First Look

«American Vandal»: Die Netflix-Serie, die Instagram versteht

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Digitaler und echter Dünnschiss kommen zusammen: Wer hat bloß einen Massen-Durchfall in einer amerikanischen Highschool ausgelöst? «American Vandal» ist zurück – die Serie, die soziale Medien so gut kommentiert wie keine andere.

Cast & Crew «American Vandal» S2

  • Idee: Dan Perrault, Tony Yacenda
  • Darsteller: Tyler Alvarez, Griffin Gluck, Travis Tope, Melvin Gregg, Taylor Dearden u.a.
  • Regie: Tony Yacenda
  • Ausf. Produzenten: Dan Perrault, Tony Yacenda, Dan Lagana u.a.
  • Produktion: Woodhead, One Man Canoe, 3 Arts, Funny or Die, CBS TV für Netflix
  • Folgen: 8 in S2 (je ca. 30 Min.)
Eigentlich war doch alles erzählt. Nach dem Überraschungshit «American Vandal» im vergangenen Jahr war der Fall um Dylan Maxwell aufgeklärt, um den Higschool-Bully also, der die Fahrzeuge der Lehrer mit übergroßen Geschlechtsteilen besprüht hat. Ein dick joke als Ausgangspunkt für eine ganze Serie? Das funktionierte 2017 hervorragend. «American Vandal» porträtierte den Mikrokosmos einer amerikanischen Highschool authentisch und großartig. Und natürlich war es interessant herauszufinden, wer der ominöse Sprayer war, der die anzügliche Tat begangen hat. Doch mindestens genauso spannend war das Aufdecken der Beziehungen zwischen den Teenagern, der Rivalitäten und Freundschaften, der Hierarchien und Geheimnisse.

Staffel 2 von «American Vandal» macht das alles noch besser, soviel sei vorweg gesagt. Die Mockumentary, die True-Crime-Serien wie «Making A Murderer» gekonnt parodiert, erzählt diesmal die Geschichte der katholischen Highschool St. Bernardine und ihrer unappetitlichen Vorkommnisse, die sich im November 2017 dort ereigneten. Alles beginnt mit vergifteter Limonade in der Schulkantine, die bei den Teenagern plötzlichen Durchfall auslöst – und viel Arbeit für die Reinigungskräfte in den Stunden danach beschert. Dieser Vorfall wird „Brownout“ getauft – und es sollen noch zwei weitere ähnlich eklige Ereignisse folgen. Als Täter gibt sich eine anonyme Person aus, die sich nur Turd Burglar nennt. Auf Instagram dokumentiert er seine Verbrechen und taggt die Personen, deren Exkremente er öffentlichkeitswirksam auf Fotos in die Welt hinausschickt. Nicht nur ein Massen-Prank, sondern ein Massen-Mobbing wird aus der ganzen Sache. Festgehalten in den sozialen Medien, für immer.

Genau hier wird «American Vandal» zum großartigen Chronisten des digitalen Zeitalters. Denn Social Media ist der Dreh- und Angelpunkt dieser Serie. Nicht nur wird der Turd Burglar, also der Täter, zur berühmten Internet-Persönlichkeit, auch die Suche nach ihm geschieht zuallererst über Instagram und Co. Keine andere Serie versteht es so gut, den hyperkonnektiven Alltag junger Menschen und den selbstverständlichen Umgang mit sozialen Medien darzustellen. Alles ist transparent, nichts privat. Einer der vermeintlichen Zeugen macht sich dadurch verdächtig, dass er keine digitalen Spuren hinterlässt – kein Facebook, kein Instagram, nichts. Und der erste vermeintliche Täter, den die Schule ausmacht, ist eigentlich ein gemobbter Einzelgänger, der über Selbstdarstellung auf YouTube und Co. zeigt, dass ihm die Hänseleien an der Schule nichts anhaben. Später in der Serie stellt sich heraus, dass das Gegenteil der Fall ist. Und dass er für die Higschool nur ein Bauernopfer ist, ähnlich wie Dylan Maxwell in Staffel 1 von «American Vandal».

«American Vandal» kommentiert Social Media kritisch


Stattdessen suchen die beiden Jung-Journalisten Peter und Sam wieder nach der Wahrheit und decken dabei schmutzige Geheimnisse von St. Bernardine auf. Dass Social Media noch stärker als in Staffel 1 das wichtigste Instrument zur Beweisfindung ist, macht die Serie so authentisch. Denn wenn Jugendliche ihr Alltagsleben auch bei Instagram und Co. projizieren, dann kann die Tätersuche dort ebenfalls erfolgreich sein. Peter und Sam vergleichen die Posts des Turd Burglar mit denen zahlreicher verdächtiger Highschool-Schüler: Wer macht Punkte nach Emojis? Wer hatte den berühmten iPhone-Glitch im November 2017, der ein „I“ in ein „A“ mit Fragezeichen verwandelte? Wer legt eine ähnliche digitale Aussprache wie der Turd Buglar an den Tag?

«American Vandal» versteht genau, wie Social Media funktioniert. Die Serie ist eine Bereicherung gegenüber vielen Negativbeispielen im amerikanischen Fernsehen. Zahlreiche Formate versuchen krampfhaft, mit Twitter und Co. oder peinlichen Dialogen junge Zuschauer zu gewinnen – und scheitern kläglich. «American Vandal» aber nimmt die neue Alltagsrealität als gegeben an: Soziale Medien sind hier, um zu bleiben.

Dabei versteckt sich die Serie nicht davor, auch die negativen Seiten dieser neuen Realität zu kommentieren. Cyber-Mobbing oder inszenatorische Selbstdarstellung werden ebenso porträtiert wie die neuen Schulhierarchien, die sich über gesammelte Likes definieren. Nicht zuletzt hat Netflix für «American Vandal» eine starke Werbekampagne auf Facebook und Co. gefahren, also genau dort, wo die Serie auch ihre kritischen Stärken besitzt. «American Vandal» ist eine Parabel auf das digitale Zeitalter und regt mehr zum Nachdenken an als zum Lachen. Zuallerletzt ist sie aber vor allem: tatsächlich spannend. Und damit auch im Streaming-Jahr 2018 ein Überraschungshit.

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