Interview

Bastian Bielendorfer: „Ich bin quasi ein Ein-Mann-Zirkus“

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Von «Wer wird Millionär?» zuerst auf die Bühne und jetzt in die ProSieben-Primetime. Bielendorfer ist in der neuen Elton-Show «Alle gegen Einen» der Mann für die Schätzperimente.

Zur Person: Bastian Bielendorfer

Bielendorfer ist ein Multi-Talent: Er schrieb mehrere Bücher (u.a. «Lehrerkind - Lebenslänglich Pausenhof») und tritt inzwischen als Comedian mit dem Programm "Lustig, aber wahr" auf. Einem großen Publikum bekannt wurde er einst in RTLs «Wer wird Millionär?». Auf seiner Homepage schreibt Bielendorfer über einen der zentralen Teile seines Auftritts im Quiz: "Den Pädagogenvater als Telefonjoker für die 8.000 Euro Frage angerufen, der diese natürlich sofort richtig beantwortete und 9 Millionen RTL-Zuschauern gleich noch mitteilte, der Junge müsse adoptiert sein, wenn er wirklich bei solch lächerlichen Summen schon seine Hilfe bräuchte."
Entdeckt wurden Sie bei «Wer wird Millionär?». Sie sind quasi ein Kind der 2000er…
Weil ich beim Fernsehen nicht als Kabelträger begonnen habe? Das mag sein. Ich glaube ja, dass sich Talent irgendwie immer durchsetzt, wenn man ein bisschen Glück hat. Ich habe das alles nie geplant und es letztlich auch nicht drauf angelegt. Meine Karriere ist quasi ein einziges Hineinstolpern in verschiedene Aufgaben.

Da schwingt ein gewisses Urvertrauen und eine Planlosigkeit mit?
Ich bin Westfale – und somit kein Planmensch. Mit 18 habe ich nicht gewusst, was ich studieren soll. Ein paar Jahre später war ich Psychologie-Student und habe sogar einen Abschluss darin. Dann saß ich bei «Wer wird Millionär?» und hatte meine halbe Stunde Primetime-Fernsehen, in der ich sogar nicht gestottert habe. Ich habe danach ein Buch geschrieben, das genauso gut auch ein Flop hätte werden können. Die Erstauflage lag bei 5000 Stück, inzwischen wurden über eine halbe Million Exemplare verkauft.

Gibt es noch Kontakt zu Günther Jauch?
Das ist eine recht romantische Vorstellung, wie nah sich Quizmaster und Kandidaten kommen. Günther Jauch war sehr höflich und sehr nett zu mir. Wir haben uns danach noch einmal gesehen, ich habe ihm mein zweites oder drittes Buch gegeben. Da hat er sich ehrlich gefreut.

Ihre erste große TV-Aufgabe fand dann bei einem anderen ganz großen der Zunft statt…
…bei der «Harald Schmidt Show» , wo ich zwei Jahre lang Side-Kick sein durfte. Schmidt ist einer der klügsten und schnellsten Denker, die wir hatten. Man muss ja die Vergangenheitsform verwenden, weil er leider keine aktuelle Show mehr im Fernsehen hat. Das war eine große Ehre und eine Zeit, in der ich viel gelernt habe. Ich habe sein Format in den 90ern geliebt, fast jede Show gesehen. Ein bisschen schade war es, dass die Sendung damals dann schon im Pay-TV lief und kaum jemand zugeschaut hat. Ich bezeichne mich ja als recht spontan und im Verbalen auch ganz okay, aber sich dann mit Harald Schmidt die Bälle zuzuspielen, ist schon Champions League.

Champions League ist auch die große Samstag-Abend-Show. Ab Samstag sind Sie Co-Moderator von ProSiebens neuem Format «Alle gegen Einen»…
Das ist definitiv Champions League. Das ist DER große Samstagabend, ein Stück Fernseh-Lagerfeuer. Zum Glück bin ich erst einmal nur „Azubi“, mein Chef ist der Elton und der hat ja viel Erfahrung.

Eine gewisse Ironie ist dabei: Elton, der Ex-Praktikant…
Er hat die Rolle jetzt quasi an mich weitergegeben. «Alle gegen Einen» dreht sich ja um Schätz-Experimente. Nennen wir sie Schätzperimente. Wie lange dauert es, bis ein Auto in einem Pool vollständig untergegangen ist? Wie viele Haare haben Männer auf der Brust? Und und und. Ich bin für die Experimente zuständig, pro Show sind es 13 an der Zahl. Ein Kandidat muss vorher schätzen – und ich sage eins: Google liefert die Antworten auf die mehr oder weniger alltäglichen Fragen nicht. Der Kandidat bekommt Unterstützung von Promi-Joker, wie etwa Luke oder Jeannine Michaelsen in der ersten Ausgabe. Gegen den Kandidaten spielt ganz Deutschland mittels einer App. Jeder Zuschauer kann mitschätzen, wir bestimmen dann den Mittelwert – quasi die Weisheit der Vielen – und wer näher dran ist am richtigen Ergebnis – Kandidat oder TV-Deutschland – gewinnt pro Runde immer mehr Geld. Im letzten Spiel entscheidet sich, wer seinen Jackpot von bis zu 100.000 Euro mit nach Hause nimmt: der Kandidat oder Deutschland Wenn Deutschland gewinnt, wird ein Zuschauer, der via App teilgenommen hat, noch in der Show mit einem Anruf von Elton überrascht.

Dass ProSieben zuletzt mit Shows am Samstag gewisse Probleme hatte, ist Ihnen vermutlich egal?
Ich finde, dass die Show unheimlich attraktiv ist, weil sie ein breites Publikum anspricht. Mir ist wichtig: Niemand wird blöd dargestellt. Als ich das Konzept gesehen habe, hatte ich direkt ein gutes Bauchgefühl – und das hat mich in acht Jahren eigentlich nie getäuscht.

Ich habe früher Lesungen gehalten und festgestellt, dass ich nur 20 Minuten lang lese und dann 80 Minuten lang frei spreche. So kam ich auf die Idee, es mal als Comedian zu probieren.
Bastian Bielendorfer
Sie sind momentan viel auf Tour – auf Ihrer Homepage sind mehr Termine zu finden als mein Bildschirm anzeigen kann. Kein einfacher Job – immer woanders, immer unterwegs?
Ich bin quasi ein Ein-Mann-Zirkus. Roncalli mit nur einer Person. Fernsehen ist toll, aber mein erstes Standbein ist derzeit meine Arbeit als Stand-up-Comedian. Mit meiner ersten Tour war ich mit über 150 Terminen unterwegs, seit Anfang Oktober bin ich mit meinem neuen Programm ‚Lustig, aber wahr‘ auf Tour, die mich allein bis Mitte 2019 an 70 verschiedene Orte in Deutschland führen wird. Klar ist das anstrengend, aber das ist das Geschäft. Ich habe früher Lesungen gehalten und festgestellt, dass ich nur 20 Minuten lang lese und dann 80 Minuten lang frei spreche. So kam ich auf die Idee, es mal als Comedian zu probieren.

Aber es gibt auch die schwierigen Abende, wo eine ganze Reihe immer auf die Uhr schaut und sich fragt, wann das alles zu Ende ist?
Klar. Es gibt Abende, an denen Du quasi durch den Saal schwebst und es gibt Abende, wo das Publikum scheintot wirkt. Spannenderweise sind es dann meist genau diese Auftritte, an denen die Leute am Ende der Show begeistert applaudieren. Am Schwierigsten ist da Bayern. Der Bayer freut sich viel für sich selbst und lacht in sich hinein.

Sketch-Comedy ist totgelaufen, die Sitcom sucht neue Impulse. Michael Kessler sah im Interview mit uns kürzlich das ganze Comedy-Genre in einer schwierigen Situation. Wie stehen Sie dazu?
Michael Kessler ist ein kluger Kopf, der weiß, wovon er spricht. Ich sehe auf der anderen Seite aber schon interessante Entwicklungen. Tolle Kollegen wie Luke Mockridge oder Carolin Kebekus funktionieren nicht nur auf der Bühne, sondern tragen auch ihre eigenen TV-Formate. Peter Frankenfeld war früher Unterhalter, aber kein Comedian. Inzwischen sind die Sender bei der Suche nach schnellen Köpfen, die redegewandt und spontan sind, oft auf der Bühne fündig geworden. Das ergibt spannende Möglichkeiten.

Letzte Frage – angesichts der politischen Lage: Darf man über AfD, GroKo und Trump noch lachen oder ist es nicht mehr lustig?
Man muss sogar darüber lachen. Ich Zeiten der Teilung ist Humor doch ein verbindendes Element. Ich sage in meinen Programmen auch ganz offen, dass ich es sehr bedauere, was für Menschen inzwischen in immer mehr Landtagen sitzen. Das ist jetzt kein Thema für eine TV-Unterhaltungsshow am Samstagabend, aber in meinem eigenen Programm spreche ich das deutlich an. Man muss diesen Hass und diese Dummheit einfach auslachen, zugleich die Sorgen der Bürger aber ernst nehmen. Man muss ihnen die Absurdität vor Augen führen, wenn eine Politikerin auffordert auf Kinder zu schießen, dann aber behauptet, sie sei auf der Maus ausgerutscht. Man möge ihr bitte eine Schreibmaschine geben.

Danke für das Gespräch.


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