Interview

'Die Cutterin begleitet die Synchronisation vom ersten bis zum letzten Schritt'

von   |  3 Kommentare

Wieso werden kaum noch mehrere Sprecher gleichzeitig hinter's Mikro gelassen? Synchroncutterin Daniela Gottwalt verrät es uns im Interview.

Selbst Leute, die sich überhaupt nicht mit dem Thema Synchronisation beschäftigen, können sich zumindest grob vorstellen, was Synchronschauspielerinnen und Synchronschauspieler beruflich machen. Und auch, was eine Übersetzertätigkeit bedeutet, sollte selbsterklärend sein. Doch ein Beruf, bei dem selbst Medieninteressierte überfragt sind, ist der des Synchroncutters. Oder besser: Der Synchroncutterin, denn dieser Job war jahrzehntelang eine absolute Frauendomäne und ist auch heute zu großem Teil mit Frauen besetzt. Eine von ihnen ist Daniela Gottwalt. Seit 24 Jahren ist sie Synchroncutterin. Und die Frage, was eigentlich in ihren Aufgabenbereich fällt, beantwortet die sonst durch und durch bescheidene Cutterin mit einem schmunzelnd formulierten Anflug des Selbstbewusstseins: "Ich habe das Gefühl, die Leute denken, der Schnitt ist beim Synchronisieren das Unwichtigste. Dabei begleiten wir das ganze Projekt vom ersten bis zum letzten Schritt.“

Um den Aufgabenbereich einer Cutterin anzureißen: Sie hört die vom Verleih gelieferten Tonspuren ab und prüft das IT-Band, also jene Tonspuren, auf denen unter anderem Geräusche, Effekte und die Musik enthalten sind, zu denen dann später die deutschen Dialoge gemischt werden. Zudem teilt sie den Film in Aufnahmeeinheiten, sogenannte Takes ein und gibt damit den Arbeitsrhythmus im Tonstudio vor: Wann beginnt ein Take, wie lang ist er? Sie achtet auch auf Elemente, die im Synchronbuch nicht vermerkt sind, wie Atmer oder die Frage, ob eine Rolle im Off spricht oder im Bild (also im On) ist, wenn sie redet. Während der Aufnahmen achtet sie auf die Lippensynchronität, damit die Synchronregie sich stärker auf das Schauspielerische konzentrieren kann. Und sie muss natürlich die deutschen Dialogaufnahmen schneiden. Auch in der Mischung wird von der Cutterin noch einmal gezielt auf die Synchronität geachtet und wenn nötig noch korrigiert.

Zumindest sind all dies mögliche Aufgaben einer Synchroncutterin. Dass eine einzelne Cutterin einen kompletten Film mit all seinen Stationen begleitet, ist nämlich aufgrund des großen Zeitdrucks sowie des gestiegenen Outputs der Produktionsfirmen zur Seltenheit geworden: "Nur wenn du ganz viel Glück hast, nimmst du einen Film im Atelier auf, schneidest ihn und begleitest abschließend die Mischung", so Gottwalt. "Mittlerweile wird sehr oft gestaffelt gearbeitet."

Obwohl die Arbeit als Synchroncutterin bei diesem engen Zeitplan und den vielen zu erledigenden Aufgaben aufwendiger und stressiger geworden ist, würde zumindest Gottwalt ihn gegen keinen anderen Job dieser Welt eintauschen: "Ich liebe es, wie abwechslungsreich der Beruf ist. Die Arbeit im Atelier, das Mischen, das Schneiden der Sprache … Diese ständig wechselnden Aufgabenfelder machen diesen Beruf ungeheuerlich attraktiv", befindet sie.

„Was Schöneres gibt es doch gar nicht, als solch einen abwechslungsreichen Beruf zu haben – und in ihm mit Menschen zusammenzuarbeiten, die deine Arbeit anerkennen." Dafür hat die Arbeit im Synchronschnitt auch einen deutlichen Nachteil, wie Gottwalt verrät: "Wir sind so stark auf Lippensynchronität geeicht, dass ich das in meiner Freizeit kaum abstellen kann. Sofern der Film oder die Serie nicht so fesselnd ist, dass es mich aus den Schuhen haut, klebe ich dauernd an den Lippen und achte auf die Synchronität.“

Sauber, aber lebendig


Durch den Sprechrhythmus und das Spiel der Synchronschauspieler lässt sich so mancher Text 'drauf schummeln'.
Synchroncutterin Daniela Gottwalt
Was Gottwalt im Laufe ihrer Karriere festgestellt hat: "Wenn eine Stelle im Original so wirkt, als sei es nicht möglich, den vorgegebenen deutschen Text synchron aufzunehmen, ist es immer wieder überraschend, wie gut dieser am Ende doch auf die Lippenbewegung passt ", meint die begeisterte Krimiguckerin, die mit Horrorfilmen dagegen wenig anfangen kann. Sie führt fort: "Durch den Sprechrhythmus und das Spiel der Synchronschauspieler lässt sich so mancher Text 'drauf schummeln', der so scheint, als würde er niemals auf das Originalbild passen."

Im Atelier kommt einer Cutterin nicht nur die Aufgabe zu, die Regie zu unterstützen, indem sie auf die Lippensynchronität achtet. "Im Atelier musst du mit der Regie und dem Tonmeister ein gutes und eingespieltes Team sein. Und natürlich musst du auch als Cutterin mit den Schauspielern vor dem Mikro interagieren", fasst Gottwalt zusammen." Über den Tonfall im Atelier sagt Gottwalt: "Wenn du den ganzen Tag auf engstem Raum mit anderen Menschen zusammen arbeitest, bringt es nichts, die Ellenbogen auszufahren." Gottwalt führt fort: "Dennoch ist es natürlich so, dass du dich auf jeden einzelnen Synchronschauspieler einstellen musst."

Der Reihe nach synchronisieren


Für die Tätigkeit der Cutterin im Synchronstudio ist es definitiv von Vorteil, sich nur auf einen Schauspieler und die Synchronisation einer Rolle zu konzentrieren.
Synchroncutterin Daniela Gottwalt
Manchmal muss bei der Synchronisation aber einfach gegen die Vorlieben der Sprecherinnen und Sprecher entschieden werden. Etwa, wenn es darum geht, wie viele Sprecherinnen und Sprecher gleichzeitig in einem Sprachatelier stehen sollten. "Lange Zeit war es üblich , dass zwei oder mehr Schauspieler gemeinsam vor dem Mikro standen, wenn ihre Rollen im Dialog waren." Davon ist man im Synchrongewerbe allerdings nach und nach abgewichen. "Anfänglich wurde es hauptsächlich bei Kinofilmen so gehandhabt, mittlerweile aber auch bei Serien. So hat jede Rolle ihre eigene Spur, zumindest die Hauptrollen, was für den Ton aber auch die Bearbeitung beim Schnitt von Vorteil ist", erklärt Gottwalt, die diesen Wechsel befürwortet.

"Für die Tätigkeit der Cutterin im Synchronstudio ist es definitiv von Vorteil, sich nur auf einen Schauspieler und die Synchronisation einer Rolle zu konzentrieren", befindet die Cutterin. Denn: "Filme und Serien werden zunehmend anspruchsvoller – vielleicht nicht zwingend inhaltlich, sehr wohl aber für uns von der Synchronisation."

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Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
Sentinel2003
23.08.2018 19:37 Uhr 1
Danke für das Interview! :wink: 8)
Anonymous
23.08.2018 22:48 Uhr 2
Ich habe gehofft, dass du über den Artikel stolperst.
Sentinel2003
24.08.2018 10:32 Uhr 3
Du scheinst gute Beziehungen zur Synchronbranche zu haben....
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