Die Kino-Kritiker

«Mile 22»: Verschwurbelte, krachende Amerika-Kritik

von   |  2 Kommentare

Mark Wahlberg spielt ein miesepetriges Genie in einem übel gelaunten US-Killerkommando. Was Peter Berg damit (womöglich) bezweckt, und ob das Ganze spannend ist, verraten wir in unserer Kritik.

Filmfacts: «Mile 22»

  • Regie: Peter Berg
  • Produktion: Peter Berg, Mark Wahlberg, Stephen Levinson
  • Drehbuch: Lea Carpenter
  • Story: Graham Roland, Lea Carpenter
  • Darsteller: Mark Wahlberg, John Malkovich, Lauren Cohan, Iko Uwais, Ronda Rousey
  • Musik: Jeff Russo
  • Kamera: Jacques Jouffret
  • Schnitt: Colby Parker Jr., Melissa Lawson Cheung
  • Laufzeit: 94 Minuten
  • FSK: ab 16 Jahren
Zwischen Regisseur Peter Berg und Schauspieler Mark Wahlberg hat sich eine fruchtbare Arbeitsbeziehung entwickelt: Das Duo bringt nach «Lone Survivor», «Deepwater Horizon» und «Boston» seinen mittlerweile vierten gemeinsamen Film in die Kinos. Es ist eine Kooperation, die offensichtlich primär darauf basiert, dass sich die Beiden gut verstehen – denn an den Kinokassen hat allein «Lone Survivor» Gewinn gemacht. Basierend auf den ernüchternden US-Zahlen wird auch «Mile 22» kein großer wirtschaftlicher Kracher. Dabei unterscheidet sich dieser Action-Thriller in einem wichtigen Punkt von den bisherigen Zusammenarbeiten von Berg und Wahlberg, denn nach den drei Verfilmungen realer Ereignisse folgt nun eine rein fiktionale Produktion. Die "Zu früh!"-Klage, die Berg und Wahlberg von Filmfreunden zu hören bekamen, die mehr Abstand zwischen Tragödie und Kinofilm haben wollen, konnte nun also nicht greifen.

Zu gewissem Grade setzt «Mile 22» das Quartett allerdings konsequent fort. Denn nach dem weitestgehend überraschend nüchternen «Deepwater Horizon», der bloß im finalen Akt in stupide Heldenverehrung abrutscht, und dem erstaunlicherweise von patriotischem Pathos befreiten «Boston» ist «Mile 22» eine dreckige, amerikakritische Angelegenheit. Selbst wenn das verschwurbelte Drehbuch von Schriftstellerin Lea Carpenter diese Haltung zuweilen kaschiert. Das Ergebnis ist ein Film, der teilweise wie Peter Bergs Abrechnung mit hurrapatriotischen Actionern (und somit auch mit seinem «Lone Survivor») anmutet und teils wie ein passabler Eintrag ins Action-Subgenre "Das läuft sonntags bei ProSieben nach dem Mega Blockbuster und lässt sich nebenher ganz angenehm gucken".

Im Mittelpunkt des Films steht James Silva (Mark Wahlberg), seines Zeichens Teil einer US-Sondereinheit namens Overwatch. Diese ist quasi das dreckige, weniger stuntaffine Pendant zur IMF aus den «Mission: Impossible»-Filmen. Wenn Diplomatie und Spionage scheitern, kommt dieses kompromisslose Einsatzkommando zum Zuge – dessen Existenz von der Regierung geleugnet wird, sollte etwas schief laufen. Silva ist hochbegabt, Waffennarr und hat das zwischenmenschliche Feingefühl eines Sauertopfes, der von Benedict Cumberbatchs Sherlock großgezogen wurde.

Er und sein Team, zu dem auch die dauerfluchende Alice Kerr («The Walking Dead»-Mimin Lauren Cohan) und die kämpferische Sam Snow (Ronda Rousey, «The Expendables 3») gehören, bekommen von 'Mother' (John Malkovich) einen haarigen Auftrag: Sie sollen in einer südostasiatischen Metropole einen Überläufer («The Raid»-Star Iko Uwais) von der US-Botschaft zum Flugplatz transportieren. Auf der 22 Meilen langen Strecke warten allerdings jede Menge Killerkommandos, die nur darauf warten, den Überläufer und/oder die Overwatch-Agenten auszuschalten.

Dies inszeniert Peter Berg mit rauer Härte, knallig platzierten Gewaltspitzen und in einem gräulich-semi-realistischen Look. Jacques Jouffrets Kameraführung ist stellenweise übertrieben wackelig, und das Cutter-Team (Colby Parker Jr. und Melissa Lawson Cheung) wagt es dann und wann, die imposanten Kampfchoreografien, mit denen sich Uwais durch das Geschehen prügelt, kleinzuhacken. Aber wann immer Berg ein wenig auf die Bremse drückt und das inszenatorische Motto "Mittendrin, statt nur dabei" nicht zu wörtlich nimmt, entwickelt «Mile 22» eine kernig-drahtige Energie.

Die an «16 Blocks» erinnernde Grundprämisse macht jedoch nur einen Teil der 94 Filmminuten aus. Nach einem etwas übersichtlicher inszenierten, spannenden Prolog tritt «Mile 22» erst einmal auf der Stelle und führt beispielsweise Lauren Cohans Figur detailliert ein, bloß um sie später eh aus den Augen zu verlieren. Obwohl «Mile 22» bereits vergleichsweise kurz ist, hätten zwischen Prolog und der Einführung von Uwais' Rolle gerne noch ein paar Filmminuten der Schere zum Opfer fallen können, um den Stoff zu straffen.

Faszinierender ist aber sowieso die bereits angerissene Haltung des Films. Denn Mark Wahlbergs betont unausstehlicher, besserwisserischer Protagonist, der immer wieder in selbstverliebte Monologe verfällt und alle wie Dreck behandelt, mutet wie eine bewusste Dekonstruktion an. Durch die verschwurbelte Erzählweise des Films, der scheinbar willkürlich den Erzählfluss für Interview-Passagen mit James Silva unterbricht, verwischt dieser Aspekt ein wenig. Und auch die amüsiert-stolze Art, mit der Malkovichs zelebrierend von der Kamera eingefangene 'Mother' die Arbeit von Overwatch zusammenfasst, widerspricht dem amerikakritischen Ansatz von «Mile 22» ein bisschen.

Trotzdem ist es auffällig, wie oft dieser Action-Thriller Schlenker unternimmt, bei denen Zweifel an der Unfehlbarkeit der Hauptfiguren gestreut werden. So zeigt eine Szene, wie Silva eine IT-Technikerin bei ihrer Arbeit unterbricht, um sie zu fragen, wie weit sie mit der Entschlüsselung dringender Daten ist. Als sie über ihren Wettlauf mit der Zeit eine Auskunft gibt, die Silva nicht passt, verfällt er in eine elendig lange Schimpftirade, bei der er ihren Intellekt ebenso in Frage stellt wie die Bedeutung ihres Berufes. Kurz danach schneidet Berg auf Uwais, der in eine Überwachungskamera ein Schild hält, auf dem die Botschaft steht: "Ihr verschwendet Zeit!"

An anderer Stelle wiederum mault Wahlberg einen Agenten der Gegenseite an, bezeichnet ihn als widerlichen, boshaften Menschen, der mit dreckigen Mitteln arbeitet – und dann gibt Silva grinsend zu, genauso zu sein wie er. Und auch der Subplot darüber, dass Alices Wortwahl ihr mehr familiäre Probleme einbringt als ihre Taten, lässt sich als Angriff auf US-amerikanische Sentiments verstehen, gilt ein 'fuck' in einem Kinofilm dort doch als schockierender als ständige Waffengewalt.

Solche Szenen, egal wie beabsichtigt sie in ihrer Aussage sein mögen, werten den rauen Thriller «Mile 22» ungemein auf, stärken sie doch sein dreckig-hartes Weltbild. Dass Berg und Carpenter diese Augenblicke durch die Struktur und Inszenierung des Films fast schon kaschieren und im Actionchaos untergehen lassen, ist leicht bedauerlich. Richtig ärgerlich ist dagegen das aggressive Nach-einer-Fortsetzung-gieren ganz zum Schluss dieses von Komponist Jeff Russo wummernd untermalten Action-Thrillers. Als alleinstehender Film hätte «Mile 22» Potential zum Genrefan-Geheimtipp, als wahrscheinlich scheiternder Franchise-Auftakt steht «Mile 22» hingegen deplatziert auf weiter Actionflur.

Fazit: «Mile 22» ist smarter, als man es ihm ansehen dürfte. Dass der raue Action-Tumult trotz kurzer Laufzeit etwas Leerlauf mitbringt, ist dagegen bedauerlich.

«Mile 22» ist ab sofort in einigen deutschen Kinos zu sehen.

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Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
Sentinel2003
13.09.2018 11:42 Uhr 1
Das wird dann wahrscheinlich auch erst mein 2.Kino Film in diesem Jahr werden....
Quotermain
14.09.2018 08:44 Uhr 2
Die Kritiken sind woanders alles andere als gut.

22% auf RottenTomatoes.



Ich kann mir den schon nicht ansehen, wenn ich lese :"hektischer Schnitt und ShakyCam".

Mir wird schlecht von sowas.

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