Wer hätte das gedacht? Da rettet die UEFA einfach mal so den deutschen Spitzenfußball. Einfach mal so ist vielleicht ein wenig zu leicht daher gesagt. Das DFB-Organisationskommitee hat in den zurückliegenden Monaten hart dafür gearbeitet, dass man am Donnerstagnachmittag mit großer Mehrheit den Zuschlag für die Ausrichtung des Turniers in sechs Jahren bekommt. Für Deutschland ist es ein Glücksfall. Somit finden die zwei kommenden UEFA Europameisterschaften auf deutschem Boden statt. 2020 wird die UEFA das Turnier bekanntlich in mehreren Ländern austragen.
Während London in zwei Jahren Gastgeber des Finals und der Halbfinals ist, finden in München drei Gruppenspiele und ein Viertelfinale statt. Seit Donnerstag werden nun Erinnerungen an das große Sommermärchen 2006 wach. Damals, als eine junge DFB-Elf mit Klinsi als Trainer und Joachim Löw als Co-Trainer bezaubernden Fußball spielte und unglücklich im Halbfinale scheiterte.
Was waren das für Spiele? Und heute? Man ist sich einig, dass sich die deutsche Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Russland eher aus der Schublade „Rumpelfußball“ bedient hat. Die Probleme des deutschen Spitzenfußballs sind aber noch ganz andere. Die Qualität der Bundesliga sinkt von Monat zu Monat – und das nicht nur gefühlt. Bei der kürzlich von der FIFA gewählten Elf des Jahres war in dieser besten Mannschaft kein Bundesliga-Spieler vertreten. Wie auch? Auf internationaler Klub-Ebene haben sich sämtliche Klubs bis auf den FC Bayern München und RB Leipzig blamiert.
17 Bundesliga-Klubs spielen mittlerweile ohne die ganz großen Stars. Die Zeiten, in denen ein Raul großen Glanz auf Schalke verspürte, als Pierre-Emerick Aubameyang für Dortmund eine Bude nach der anderen schoss oder ein Dembele in der Bundesliga zauberte, sie sind längst vorbei. Selbst Robert Lewandowski, einer der letzten ganz großen Namen, wird immer wieder mit Klubs aus dem Ausland in Verbindung gebracht. Weil die Bundesliga von einem sehr hohen Level abgestiegen ist (schließlich ist es gerade einmal fünf Jahre her, dass das Champions League Finale ein deutsches Duell war), fiel der schleichende Qualitätsverlust zuletzt nicht so sehr auf.
In diesem Jahr aber kann man die Augen davor kaum noch verschließen. Fußballer, eine Ebene unter dem Label „weltklasse“ bieten mehr oder weniger destruktiven Sport. Am Ende gewinnen die Bayern – und wenn sie mal „nur“ Remis spielen, ist das für mindestens fünf Tage Thema in ein einschlägigen Blättern. Es sind strukturelle Probleme, die bei der Liga niemand angehen möchte. Der aktuelle TV-Vertrag, der eine massive Steigerung der Erlöse mit sich bringt (Sky zahlt alleine über 80% mehr), war eigentlich ein Quantensprung. Sportlich gesehen ist die Liga dieses große Investment aktuell aber nicht wert. Und es darf durchaus die Frage gestattet sein, wo die ganzen Millionen sind? In den Einkauf ganz großer Stars sind sie zumindest in diesem Sommer kaum geflossen.
Das Geld wird – wie früher schon – zudem so ungleich verteilt, dass es quasi nur zwei Klubs gibt, die ernsthaft vorne mitspielen können. Die Bayern, die sehr wahrscheinlich in den kommenden fünf Spielzeiten fünf Mal Meisterwerden und somit den Begriff „La Decima“ neu definieren. Und Dortmund, die finanziell durch regelmäßige Champions-League-Teilnahmen gut dastehen. Eigentlich müsste die DFL, die die TV-Gelder verteilt, dafür sorgen, dass die Kluft zwischen den beiden Teams und den 16 anderen kleiner wird. Doch den Großen etwas aus dem Portemonnaie zu nehmen, wird auf Widerstand stoßen. Natürlich. Die Bayern brauchen das Geld um im Hochglanzwettbewerb Champions League unter den letzten Vier zu stehen. Eine verzwickte Situation.
Ein bisschen wie Mitte 2000 – und doch anders. Auch damals gab es im deutschen Fußball größere Probleme. Sowohl bei der EM 2000 als auch bei der EM 2004 schied die deutsche Nationalmannschaft in der Gruppenphase aus. Zwischen 96/97 und 05/06 wurde der FC Bayern München sieben Mal deutscher Meister. Unterbrochen wurde die Serie von Kaiserslautern, Dortmund und Bremen. Immerhin. Der Zuschlag vor die Weltmeisterschaft 2006 gab Anfang des Jahrtausends aber einen entscheidenden Schubser. Kräfte wurden gebündelt. Investiert wurde bei Weitem nicht nur in die Infrastruktur. Noch heute profitieren viele Klubs von den Bauvorhaben, die zur WM 2006 in den deutschen Stadien getätigt wurden. Investiert wurde aber auch in den Sport – abseits der Spitze übrigens auch in der Breite. Viele vom DFB bereitgestellte Bolzplätze stehen auch zwölf Jahre danach noch.
Es ist dem Fußball zu wünschen, dass jetzt eine ähnliche Entwicklung beginnt. Die Zeit des Bundesliga-Rumpelfußballs muss vorbei sein. Gefragt sind die hohen Herren des Sports. Sie müssen die inzwischen überdeutlichen Zeichen der Zeit erkennen, bevor eine Erruption der TV-Reichweiten beginnt. Bevor die deutschen Stadien leer bleiben und die Stimmung kippt. Aktuell sind die TV-Quoten stabil – was eigentlich ein kleines Wunder ist. Und Sky fragt sich vollkommen zurecht, wie viel höher die Marktanteile noch sein könnten, gäbe es mal wieder echte Spannung in der Bundesliga.
Womöglich ist der Zeitpunkt jetzt genau der Richtige. 2019 werden die Vorverhandlugen zwischen (möglichen) TV-Partnern und der DFL weiter Fahrt aufnehmen. Es ist daher im Interesse des Ligaverbands sein Produkt ordentlich aufzuhübschen. Und es ist sehr im Interesse der TV-Sender auf die Schwächen der Liga hinzuweisen. Und auch wenn die Bundesliga weiterhin das wertvollste Sportgut unseres Landes ist; aktuell wäre sie keine neue Rekord-Invests wert. Weil sich Geschichte wiederholt und weil den deutschen Fußballfans jetzt zwei EM-Highlights in der Bundesrepublik bevorstehen, wird jetzt aber die Trendwende eingeläutet. Hoffentlich.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel