Wann wurde wo, was und wer gefilmt?
- 6 Wochen lang an der Gemeinschaftsschule Albert Schweitzer in Aschersleben
- in jeweils 2 Klassen der 5. und 9. Jahrgangsstufe
- Schulleitung, Lehrer und über 470 Schüler mitsamt ihrer Eltern gaben ihr Einverständnis (etwa zehn Schüler taten dies nicht, diese sind nicht in der Sendung zu sehen)
- Katrin Jelitte (Schulleiterin) zur Reaktion auf die Drehanfrage: "Wir haben diese Idee dann im Team mit den Eltern, Schülern und Lehrern besprochen. Da gab es erstmal die unterschiedlichsten Reaktionen. Manche waren verhalten, manche sehr aufgeschlossen, und da haben wir einfach gesagt: 'Wir hören uns jetzt mal an, unter welchem Aspekt diese Dreharbeiten überhaupt stattfinden sollen.' Als klar wurde, dass bei diesem Projekt Schule so dargestellt werden soll, wie sie wirklich ist, haben wir zugestimmt."
Das Konzept der aus Großbritannien stammenden und dort bereits sechs Staffeln umfassenden («Educating...») Sendung ist im Grunde simpel: Mit 30 festinstallierten Kameras und mehreren Kamerateams wird der Alltag an einer Gemeinschaftsschule im sachsen-anhaltinischen Aschersleben begleitet, wobei man als eines der wenigen Projekte dieser Couleur (VOX selbst spricht sogar von erstmals) den gesamten Schulalltag bis hin zum Geschehen im Lehrerzimmer und Sekretariat über einen längeren Zeitraum hinweg filmen durfte. Das mehrere tausend Stunden umfassende Drehmaterial wurde dann von Produzent Imago TV für die TV-Ausstrahlung auf sechs (Brutto-)Einstünder gekürzt, die jeweils zur besten Sendezeit um 20:15 Uhr laufen sollen.
Hoher Aufwand für eine möglich realitätsnahe Abbildung der Wirklichkeit
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Welcher Tatsache man sich beim Konsum des Formats, das tendenziell eben eher von einem löblichen Fallbeispiel in der deutschen Bildungspluralität erzählt, aber doch bewusst sein sollte: Die Auswahl der Schule, der partizipierenden Lehrkräfte, der fokussierten Klassen, der gefilmten Kinder und Jugendlichen sowie der von allen getätigten Aussagen kann schon dazu beigetragen haben, dass positive Aspekte überbetont und Schattenseiten im Verborgenen blieben. Dieser Problematik muss sich ein jedes Format stellen, das Realität abbilden möchte und auf die Bereitschaft der Abgebildeten angewiesen ist, dabei mitzuwirken. Der springende Punkt aber ist: Eine bewusste Manipulation der Realität findet zumindest im dem Zuschauer ersichtlichen Rahmen nicht statt.
Das gefilmte Material umfasst im Wesentlichen drei Dinge:
- Szenen aus dem Unterricht, dem Pausenhof oder dem Sekretariat, bei denen zumeist schlichtweg Momentaufnahmen aus dem Alltag gezeigt und meist mehrere Akteure oder ganze Gruppen (vornehmlich Klassen) gefilmt werden.
- Reflektierende Gespräche im Anschluss an die reine Gruppen-Beobachtung, in denen zumeist Lehrkräfte oder Schüler die jeweilige Situation kommentieren und einordnen.
- Eine Mixtur aus den beiden ersten Punkten, da sich die Macher auf einige wenige Protagonisten fokussieren. Hier deutet ein Blick auf die kommenden Wochen schon an, dass die Leiterin der Schule durchgehend begleitet wird, während vor allem auf Schülerseite jede Folge andere Personen näher beleuchtet werden.
- © VOX
Der Klassenraum.
Fokus auf wenige Personen sorgt für Differenzierung und Intimität
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Es gab Schüler, die am Anfang sehr verhalten waren. Die haben erstmal überlegt: Was passiert jetzt hier? Aber das ging sehr schnell weg. Und viele fanden es auch total interessant, zu beobachten, wie die ganze TV-Technik auf- und abgebaut wurde und wie die Interviews geführt wurden. Im Team gab es natürlich bei manchen auch die Befürchtung: 'Was ist, wenn ich jetzt in der falschen Situation erwischt werde, ich bin ja auch nur ein Mensch, was denken die Leute dann von mir?' Anfangs kamen auch noch Fragen unter Kollegen wie 'Bist du gerade verkabelt, hört das gerade jemand?' Am Ende war das jedem egal. Und die Zusammenarbeit mit dem Drehteam und wie man miteinander umgegangen ist, hat einfach Spaß gemacht. Wir haben allerdings Kollegen, die gesagt haben, sie möchten bei dem Projekt nicht dabei sein, das waren wenige, aber auch das muss man akzeptieren.
”
Katrin Jelitte, Schulleiterin der teilnehmenden Gemeinschaftsschule, zu ihrer Sicht auf die Dreharbeiten.
Es wäre ein Leichtes gewesen, vor allem Lisa als Prototypen einer verzogenen pöbelnden Asozialen zu stilisieren - und hätte man an einer anderen Schule und für eine andere Sendung gedreht, wäre genau dies wahrscheinlich auch geschehen. Stattdessen arbeitet man die Ambivalenz in Lisas Auftreten heraus und zeigt auch, wie stark sie ihren Problemen in der Familie begegnet, wie sie trotz ihrer verbalen Ausfälle und temporären Null-Bock-Einstellung die Klasse dennoch vorantreibt und sogar gar nicht mal so schlechte Schulleistungen zeigt. Diese Abkehr davon, in einer Schülerin bloß den platten Stereotypen zu erkennen, ist ein wichtiges Qualitätskriterium für die pädagogisch-didaktische Arbeit - und auch durchaus eines für gute, intelligente Fernsehunterhaltung. Es ist dem Format hoch anzurechnen, dass es dies auch tatsächlich zu leisten bereit ist.
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Fazit: VOX festigt seinen guten Ruf abermals
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Ansonsten aber dürfen sich die Zuschauer auf eine weitere sehenswerte und facettenreiche Dokumentation des Senders freuen, welche die Schule als einen Lebensort betont, an dem man sich als Heranwachsender wohlfühlt und seine eigene Persönlichkeit entwickeln kann. Dass es nicht immer so läuft und der Schulalltag auch viele Konflikte bereithält, deutet das Format (vielleicht an der einen oder anderen Stelle zu sanft) durchaus an, zielt aber eher auf das "Ja!" als auf das "Aber!" ab. Für einen Mikrokosmos, der sonst meist eher negative Schlagzeilen generiert und auch im Fernsehen eher selten positiv belegt ist, tut das mal ganz gut - und wird die Rolle des Senders als werbefinanzierter Akteur mit sehr sehenswerten, unaufgeregten faktualen Inhalten weiter stärken.
VOX zeigt insgesamt sechs Folgen von «Unsere Schule» immer montags um 20:15 Uhr. Im Anschluss daran läuft mit «Eine Nacht mit dem Ex» ein weiterer Neustart, der bei uns ebenfalls besprochen wird.
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