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Informationskrieg zwischen Medienverdrossenen und der Presse
Überhaupt stellt das soziale Netzwerken auf Twitter und vor allem auf Facebook die Bevölkerung auf verschiedene Seiten eines längst tobenden Informationskriegs. Im Rahmen dessen verhärteten sich zwei Fronten: In der einen Ecke die Medienverdrossenen, in der anderen die Presse. Erstere wollen letzteren nicht mehr vertrauen und stellen einen ganzen Berufsstand in Frage. Verschwörungstheorien über vermeintliche Verflechtungen zwischen Presse und Wirtschaft oder Presse und Staat tun ihr Übriges, damit viele Bürger sich von klassischen Medien, von Tageszeitungen oder Zeitschriften, aber auch von etablierten Rundfunkstationen und den vielen Online-Präsenzen von Verlägen oder Medienkonzernen abwenden.
Am meisten Sorgen bereitet diese Entwicklung in Ost-Deutschland, wo sie landläufig mit der steigenden Popularität rechten Denkens in Verbindung gebracht wird, insbesondere im Zuge des Aufstiegs der AfD, die im Osten Deutschlands derzeit den größten Zuspruch erhält. Ein Vorfall in Dresden Ende August offenbart, welches Ausmaß die Ablehnung klassischer Medien mittlerweile angenommen hat. Dort ging ein Demonstrant auf einer Pegida-Kundgebung das ZDF-Team von «Frontal 21» an, das dort einen Beitrag drehen wollte. Das Drehteam wurde knapp eine Stunde polizeilich festgehalten. Der Mann entpuppte sich später als Angestellter des LKA.
Gerüchte finden mehr Gehör als Fakten
Wie Trauer zu Hass wird, zeigte wenige Tage später der Tod eines 35-jährigen Chemnitzers, mutmaßlich durch Migranten. In Windeseile verbreiteten sich Gerüchte und Falschmeldungen. Nicht einmal fünf Stunden nach der Tat meldet ein Online-Portal, dass die Belästigung einer Frau durch Migranten den Messerangriff ausgelöst haben soll. Obwohl die Polizei diesen Tathergang dementiert, wird das Gerücht weiterverbreitet. Die AfD-Franktionsvorsitzende Alice Weidel twittert wenig später über angeblich 25 Messerstiche, durch die das Opfer Daniel H. gestorben sein soll. In Wirklichkeit waren es fünf.
Es ist das gleiche Muster an Desinformation, Verbreitung und Aufstachelung, das sich rechte Medien und sogar rechte Politiker immer wieder zu Nutze machen, wenn Verbrechen von Migranten politisch opportun scheinen. Das große Problem ist nicht nur, dass sich Gerüchte schneller verbreiten als deren Aufklärung, sondern dass viele Bürger den Medien oder Einrichtungen, die Falschinformationen aufklären, kein Gehör mehr schenken. Der Trauermarsch für Daniel H., den viele Beobachter weniger mit Trauer in Verbindung brachten und mehr mit der Mobilisierung Rechtsdenkender, führte zu zahlreichen Verletzten. Journalisten schlug zuweilen der blanke Hass entgegen. Für sie war inmitten der medienverdrossenen Masse kein Platz.
Das Misstrauen gegenüber etablierten Medien ist kein ausschließlich ostdeutsches Problem, aber es ist augenscheinlich, dass die Ablehnung dort das größte Ausmaß erreicht, wo rechte Hetze, auch gegen eben jene Medien, am meisten Gehör findet. Das ist nicht allein die Leistung derer, die die Gedanken der Bevölkerung vergiften wollen, sondern Ausdruck der modernen Informationsgesellschaft, die den klassischen Medien auch ganz ohne das Vorhandensein von ideologisch motivierten Fake News zu schaffen macht.
Ost-Zeitungen verloren mit am meisten Leser
Statistiken zum Nachschlagen:
Gleichzeitig zeigt die von ARD und ZDF in Auftrag gegebene „Langzeitstudie Massenkommunikation“ aber, dass die Zeitbudgets von Mediennutzung in Deutschland konstant blieben und bei knapp neuneinhalb Stunden täglich liegen. Die Zeitungsnutzung der Deutschen, der auch zuvor schon vergleichsweise wenig Zeit geschenkt wurde, reduzierte sich über die jüngere Vergangenheit, Radio- und Fernsehnutzung blieben weitestgehend konstant. Einen großen Gewinner gab es dennoch: Das Internet, über das sich heutzutage auch immer mehr Menschen informieren. Um zu erklären, warum Zeitungen immer seltener ihre Zielgruppe erreichen, wird im Kontext des Nachrichtenkonsums über das Internet gerne das Wort „Filterblase“ bemüht. Gerade Personen, die klassische Medien immer mehr ablehnen, informieren sich vermehrt über Soziale Netzwerke wie Facebook. Der Vorteil für diese Nutzer und gleichzeitig das Risiko, immer mehr Fake News ausgesetzt zu sein, besteht darin, dass in der Timeline der Nutzer nur solche Nachrichten ausgespielt werden, die von Seiten stammen, denen sich der Nutzer verbunden fühlt oder auf die der virtuelle Freundeskreis reagiert hat.
Abschottung auf Facebook: Die Welt, wie sie mir gefällt
Die Folge: Die Nutzer sehen nur noch das, was sie sehen wollen. Läuft doch einmal eine Nachricht ein, die den eigenen Einstellungen zuwiderläuft, kann der Nutzer mit einem Mausklick dafür sorgen, dass Beiträge dieser Seite künftig nicht mehr im Feed erscheinen. So basteln sich Facebook-Nutzer ihre Welt, wie sie ihnen gefällt. Gleichzeitig haben sie die Möglichkeit, sich in Gruppen zu engagieren, deren Mitglieder Hobbys, Interessen oder eben (politische) Gesinnungen teilen. In diesem geschützten Umfeld besteht die Gefahr, dass sich Beiträge, aber eben auch die Mitglieder in der Folge radikalisieren. Potenziell schlägt den Nutzern in den Sozialen Medien eine derartige Flut an (teilweise schlecht recherchierten bis falschen) Informationen entgegen, dass sie für die Nachrichten klassischer Medien gar keine Kapazität und erst recht keinen Bedarf mehr haben.
Der Nachteil für klassische Medien im Informationskrieg liegt darin, dass Medienverdrossene trotzdem Einfluss auf deren Beiträge nehmen und diese in Kommentarspalten diskreditieren können, um weitere Nutzer auf ihre Seite zu ziehen, die die Presse dann womöglich ebenfalls hinterfragen oder in der Folge ablehnen. Die Veröffentlichungen klassischer Medien prallen dagegen an den hochindividuellen Filterblasen der Nutzer ab.
Im Umkehrschluss zeichnet dieser Zustand der gegenwärtigen Informationskultur ein düsteres Bild für klassische Medien: Kritische Beiträge, etwa zum fragwürdig motivierten Chemnitzer Trauermarsch, erreichen nicht mehr die Menschen, deren Augen dadurch womöglich geöffnet werden sollen, sondern nur noch Personen, bei denen derartige Berichte oder Reportagen ohnehin offene Türen einrennen. Die Anzahl letzterer verringert sich aber angesichts der Entwicklung, dass sich immer mehr Menschen in den Sozialen Netzwerken einigeln.
Hält dieses Phänomen an, könnte es langfristig zum Versagen des publizistischen Systems kommen, dessen gesellschaftliche Funktion darin besteht, der Gesellschaft eine Selbstbeobachtung ihrer Teile bereitzustellen. Diese wird schon jetzt von der Bevölkerung immer seltener wahrgenommen. Nur neue, subtilere Wege im Umgang mit den Sozialen Netzwerken, die Filterblasen durchdringen können, wirken derzeit wie ein probates Mittel für das Pressewesen. Doch es ist kaum vorstellbar, dass sich das professionelle Institutionensystem auf einen derartigen Guerilla-Informationskrieg oder auf eine zunehmend populistische Berichterstattung einlässt.
Es gibt 5 Kommentare zum Artikel
09.09.2018 08:15 Uhr 1
09.09.2018 11:41 Uhr 2
Vielen Mitossis muss anscheinend die eigene Meinung aus dem TV entgegenschallen und der Arsch bis aufs eigene Sofa nachgetragen werden. Demokratie hat zu mir zu kommen und nicht ich zu ihr oder so. Alles andere ist ungemütlich und doof.
10.09.2018 08:03 Uhr 3
Und wenn man sieht, dass der Tod eines Menschen eine kleine Randmeldung ist während man mit den daraus resultierenden Demos tage- bzw. fast wochenlang eine Sondersendung nach der nächsten füllt, dann kann man nur noch mit dem Kopf schütteln.
Abgesehen davon ist es für mich ein Trugschluß, dass sich die Leute, die klassische Medien kaum oder gar nicht mehr nutzen, nur durch Twitter und Facebook informieren! Es gibt auch andere Möglichkeiten im www. Ich lese auch schon einige Jahre keine Tageszeitung mehr, nutze aber grundsätzlich überhaupt keine sozialen Netzwerke - schon gar nicht als Informationsquelle.
10.09.2018 08:24 Uhr 4
10.09.2018 21:50 Uhr 5
Ist aber schon OK, jeder der die Medien kritisiert ist ein Rechter. Genau so wie jeder, der die Asyl-Politik kritisierte. :lol: