Die Kino-Kritiker

«Deine Juliet» - Von der Kraft des gedruckten Wortes

von

Mike Newell kombiniert in seiner geschmackvollen Romanverfilmung «Deine Juliet» Tragisches, Komisches und Amouröses.

Filmfacts: «Deine Juliet»

  • Start: 09. August 2018
  • Genre: Drama/Romanze
  • Laufzeit: 124 Min.
  • FSK: 6
  • Kamera: Zac Nicholson
  • Musik: Alexandra Harwood
  • Buch: Don Roos, Kevin Hood, Thomas Bezucha
  • Regie: Mike Newell
  • Darsteller: Lily James, Matthew Goode, Jessica Brown Findlay, Michiel Huisman, Katherine Parkinson, Glen Powell
  • OT: The Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society (UK/USA 2018)
Für die bessere Vermarktung in Deutschland entschloss man sich dazu, den ellenlangen Originaltitel des Buches in «Deine Juliet» umzubenennen. Dabei wird der Name des Guernseyer Buchclubs – „Guernseyer Freunde von Dichtung und Kartoffelschalenauflauf“ – bereits in den ersten Minuten dreimal erwähnt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der so amüsant klingende Name eine äußerst tragische Entstehungsgeschichte besitzt: Bei einer nächtlichen Überprüfung durch Nationalsozialisten fiel den ins Visier geratenen Inselbewohnern schlicht nichts Anderes ein, als sich die Existenz eines Leseclubs für ihr spätes Umherstreifen auszudenken. Die Inspiration lieferten Kartoffelschalen und Bücher. Dieser Faktor steht symptomatisch für die im Film immer wieder sehr charmant ineinander verschmelzenden Tonfälle aus Komödie und Drama. Der für so unterschiedliche Filme wie den Blockbuster «Prince of Persia» oder das Kostümdrama «Große Erwartungen» verantwortliche Regisseur Mike Newell legt dabei ein sehr feines Fingerspitzengefühl an den Tag und kombiniert in «Deine Juliet» zu gleichen Anteilen Dramatisches, Komisches und Amouröses.

London, Ende der Vierzigerjahre


Juliet Ashton (Lily James) steht noch ganz am Anfang ihrer Karriere als Schriftstellerin, doch ihr bester Freund und Verleger Sidney (Matthew Goode) sagt ihr bereits eine glorreiche Zukunft voraus. Sie ist gefragt und reist von Lesung zu Lesung, bis sie eines Tages einen Brief von der abgelegenen Kanalinsel Guernsey erhält. Darin schreibt ihr der literaturbegeisterte Farmer Dawsey Adams (Michiel Huisman), der sich auf der Suche nach einem Buch befindet. Hilfe erhofft er sich dabei von der von ihm hochgeschätzten Schriftstellerin, der diese Anfrage gerade Recht kommt. Juliet, von dem Trubel um ihre Person ohnehin überfordert, gewährt sich Auszeit und bricht zu dem ihr unbekannten Briefschreiber nach Guernsey auf. Dort angekommen, macht sie Bekanntschaft mit dem Literaturverein, dem auch Dawsey angehört. Die „Guernseyer Freunde von Dichtung und Kartoffelschalenauflauf“ schlossen sich während des Zweiten Weltkriegs zusammen, und halfen einander über die schweren Stunden deutscher Besatzung hinweg. Der Club nimmt die Fremde freudestrahlend auf und für die junge Frau steht fest: Sie hat das Thema für ihr nächstes Buch gefunden! Doch die Guernseyer sind von dieser Idee alles andere als begeistert…

«Deine Juliet» ist auf der einen Seite voller hochdramatischer Momente, etwa wenn ein Vater seiner Pflegetochter vom Tod der leiblichen Mutter erzählen muss, wir diese Szene lediglich von der Ferne aus beobachten können und uns somit selbst zusammenreimen müssen, was Vater und Tochter da gerade durchmachen. Auf der anderen Seite wiederum gibt es aber auch so Einiges zu lachen (die Frauengespräche zwischen der zurückhaltenden Juliet und der vorlauten Isola sind bisweilen zum Brüllen komisch) und dazwischen entfaltet sich zaghaft das Interesse zwischen der Autorin und ihrem Fan, dem alleinerziehenden Dawsey. All das geschieht gleichermaßen zurückhaltend als auch voller Leidenschaft. Es gibt (mit einer Ausnahme im Finale – leider!) keinerlei aufdringliche Musik (Komponistin: Alexandra Harwood, «The Escape») oder andere audiovisuelle Spielereien, die davon ablenken würden, dass das Hauptaugenmerk hier ganz deutlich auf der diversen Interaktion unter den Figuren liegt.

Die Macher setzen in «Deine Juliet» ganz allein auf ihre Faszination und flechten dafür immer auch ihre traurigen Hintergrundgeschichten ins Geschehen mit ein. Dadurch werden nicht bloß die Charaktere an sich zum Herzstück des Films, sondern mit der Zeit auch das Entdecken, wie der Zweite Weltkrieg den Zusammenhalt der Inselbewohner geprägt hat.

Berührendes Romantikdrama zur Nachkriegszeit


Die Entstehungsgeschichte der Romanvorlage beinhaltet eine tragische Fußnote: Die Autorin Mary Ann Shaffer verstarb wenige Wochen vor der Fertigstellung des Buches und überließ ihrer Nichte Annie Barrows die letzten Kapitel von «Deine Juliet». Man meint, diesen qualitativen Unterschied in der Verfilmung wiederzuerkennen, denn während Mike Newell in den eineinhalb Stunden zuvor noch leichtes Spiel hat, die bisweilen melodramatische Prämisse alles andere als kitschig aufzuziehen, wird es im Finale dann doch eine Spur zu rührselig. Einer sehr realitätsnah inszenierten Trennung zwischen Juliet und ihrem Verlobten steht da der Ausgang des obligatorischen Liebesdreiecks gegenüber: Nachdem die Beziehung zwischen Juliet und ihrem in London verbliebenen Partner Mark (Glen Powell) zunächst noch als stabil und glücklich etabliert wird, genügen dem Regisseur auf der Zielgeraden seines Films ein paar dramatische Augenaufschläge von Seiten Dawseys, um der jungen Frau den Kopf zu verdrehen.

Das ist im Anbetracht des ansonsten so positiven Eindrucks dieser lebensechten und sympathischen Geschichte einen Tick zu klischeehaft, zumal Dawsey diesen Mitleidsbonus auch gar nicht verdient hätte.

Aus dem ohnehin starken Ensemble ragt «Cinderella»- und «Baby Driver»-Star Lily James noch einmal besonders heraus. Die Schauspielerin punktet in der Hauptrolle der Juliet Ashton einmal mehr mit viel Natürlichkeit und bringt die unterschiedlichen Facetten ihrer Figur glaubhaft und gekonnt unter einen Hut. Hinzu gesellt sich der hübsche symbolische Kniff, dass die junge Frau nicht bloß zwischen zwei Männern, sondern auch geographisch hin- und hergerissen ist; und auf beiden Ebenen findet sie Halt von Freunden und Bekannten. Auch Michiel Huisman («Für immer Adaline») spielt bis zum Schluss gezielt gegen den Stereotyp des zurückhaltenden Einsiedlers an und wäre damit auch erfolgreich, wenn ihm gen Ende nicht die sich überschlagenden Ereignisse innerhalb des Skripts zum Verhängnis werden würden.

Besonders gefällt auch das Wiedersehen mit Schauspieler Matthew Goode («Stoker – Die Unschuld endet») als Juliets sie liebevoll umsorgender Agent, der ganz ohne aufdringlich zu sein stets um das Wohl seiner Klientin bemüht ist. Jessica Brown-Findley («Der wunderbare Garten der Bella Brown»), Penelope Wilton («BFG – Big Friendly Giant») und Katherine Parkinson («Radio Rock Revolution») runden das stimmige Ensemble ab, dessen erlesene Auswahl noch einmal unterstreicht, mit welch großer Sorgfalt der Roman von Mary Ann Shaffer hier verfilmt wurde.

Fazit


Mit Ausnahme des überhasteten Finals ist Mike Newell mit «Deine Juliet» die geschmackvolle Inszenierung eines gleichermaßen vielschichtigen wie emotional mitreißenden Romans gelungen, zu dessen Gelingen auch die hervorragend gecasteten Darstellerinnen und Darsteller beitragen.

«Deine Juliet» ist ab dem 9. August in den deutschen Kinos zu sehen.

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