Raus aus dem Spielfilm-Mittelmaß
Die Umstellung auf Sozialdokus ist für den Privatsender ein durchaus beachtlicher Schritt: Seit dem Verlust der Europa-League-Rechte 2015 konnten sich Spielfilm-Fans fest auf mehr oder minder bekannte Streifen am Donnerstagabend freuen. Deren Performance in den vergangenen Monaten war weitgehend mittelmäßig: An guten Tagen wurden gut fünf Prozent der Zielgruppe erreicht (etwa mit «Bodyguard» oder «Ice Age»), an schlechteren nicht einmal vier Prozent (vor zwei Wochen beispielsweise mit «Planet der Affen»).Auf der anderen Seite kann diese Sendung, die sich auf die gesellschaftliche Relevanz von Büdchen, Trinkhallen und Spätis als "zwischenmenschliches Lagerfeuer in einer Gesellschaft, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer größer zu werden scheint" fokussiert, kabel eins aber auch so etwas wie Relevanz geben. Immerhin hat keiner der acht klassischen großen Sender Deutschlands einen solch eklatanten Mangel an bekannten Fernsehgesichtern, zugkräftigen Eigenproduktionen und damit Marken zu beklagen, die man originär mit ihm in Verbindung bringt - kabel eins ist so etwas wie die Grabbelkiste für internationale Serien und Filme, die für ProSieben und Sat.1 zu unattraktiv (geworden) sind und damit fast so etwas wie ein "Spartensender light". Ob «Unser Kiosk» nun allerdings das Potenzial besitzt, das große Aushängeschild des Senders zu werden, muss nach Sichtung der ersten Folge bezweifelt werden - zu offensichtlich bedient sich das Format altbekannter Elemente, die zuletzt vor allem bei RTL II zu sehr großen Erfolgen geführt haben.
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Das wäre nun nicht weiter problematisch, wäre kabel eins mit diesem Format mehr in der Rolle des Vorreiters als in jener des Mitläufers. So aber stellt sich die Frage doch ziemlich aufdringlich, ob es noch eines «Asternweg», noch eines «Hartz und herzlich» und noch eines «Armes Deutschland» bedarf - zumal etwa dem sozialen Brennpunkt Kalkofen in Kaiserslautern ein Besuch abgestattet wird, mit dem sich vor einigen Jahren schon VOX sehr tiefgründig befasst und damit gewissermaßen den großen Sozialdoku-Hype ausgelöst hat. Das sind schon reichlich viele bekannte Elemente an reichlich vielen bekannten Handlungsorten, um die massive Gefahr negieren zu können, hier auf einen Markt vordringen zu wollen, der in diesen Zeiten keiner weiteren Konkurrenz mehr bedarf.
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Diese Impressionen sind die Elemente, die das Format wirklich sehenswert machen und ein wenig von den bereits bekannten Genre-Vertretern abheben, werden allerdings angereichert mit allerhand Füllmaterial, das sich nicht nennenswert von den Sendungen abhebt, mit denen aktuell vor allem RTL II unterwegs ist. Ob der fraglos vorhandene Hype um diese authentisch erzählten Geschichten aus der sozialen Unterschicht ausreicht, um auch «Unser Kiosk» zum Erfolg zu führen, wird sich in den kommenden Wochen zeigen müssen. Ordentlich produziert und erzählt ist die Sendung zweifelsfrei, ihren USP allerdings weiß sie nur punktuell wirklich gut in Szene zu setzen. Bei ohnehin erstmal nur vier geplanten Folgen allerdings ist das Risiko überschaubar - sollte es nicht gelingen, die Zuschauer für ein weiteres Format dieser Couleur zu begeistern, hat man sicherlich noch einige alte Spielfilme im Archiv liegen, die dann am Donnerstag wieder versendet werden.
Vorerst zeigt kabel eins allerdings noch drei weitere Ausgaben von «Unser Kiosk» am Donnerstag zur besten Sendezeit um 20:15 Uhr.
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