Dabei liest sich die Grundidee nun wahrlich nicht spektakulär: Firmenchefs setzen plötzlich und unerwartet einen neuen Abteilungsleiter ein, welcher die Leidensfähigkeit der Angestellten mal so richtig auf die Probe stellen soll - mit dem übergreifenden Ziel, allen Mitarbeitern wichtige Werte wie Teamgeist und Zusammenhalt in Erinnerung zu rufen. Das gab es schon mehrfach in dieser Form als Rubrik bei «taff» und erinnert in manchen Punkten ein wenig an das spätestens seit seinen Promi-Specials längst der inhaltlichen Lächerlichkeit preisgegebenen RTL-Sendung «Undercover Boss», wobei der Neustart weitaus stärker als die Konkurrenz darauf ausgelegt ist, komische (in beiderlei Wortsinn) und peinliche Situationen zu kreieren.
Viel Situationskomik dank Business-Bullshit und charismatischer Mitarbeiter
Star des Formats ist der Schauspieler und Moderator Alexander Königsmann, der fortan dabei begleitet wird, wie er als neuer Chef in bester Stromberg-Manier seinen Untergebenen das Berufsleben zur Hölle macht - was insbesondere in Betrieben wie dem in der Auftaktfolge besuchten Friseursalon eine schwerwiegende negative Veränderung mit sich bringt, herrschte dort doch bislang augenscheinlich eine sehr familiäre und positive Grundstimmung. Der neue Bad Boss hingegen ist der Prototyp eines selbstverliebten Business-Schnösels, der auf allerlei Seminaren ganz hervorragende frische Konzepte ausfindig gemacht haben will, die in New York der heißeste Schrei seien und nun bitte auch in der Kölner Innenstadt umgesetzt werden möchten. Aber mit Begeisterung und angetackertem Helene-Fischer-Lächeln.
So kommt es zu einer Zweiteilung des Betriebs in einen Luxus- und einen Effizienz-Bereich, die auf unterschiedliche Weise auf Big-Bad-Boss-Bullshit getrimmt werden: Im Luxus-Segment sollen die Mitarbeiter fortan ihr Outfit am jeweiligen Kunden ausrichten und sie nach ihrem Lieblingslied fragen, damit dieses dann von einem tonal sehr eigenwillig performenden "DJ" vorgetragen wird, im Bereich Effizienz sollen "Do It Yourself"-Bereiche angepriesen, absurde Rabattaktionen und Fünf-Minuten-Haarschnitte durchgeführt werden. Zudem gibt es "motivationale Anregungen" vom neuen Chef, doch etwa das eine oder andere Video bei Social Media zu teilen oder auf der Straße mit Kopfmassagen auf den Betrieb aufmerksam zu machen.
Dabei entstehen zahlreiche Momente mit hoher Situationskomik, die in der Tat ein wenig an die Mockumentary erinnern, durch die Christoph Maria Herbst zu einem der bekanntesten Schauspieler des Landes wurde. Dieses humoristische Niveau erreicht weder Königsmann als glattgebügelte Schmierlappen-Version des sexistischen, rassistischen Egomanen noch die restliche Produktion, nichtsdestotrotz wird man gut und kurzweilig unterhalten und fühlt mit den sehr sympathischen Mitarbeitern sogar noch stärker mit als in einer Serie, die ausschließlich von Schauspielern getragen wird. Man feiert die im Laufe des Tages immer häufiger auftretenden Momente, in denen jemand dem Boss Kontra gibt oder auf die Lächerlichkeit seiner Vorschläge hinweist, man schämt sich in Grund und Boden, wenn dieser in seinem Salon eine Szene macht und vor versammelter Belegschaft und Kundschaft verkündet, als ersten "Mitarbeiter des Monats" sich selbst auserkoren zu haben, man bedauert eine etwas naive Angestellte, wenn sich diese tatsächlich dazu bereiterklärt, für eine als Kundin eingeschleuste Mitarbeiterin einkaufen zu gehen. Kurzum: Man bekommt in einer Stunde Sendezeit überraschend viele sehr amüsante und mehr oder minder freiwillig komische Momente dargeboten. Schön ist auch, dass man als Sprecher die alte Off-Stimme von «TV total» hat gewinnen können.
Der großen Moral hätte es nicht bedurft
Doch es gibt auch einige wenige Aspekte, die nicht ganz so gelungen sind. In allererster Linie ist hier die Tatsache zu nennen, dass man «Good Boss, Bad Boss» nicht einfach als kleinen Streich der eigentlichen Chefs inszeniert hat, sondern als vermeintlich relevante Help-Soap, die den Mitarbeitern eine ganz wichtige Lehre erteilen soll. Warum das überhaupt nötig ist, wird bei besagtem Friseursalon nicht so recht klar, denn der Teamspirit ist ebenso intakt wie das Verhältnis zu den Chefs, der Laden läuft offenbar gut und auch die Kunden äußern sich positiv über den Betrieb. Aber manchmal lässt der eine oder andere Mitarbeiter nach Feierabend mal was stehen oder räumt den Privatbereich nicht perfekt auf. Joar, einigermaßen dünn, um die Notwendigkeit eines Fernsehteams zu betonen, was auch aus den abschließenden Äußerungen einer Mitarbeiterin zu entnehmen ist (sinngemäß: "Wenn das alles ist, was wir künftig besser machen sollen, kann es hier ja so schlimm nicht laufen."). Zumal es pädagogisch arg fraglich anmutet, ob durch einen eintägigen Ritt durch die Business-Hölle nachhaltige Besserungen realisierbar sind. Ehrlicher wäre es hier gewesen, auf der Comedy-Schiene zu bleiben und nicht krampfhaft nach einem ausgestreckten Zeigefinger Ausschau zu halten, um diesen Spaß mit einer ganz voll deepen Message zu umrahmen.
Ein wenig mehr Zeit hätte man sich auch lassen können, denn für nur einen Tag wirkt der umfassende Katalog an Bad-Boss-Absurditäten doch arg überladen und schafft ein Gefühl von Hektik, durch das die einzelne kleine neue Grausamkeit gar nicht ihre volle diabolische Wirkung entfalten kann. Zudem stellt sich schnell die Frage, inwiefern die Mitarbeiter nicht schon frühzeitig den Braten riechen, wenn so viel Unfug, ein neuer Chef und Fernsehkameras dermaßen gebündelt auf sie niederprasseln - was sich in der Auftaktfolge etwa darin äußert, dass viele hintenraus den neuesten Vorgaben weniger mit Schock und Unwillen begegnen als mit einem breiten Grinsen und Sarkasmus. Das schadet dem Unterhaltungswert höchstens marginal, ein wirklich starkes Format (und dieses hier hat in der Tat das Potenzial, ein solches zu werden) kann hier aber noch zulegen.
Letztlich sind das aber lediglich Kritikpunkte, die einen überraschend tollen Neustart zu einem überraschend guten degradieren, ohne ihm allzu massiv zu schaden. Denn auch wenn es hier und da noch ein wenig Luft nach oben gibt, wirkt «Good Boss, Bad Boss» auf dem 18-Uhr-Sendeplatz am Sonntag ziemlich verschenkt und kann sich zu einer kleinen Dokutainment-Perle entwickeln, die weitaus unterhaltsamer daherkommt als manch eine groß aufgeblasene Primetime-Show. Das Team um Alexander Königsmann hat es jedenfalls am Sonntagabend nicht nur geschafft, Erinnerungen an die großen Comedy-Zeiten von ProSieben zu wecken, sondern auch, sich selbst für einen besseren Sendeplatz anzubieten - zumindest bei den wenigen Zuschauern, die zufällig beim Sender hängen geblieben sind.
ProSieben zeigt fünf weitere Folgen von «Good Boss, Bad Boss» immer sonntags gegen 18:05 Uhr.
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