Ohne Frage: Der Tod von Axel, das Erbe, die dadurch entstehenden Eruptionen innerhalb der Bau-Firma und eine sich anbahnende Love-Story zwischen Jenni und Tarek – das sind zu Beginn die klar dominierenden Themen. Anders als bei klassischen Soaps, die von Beginn an auf vielschichtige Storys setzen, wird in «Alles oder Nichts» anfangs eher wie in High-End-Serien erzählt. Sat.1 setzt hier also auf einen Stil, der sich zuletzt unter anderem im Streaming-Bereich etabliert hat. Weil der zu Grunde liegende Konflikt aber so klar ist – und in jeder Folge auch immer wieder kurze Erklärsequenzen eingebaut sind – ist sichergestellt, dass Fans auch mal eine Folge verpassen können.
Schließen will Sat.1 mit dem Neustart auch die Lücke, die die einstige Glamour-Soap «Verbotene Liebe» hinterlassen hat. Seitdem gab es kein Format mehr, das zum Blick hinter die Kulissen der Reichen und Schönen eingeladen hat . Eine zweifelsfrei faszinierende Welt, die zugleich aber auch eine echte Herausforderung für die Setbauer ist. Auch in den Kulissen machen sich die – streng genommen vier Welten – mehr als deutlich bemerkbar. Da wäre etwa das bisherige Zuhause von Jenni. In vergilbtem Weiß gestrichen, mit gefliestem Wohnzimmertisch und schlichten Metallschrank samt sich stapelndem Pfand. Die Neumanns müssen aber auf das Geld schauen, die gemeinsam betriebene Imbiss-Bude wirft nicht allzu viel ab. Diese steht nahe einer U-Bahn-Station, an einem belebten Fleckchen Berlins und ist wohl das Set der Serie mit dem größten Haken.
Die dort spielenden Szenen werden nicht On Location, sondern ebenfalls im Studio hergestellt – und das ist spürbar. Zu loben ist fraglos der enorme Einsatz von zahlreichen Komparsen, doch im Vergleich zu den sonst sehr hochwertigen Kulissen fällt dieses Set in Sachen Glaubwürdigkeit ab – zudem darf die Frage gestattet sein: Wer wollte die Wände dort wirklich in grün streichen?
- SAT.1/Richard Hübner
Flott und urban: Jenni's neues Zuhause - sie wohnt dort mit Henning (links), der ein Kumpel von Tarek (rechts) ist.
Quasi zwischen Arm und Reich angesiedelt ist eine neue „Hipster-WG“, in die Jenni recht schnell ziehen kann. Backsteine an den Wänden, Basilikum am Herd. Groß und geräumig kommt das neue Zuhause der eigentlichen Hauptfigur des Formats daher. Prunkstück der Studios sind aber zweifelsfrei die Sets im „Brock Tower“. So etwas hat bisher wohl noch keine Daily-Soap gesehen. Selbst das bisher als führend geltende Mauerwerk-Set von «GZSZ» oder die Wellness-Anlage im Steinkamp-Zentrum kann hier einpacken. Groß, geräumig, hell und voller Schauwerte bildet etwa das Wohnzimmer der Familie den maximalen Kontrast zu den sonstigen Wohnungen – und auch die Büro-Welt des Towers (echter Hingucker: Die Wandbeleuchtung/Deko hinter Melissas Schreibtisch) ist imposant und edel.
Genauso, wie den drei der Brock-Dynastie bisher unbekannten Erben, nun unbegrenzte Möglichkeiten offen stehen, haben die kreativen Köpfe der Serie eine Welt geschaffen, die den Grundstein für eine Fülle guter Ideen liefert. Langfristig betrachtet, wird sich die Ausgangssituation des überraschenden Todes natürlich auflösen. Genau wie man eine Liebesgeschichte in klassischen Telenovelas nicht über Jahre erzählen kann, wird auch «Alles oder Nichts» mit der Zeit neue Impulse benötigen. Wenn die Serie denn soweit kommt.
Nur der Qualität nach betrachtet, steigt das Format im deutschen Soap-Ranking mindestens auf Platz zwei ein - zumindest mit Blick auf die Auftaktfolgen. Der weitere Verlauf der Serie lässt sich schwer einschätzen. Erste Einblicke auf Bilder und Story - Stichwort: Brock-Würstchen - lassen ein Absinken der Qualität befürchten. Das wird sich zeigen. Doch ohnehin - Qualität alleine ist keine Garantie für einen letztlichen Erfolg nach Zuschauerzahlen. Andere Faktoren spielen da mit hinein: Der letzte Soap-Erfolg von Sat.1 ist lange her; seitdem wurden die gestarteten Versuche sehr schnell wieder beendet. Wie verprellt fühlen sich noch einstige Fans von «Mila»? Was ist aus all denen geworden, die damals bei «Verliebt in Berlin» Tag für Tag mitfieberten? Geben sie einer neuen Daily eine Chance? Die Zielgruppe für das Format ist, das belegen die eindrucksvollen Zahlen der RTL II-Dailys und von «GZSZ», jedenfalls en masse vorhanden. Nur lässt sich diese Zielgruppe heute deutlich seltener auf ein neues Format ein als noch früher.
- Sat.1/André Kowalski
Die Familie Neumann - in bescheidenen Verhältnissen lebend, aber grundsätzlich glücklich. Mirco Resig, der "Papa" Mike spielt (zweiter von rechts), ist aus «Sechserpack» bekannt.
Betrachtet man alle Dailys Soaps, die zur Zeit laufen, dann ist «Köln 50667» mit inzwischen fast 1475 Episoden die jüngste Langlaufende – RTLs Neustart «Freundinnen», der wegen niedriger Quoten ohnehin wackelt, mal ausgenommen. Kurzum: Ein Quotenerfolg ist alles andere als gewiss. Der Vielfalt und Qualität würde es aber gut tun, würde Sat.1 im Falle eines schleppenden Starts auch um die Ecke denken. Denn anstelle einer schnellen Überarbeitung der Soap könnte auch ein besseres Programmumfeld helfen. Ob das Feel-Good-Magazin «Endlich Feierabend» und das sich in Richtung Overkill bewegende «Genial Daneben» wirklich ein gutes Lead-In und Lead-Out sind, ist fraglich. Besser würde um 18 Uhr eigentlich eine zweite Soap passen – und ohne die Zuschauer direkt mit zu vielen neuen Geschichten überfordern zu wollen, lässt sich feststellen: Da gab es ja noch drei Konzepte von der UFA…
«Alles oder Nichts» läuft ab sofort von Montag bis Freitag um 18.30 Uhr in Sat.1
Es gibt 9 Kommentare zum Artikel
22.10.2018 13:13 Uhr 1
22.10.2018 15:15 Uhr 2
In der Produktion gibt es aber, meiner Meinung nach, enige Schwächen. Die Dialoge kommen sehr hölzern daher, die Charaktere sind mir in den ersten Folgen nicht tief genug gezeichnet und die Sets sind zwar großzügig aber gleichzeitig wirken die Darsteller dort auch etwas verloren.
Wünsche dem Team auf jeden Fall viel Erfolg - ich kann mir vorstellen, dass so eine Produktion gerade in der Anfangszeit wahnsinnig viel Arbeit bedeutet.
22.10.2018 16:55 Uhr 3
22.10.2018 18:08 Uhr 4
22.10.2018 19:33 Uhr 5
Aber hoffe das Sat.1 die Serie länger laufen lässt als Mila
22.10.2018 22:41 Uhr 6
Online zumindest schon mal recht erfolgreich. 1.3 mio Abrufe bei YouTube für Folge 1 innerhalb von 4 Tagen.
Mal sehen was die TV Quote morgen sagt
23.10.2018 01:00 Uhr 7
Gut gefallen definitiv das Casting allgemein sowie die Figurenkonstellation und Grundprämisse. Das gilt darüberhinaus auch für die Serienmusik.
Die Kulissen wirken imposant, wobei den Büros dem ersten Anschein nach vergleichsweise wenig Platz zugestanden wurde. Soweit auch drehbuchtechnisch kein zu großer Schwerpunkt auf den Geschehnissen im Bürokomplex liegt, ist das allerdings keine zu kritisierende Entscheidung.
Allerdings erscheinen viele der Räumlichkeiten dann doch Recht unnatürlich. Woran das liegt lässt sich schwer feststellen, es scheint jedoch durch die Aufnahmetechnik bedingt. Eventuell hat die Produktion es mit der Beleuchtung zu gut gemeint (das ist natürlich eine sehr subjektive Empfindung).
Woran es am stärksten hakt sind aber die Dialoge, die sehr hölzern und funktionell erscheinen.
Trotz aller Kritik definitiv einer der besseren Versuche von Sat.1, eine Vorabendserie zu etablieren. Da steckt viel Potenzial drin, welches zum guten Teil auch genutzt wird.
23.10.2018 12:00 Uhr 8
Ist doch offensichtlich dass die eine mit Tarek zusammenkommen wird und von der Frau Brock erwarte ich irgendwie auch ein Nümmerchen mit Daniel...
Aber mir gefällts. Halt so ein Ding für zwischendurch, was am Abend zum Essen durchaus konform geht.
5 Folgen hab ich gesehen, die ersten 15 Folgen werde ich wohl sehen, da sie auf YouTube kommen.
Ist aber mehr meins als das was auf RTL läuft.
23.10.2018 13:32 Uhr 9
Wenn die nächsten Folgen bei Youtube abfallen, ist das kein gutes Zeichen.
Mein Bauchgefühl hat mich nicht getrogen, anscheinend kein so großes Interesse.