First Look

Just «Kidding»? Jim Carrey mit einer tragi-komischen Meisterleistung

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Die neue Showtime-Serie lebt vom Wechselspiel aus herrlicher Komödie und tiefer Tragik. Ihr Hauptdarsteller Jim Carrey zeigt dabei einen beeindruckenden Facettenreichtum.

Anders als gerne behauptet, sind Komödie und Tragödie kein Gegensatzpaar, sondern einander ergänzende Komponenten, Haltungen und Erzählformen. Die unter einiger Furore gestartete neue Showtime-Serie «Kidding» macht dies geradezu lehrbuchbeispielhaft deutlich – und zeigt auf, wie sich aus der Verquickung des Komischen und Tragischen eine faszinierende erzählerische Zartheit gewinnen lässt.

Jeff Piccirillo (Jim Carrey), alias Jeff Pickles, ist ein Star des (fiktiven) amerikanischen Kinderfernsehens, der in seinem On-Screen-Sprachduktus, seinem ruhigen Wesen und seiner pädagogischen Feinfühligkeit sofort Erinnerungen an Mr. Rogers, jene Ikone der angelsächsischen Vorschulunterhaltung, weckt. Bei einem Autounfall vor einem Jahr ist einer seiner beiden Zwillingssöhne tödlich verunglückt. Inzwischen ist auch seine Ehe zu Jill (Judy Greer) in die Brüche gegangen – aber nicht wegen des schweren Schicksalsschlages, sondern weil Jeff eine Pussy ist, wie ihm sein überlebender Sohn unverfroren gesteht.

Vielleicht ist da tatsächlich etwas dran, beginnt auch Jeff unterschwellig zu reflektieren. In jedem Fall lädt sein gutherziger, integrerer, menschenfreundlicher, aufrichtiger Charakter dazu ein, ihn schamlos auszunutzen. Und anstatt mit einem konfrontativen Kladderadatsch ans Ziel zu kommen, wählt Jeff den Weg der Beständigkeit: Er will den Verlust seines Kindes auch in seiner Sendung verarbeiten, um seinem Publikum vorzuführen, dass man so gut wie alles verwinden kann. We are bigger than what happens to us, ist sein etwas pathetischer, aber sicher wunderschöner Leitgedanke – und Jeff ist felsenfest überzeugt, dass seine kleinen Zuschauer mit einem solch schweren Thema problemlos würden umgehen können. Doch das kommt für Jeffs Vater, der gleichzeitig der herrsch- und gewinnsüchtige Produzent seiner Show ist, nicht infrage: Jeff Piccirillo darf gerne trauern und umfassende Aufarbeitung leisten – aber auf keinen Fall Jeff Pickles, die eskapistische Gelddruckmaschine.

Soweit zu den tragischen Tönen. Die komödiantischen finden sich nicht nur im liebevollen Hinter-den-Kulissen-einer-quietschbunten-Kindersendung-Spiel, mit den sexuell enorm aktiven zwei Teilen eines Puppenpferdes und dem Late-Night-Sofa-Dreiklang aus Conan O’Brien, Dany Trejo und Mr. Pickles samt exzentrischer Ukulele, sondern auch im ebenfalls klug erzählten Sub-Plot um die auseinanderfallende Ehe von Jeffs Schwester, die die Puppen für seine Sendung näht.

Der Schlüssel liegt in der kommentarlosen, manchmal fast brutalen Aneinanderreihung dieser beiden Elemente, dem unmoderierten Wechsel vom Tragischen ins Komische binnen weniger Sekunden. Vielleicht wirkt «Kidding» wegen dieses Stilmittels trotz aller Kuriositäten mitunter so nah an einer gewissen tatsächlichen Lebensrealität erzählt.

Ohne Jim Carrey als ideale Besetzung für die Hauptrolle wäre dieses Format trotz seiner wunderbar austarierten Drehbücher und der gewitzten, scharfsinnigen und mit einem genauso großen Gespür für Komik wie für Tragik erzählten Geschichte nur halb so gut gelungen. Will man sich die schauspielerische Ausgestaltung dieser Figur als diffizilen Balanceakt auf einem zwischen zwei Wolkenkratzern aufgespannten Seil vorstellen, dann dreht Carrey auf dieser millimeterbreiten Schnur noch Pirouetten, springt in die Luft und hangelt sich mit einem Lächeln auf den Lippen von A nach B und wieder zurück, als wäre es das leichteste auf der Welt.

Das wohlgemerkt, ohne seine Kernkompetenzen, für die er wohl am berühmtesten ist, wirklich nutzen zu können: die haargenaue Imitation, die überkandidelte, aber treffsichere Mimik, den stimmigen, schwungvollen, aber nie aufgesetzten Klamauk. Nicht zuletzt damit hat er sich bei seinem letzten TV-Format vor zwanzig Jahren, der vornehmlich afroamerikanisch geprägten Sketch-Comedy «In Living Color» bei FOX, einen Namen gemacht. Bis «Kidding» ist er dem Fernsehen seitdem ferngeblieben – und zeigt mit dieser Serie nun eine Facette, die man in dieser Konsequenz bisher nur selten an ihm sehen durfte.

Mehr zum Thema... In Living Color Kidding
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