Filmfacts: «The Domestics»
- Start: 23. August 2018
- Genre: Thriller/Horror
- Laufzeit: 95 Min.
- FSK: 16
- Kamera: Maxime Alexandre
- Musik: Nathan Barr
- Buch & Regie: Mike P. Nelson
- Darsteller: Tyler Hoechlin, Kate Bosworth, Sonoya Mizuno, David Dastmalchian, Lance Reddick
- OT: The Domestics (USA 2018)
Aber es scheint, als hätte Lee einfach nur zwölf Jahre lang Anlauf genommen, um nun mit voller Wucht seinen raffinierten Witz, sein Auge für kunstvolle Bildkompositionen, den stets in ihm brodelnden Zorn über gesellschaftliche Ungerechtigkeiten und sein Händchen für packendes, antreibendes Storytelling in ein neues Meisterwerk kulminieren zu lassen. Spike Lee erzählt mit «BlacKkKlansman» eine ebenso wahre wie unglaubliche Geschichte, die zwar fast 40 Jahre alt ist und trotzdem erschreckend tagesaktuell ist.
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Da Ron unmöglich in Person zu den KKK-Treffen erscheinen könnte, rekrutiert er seinen freundlichen, diesen Plan dennoch stutzig betrachtenden Kollegen Flip Zimmerman – einen Juden. Sie teilen sich fortan eine Identität. Ron ist Flips Telefonstimme, Flip ist Rons Körper bei Begegnungen von Angesicht zu Angesicht …
- © Universal Pictures
Die argumentative Macht des Kinos
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Dass das Medium Film ein mächtiges, ideologisches Rekrutierungsmittel ist, zeigte schon «Die Geburt einer Nation», D. W. Griffiths über drei Stunden langes Stummfilmepos von 1915. Vor über 100 Jahren wurde der Historienfilm, nicht zuletzt aufgrund zahlreicher wegweisender technischer Kunstgriffe, zum ersten Überblockbuster der US-Filmgeschichte – und zum Saatkorn einer neuen Welle des Rassismus. Noch immer nutzt der Ku Klux Klan, der in «Die Geburt einer Nation» zweifelsfrei heroisiert wird, diesen Film als Propagandamittel. Und es ist naiv, zu denken, dass die Geschichte über den von boshaften Schwarzen terrorisierten Süden der USA im Zuge ihrer immens erfolgreichen Kinoauswertung keine Gräben in der Bevölkerung gezogen hat.
Regisseur Spike Lee stößt in «BlacKkKlansman» sein Publikum mit der Nase auf die Macht, die das Medium Film hat. So eröffnet er diese Antirassismusattacke mit einer Szene aus einem anderen cineastischen Meilenstein und Überblockbuster – «Vom Winde verweht», einem wesentlich harmloseren Film, der trotzdem den rassistischen Süden romantisiert. Später stellt er in einer Gänsehaut erregenden Parallelmontage eine KKK-Vorführung von «Die Geburt einer Nation» einem Treffen schwarzer Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler gegenüber, die gebannt einem Überlebenden rassistischer Gewaltakte lauschen. Während solche Parallelmontagen oft aufzeigen, wie gleich sich zwei vermeintlich unterschiedliche Gruppierungen sind, könnte Lee in diesem Fall kaum deutlicher die Differenzen aufzeigen:
Während sich die Klanmitglieder in ihrer Abscheu und ihrer Gewaltbereitschaft hochschaukeln, erschüttert der von Harry Belafonte gespielte Zeitzeuge seine Zuhörerschaft, die sich versammelt hat, um Leid zu teilen, die Vergangenheit zu verstehen und darüber nachzudenken, wie man sich schützen und verteidigen kann. In einem die filmische Realität brechenden Zwischenschnitt blicken Belafonte und sein Publikum mit starrem, anklagendem Blick von der Leinwand herab. Als wollten sie sagen "Komm uns nie wieder mit 'Auf beiden Seiten gibt es gute Menschen' …"
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Lee gibt seinem Publikum sogar eine Identifikationsfigur, die erst wachgerüttelt werden muss: Flip Zimmerman, von Adam Driver anfangs mit einer nachvollziehbaren Ratlosigkeit gespielt, ist Jude, unterstützt seinen Kollegen Ron ohne zu jammern … und versteht nicht, wieso er es dermaßen ernst nimmt. Aber je tiefer er den Bau des kapuzentragenden Kaninchens hinabsteigt, desto mehr ändert sich Flip: Driver zeigt im Wandel von Flips Gestus filigran, wie sich der Polizist sukzessive Fragen über seine Identität stellt und erkennt, dass er gerne die Wahl hat, ob ihm seine Religion gleichgültig ist oder nicht. Der KKK will ihm diese Wahl nehmen – und so sieht Flip, sobald es ihn direkt betrifft, endlich, was Ron in seinem Feldzug gegen die Rassisten antreibt.
Dabei spielt Lee mit offenen Karten: Er manipuliert das Publikum nicht unvorbereitet mit Sympathieträgern, denen er seine Weltsicht verleiht, sowie mit dramatischen Montagen. Lee gibt seinem Publikum das Werkzeug an die Hand, zu erkennen, was aufwühlende, beeinflussende Stilmittel sind. Er will sein Publikum nicht blenden, sondern warnen und nachhaltig überzeugen: Er gesteht ein, Mittel der Agitprop zu verwenden, füllt seine Erzählung aber mit ehrlicher Emotion und einer vernünftigen Argumentation. Er hätte auch einfach ein verdrehtes «Die Geburt einer Nation» abliefern und schlicht gegen Rassisten wettern können. Das wäre ihm nicht zu verübeln – aber das will er sich wohl trotzdem nicht vorwerfen lassen.
Es beginnt so lustig …
All das direkt auf's Publikum einprasseln zu lassen, wäre zweifelsohne überwältigend – und das nicht gerade im positiven Wortsinne. Doch «BlacKkKlansman» geht erst einmal leicht verdaulich los, als skurrile, satirisch angehauchte Historien-Dramödie. Mit Galgenhumor-Lächeln und bemüht-besonnenem Blick versehen, lässt John David Washington als Ron Stallworth den Alltagsrassismus der späten 1970er über sich ergehen, um mit all dieser Ruhe und Gelassenheit seinen Vorgesetzten zu beweisen, dass er das Rückgrat eines idealen Polizisten hat.
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Aber die anfangs eingestreuten Suspensemomente, in denen Lee die Bildsprache seines Films verschärft und Flip und/oder Ron der Enttarnung nur knapp entkommen, nehmen zu. Und ähnlich, wie sein Kollege Flip erkennen muss, wie viel an diesem Fall hängt, muss auch Ron neue Erkenntnisse hinnehmen: Sich mit dem Ku Klux Klan anzulegen, bedeutet nicht, eine Gruppe degenerierter Rassisten in die Ecke zu treiben. Neben Dorftrotteln hat der Klan auch ausgefuchste Waffennarren in seiner Mitgliedschaft. Und auch Leute wie David Duke, einen von Topher Grace mit Biss gespielten, zutiefst hasserfüllten Rassisten im Gewand eines gemäßigten, konservativen Politikers, der sein ruhiges Auftreten nutzt, um seine Botschaften der Intoleranz massentauglich zu verpacken. Diese explosive Kombination innerhalb des Klans macht ihn zu einem wesentlich hartnäckigeren, gefährlicheren Gegner, als ihn sich selbst Ron anfangs hat vorstellen können.
Die Unterstützung, die Ron im Kampf gegen den Klan bräuchte, erhält er allerdings nicht: Der hehre, viele institutionalisierte Ungerechtigkeiten über sich ergehen lassende Polizist muss im Laufe von «BlacKkKlansman» hinnehmen, dass sein Vertrauen ins System immer und immer wieder enttäuscht wird und das sein Flirt, die Aktivistin Patrice Dumas (gewitzt und keck gespielt von Laura Harrier), vielleicht gar keine Pessimistin, sondern leider eine Realistin ist. So nimmt Lee nach und nach den Witz aus «BlacKkKlansman» raus, Komponist Terence Blanchard stimmt immer dunklere Klänge an und letztlich befinden wir uns in einem packenden Cop-Thriller, in dem sämtliche Karten gegen unsere Helden gezinkt sind.
Intensiviert wird dies durch zahlreiche Parallelen aufs Heute: So fallen bei einer KKK-Versammlung Slogans, wie sie heute ein gewisser Dummbeutel aus dem Weißen Haus hinaus brüllt. Was Lee macht, mag nicht subtil sein, aber es hat die berechtigte Wut eines Aktivisten und ist in seiner Beobachtungsgabe und Konsequenz sehr wohl kunstvoll – und das Ende des Films gleicht einem Tritt geradewegs in die Magengrube.
Fazit
Gewitzt, wütend, spannend und hochdramatisch: «BlacKkKlansman» lässt Spike Lee wieder zu Hochform auflaufen.
«BlacKkKlansman» ist ab dem 23. August 2018 in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
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