerfen, dass es falsche Erwartungen weckt. Selbstständig machen fürs schnelle Geld und ein vermeintlich sorgloses Leben in den USA? So leicht ist das sicher nicht. Dabei sollte doch gerade eine Business-Sendung mit einer erfolgreichen Unternehmerin mit diesen Trugbildern aufräumen - und sie nicht noch verstärken. „Der Sender schenkt mit «Jung, weiblich, Boss!» einem Format Sendezeit, das junge Unternehmerinnen schwach wirken lässt, statt sie zu stärken - und das obendrein so wenig mit der Lebensrealität von Start-up-Unternehmerinnen zu tun hat wie nur irgendwie möglich“, bringt es die Süddeutsche in ihrer TV-Kritik zur Sendung gut auf den Punkt.
Es ist gut nachvollziehbar, dass RTL II den Kollegen von VOX das Feld der Gründer- und Erfindershows nicht gänzlich überlassen will. «Jung, weiblich, Boss!» hat allerdings nicht das Potenzial dazu, der «Höhle der Löwen» ernsthaft den Rang abzulaufen. So löblich die Idee ist, jungen Gründerinnen eine breite Bühne zu geben: Die Umsetzung ist unterm Strich leider ziemlich missraten.
Vier weitere Folgen von «Jung, weiblich, Boss!» zeigt RTL II in den kommenden Wochen montags um 20.15 Uhr.
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