
So ähnlich zieht einen nämlich seine Serie «Bodyguard» in den Bann, wo er Sergeant David Budd, einen von zahlreichen Kriegseinsätzen im Irak und in Afghanistan traumatisierten Personenschützer im Dienst Ihrer Majestät, spielt. Sergeant Budd bringt gerade die letzten Meilen einer längeren Zugreise hinter sich, um seine Kinder zurück zu ihrer Mutter zu bringen, als ihm ein Mann nahöstlicher Herkunft auffällt, der sich seltsam benimmt. Als er – auch in seiner Freizeit freilich ein vorbildlicher wachsamer Bürger – den Bahnschutz auf seine Beobachtung aufmerksam macht, teilt man ihm mit, dass für die Strecke eine Terrorwarnung herausgegeben wurde. Als Sergeant Budd die Toiletten abklappert, trifft er auf Nadia (Anjli Mohindra), einen Sprengstoffgürtel um den Hijab gewickelt und den Zünder in der Hand.

Die Beförderung folgt auf dem Fuße: Budd wird neuer Personenschützer von Innenministerin Julia Montague (Keeley Hawes), einer sicherheitspolitischen Hardlinerin (und Amber-Rudd-Verschnitt?), die in der Vergangenheit keine Gelegenheit ausließ, um britische Soldaten an Militäreinsätzen im Nahen Osten und in Zentralasien zu beteiligen – so wie Budd, der dort Dinge erlebt hat, die kein Mann je erleben sollte. Seine Freunde aus Kriegstagen sind rabiater: Einer von ihnen hat schon einmal durchklingen lassen, er würde einfach die Augen schließen und den Abzug betätigen, wenn er jemals einem dieser Politiker-Dreckschweine begegnen würde, die ihn aufs Schlachtfeld beordert haben.

«Bodyguard» reiht sich als politischer Stoff mit packender Thriller-Dramaturgie gut in diese Tradition ein, ist modern erzählt, mit einem starken Focus auf seine gebeutelte Hauptfigur und einem erstaunlichen Gespür für Dramatik: Allein die Eröffnungssequenz, in der Sergeant Budd einer Jihadistin ausredet, sich in einem vollbesetzten Zug in die Luft zu sprengen, nimmt gute zwanzig Minuten ein und hält durchgehend ihre Dynamik aufrecht, keine Sekunde ist überflüssig, keine Wendung unnötig, kein Ereignis unglaubwürdig.
Gleichzeitig erzählt die Serie metaphorisch das Trauma einer Generation junger Angelsachsen, die von ihren Regierungen aus politisch oft nicht klar erklärbaren Umständen und mit wenig konkreten Zielsetzungen in den Orient geschickt wurden, um dort den Westen zu verteidigen. Derweil zeigt «Bodyguard» – je nach Interpretation und Haltung im politischen Meinungslager – die Gründe, warum das notwendig ist, oder die Folgen der militaristischen Abenteuer: Terror im Schienenverkehr, ein Anschlag auf eine Grundschule, ein Attentat auf eine Ministerin.

Trotz der zweifellos beeindruckenden Thriller-Erzählung und dem versierten Spiel seines Hauptdarstellers trübt dieser Umstand den Gesamteindruck doch wesentlich: «Bodyguard» kann vieles – aber nichts, was «Homeland» nicht auch kann. Und was «Bodyguard» missglückt, ist «Homeland» nur umso vortrefflicher gelungen. Einzig: Wenn jemand von der Detonation seines Sprengstoffgürtels abgehalten werden muss, wäre es doch besser, Sergeant Budd zu rufen als Carrie Mathison.
«Bodyguard» ist bei Netflix verfügbar.
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