Die Kritiker

«Gefangen - Der Fall K.»

von

Ein Mann wird sieben Jahre lang grundlos in der Psychiatrie eingesperrt, weil er einen riesigen Schwarzgeldskandal aufgedeckt hat: Der ZDF-Film mit Jan Josef Liefers arbeitet den Fall Gustl Mollath auf.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Jan Josef Liefers als Sebastian "Wastl" Kronach
Julia Koschitz als Elke Kronach
Thomas Huber als Stefan Menges
Marcus Grüsser als Dr. Harald Stern
Thomas Limpinsel als Dr. Max Lindner
Stephan Schad als Prof. Dr. Thorsten Rott
Francis Fulton-Smith als Franz Streibl

Hinter der Kamera:
Produktion: Arte und Zeitsprung Pictures GmbH
Drehbuch: Kit Hopkins und Hans Steinbichler
Regie: Hans Steinbichler
Wastl Kronach (Jan Josef Liefers) ist ein aufrichtiger Mann. Er führt eine Ein-Mann-OIdtimer-Restauratur, seine Frau Elke (Julia Koschitz) arbeitet bei einer Bank. Im Rahmen ihrer dortigen Funktion fährt sie oft in die Schweiz. Als Wastl sie einmal auf eine der Tagungen zum Steuerrecht in die Eidgenossenschaft begleitet, ist er schockiert: Fröhlich hat seine Frau Umgang mit Waffenhändlern, die dort besprochenen Themen sind blumige Euphemismen für die härteste Gangart der Steuerhinterziehung. In den folgenden Wochen und Monaten, als die eheliche Harmonie trotz punktueller Konflikte noch besteht, wächst sein Unbehagen – und er fängt an, die zahlreichen Faxe zu sammeln, die in seiner Werkstatt eingehen und die die Schwarzgeldgeschäfte seiner Frau und ihres Bankhauses dokumentieren.

Als Elke ihren Vorgesetzten von dem zunehmenden Engagement ihres Mannes erzählt, den sie nun als Paranoiker darzustellen beginnt, klingeln dort natürlich alle Alarmglocken. Ein Psychiater, für den Elke regelmäßig Schwarzgeld in die Schweiz fährt, stellt schließlich einen Befund aus, der Elkes Mann aufgrund einer schweren Wahnsymptomatik eine Gefahr für sich und die Allgemeinheit attestiert, nachdem sie ihm heimische Handgreiflichkeiten geschildert hat. Unterdessen setzt Wastl Elkes Bankhaus von seinen Recherchen in Kenntnis.



Nachdem Elke ihren Mann schließlich verlassen hat, kommt es zum Prozess – gegen Wastl. Die mit der Sache befassten Richter haben für Wastls Anschuldigungen gegen seine Frau und ihren Arbeitgeber nur das frappierendste Desinteresse übrig, weigern sich, seine Eingaben überhaupt zu lesen, und verfrachten ihn schließlich in obrigkeitsstaatlichstem Kasernenhofton in die forensische Psychiatrie – der Auftakt zu einer kafkaesken Odyssee, in deren Verlauf Wastl K. sieben Jahre lang gegen seinen Willen in der Geschlossenen untergebracht wird und seine gesamte bürgerliche Existenz verliert.

Dieser Gang der Ereignisse und der mit ihm verbundene Figurenkomplex sind natürlich nur eine kaum verklausulierte Chiffre auf den Fall Gustl Mollath. Bis auf die Namen der Protagonisten und kaum erwähnenswerte Nebenaspekte stützt sich dieser Film bis in die allermeisten Details auf die haargenauen Geschehnisse des Vorbilds – und zeichnet unter wohlgesetzter Auslassung der nicht abschließend bekannten Detailaspekte das erschreckendste Bild der deutschen Justiz in der jüngeren Filmgeschichte.

Empathisch, aber nicht verklärend, und nah am Helden wider Willen Wastl Kronach erzählt «Gefangen» von einem großen Unrecht, von verworrenen und in ihrer Geistlosigkeit menschenfeindlich gewordenen institutionellen Strukturen und ihrer korrupten Besetzung – ein Konvolut, das einen Menschen jahrelang seiner Freiheit beraubt, ihn sein Eigentum wie seine wirtschaftliche Sicherheit verlieren lässt.

Mit Jan Josef Liefers und Julia Koschitz ideal besetzt, gelingt diesem Film eine gute Balance aus naher, aber neutraler Beobachtung und klarer, unmissverständlicher Haltung – auch wenn man manchmal die letzte Konsequenz vermisst, die die klügsten Lesarten des Falls Mollath in den Raum stellten: der Mollath’sche Justizirrtum als ein Ausfluss des „bayerischen Systems“ aus institutioneller Megalomanie und moralistischem Vernichtungswahn gegen seine Feinde, wie es der Publizist Georg Seesslen schon vor Jahren in der „taz“ mit einer messerscharfen Beobachtungsgabe und pointierten Worten beschrieb. Dieser Film ist emotionale Aufarbeitung, eindringliches, geistvolles Pamphlet und mahnende Warnung zugleich. Er verdient ein großes Publikum. Besonders in Bayern.

Das ZDF zeigt «Gefangen – Der Fall K.» am Montag, den 10. September um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/103653
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