Filmfacts: «Bohemian Rhapsody»
- Start: 31. Oktober 2018
- Genre: Biopic/Musikfilm/Drama
- Laufzeit: 134 Min.
- FSK: 6
- Kamera: Newton Thomas Sigel
- Musik: John Ottman
- Buch: Anthony McCarten
- Regie: Bryan Singer (Dexter Fletcher)
- Darsteller: Rami Malek, Joseph Mazzello, Lucy Boynton, Mike Myers, Gwilym Lee, Tom Hollander, Jess Radomska
- OT: Bohemian Rhapsody (USA 2018)
«Bohemian Rhapsody» funktioniert ganz und gar nach filmischen Maßstäben, wozu eben auch gehört, dass zu Gunsten erzählerischer Übergänge schon mal ein wenig geschummelt wurde, was die Abbildung der Realität angeht. Doch es ist letztlich völlig egal, ob die verschiedenen Songs alle tatsächlich so entstanden sind, wie hier geschildert. Genauso wie es dramaturgisch einfach wesentlich klüger ist, im Finale Spannung aus der Frage zu ziehen, ob das Live-Aid-Konzert der Band funktioniert, obwohl die Mitglieder zuvor jahrelang nicht miteinander musiziert haben (was in Wirklichkeit nicht so war). Am Ende geht es um den Sog, den «Bohemian Rhapsody» entwickelt – und der hat es in sich!
Die Geburt einer Musiklegende
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„Es ist kein Biopic, es ist ein Film über Freddie und Queen, bei dem wir uns kreative Freiheit herausgenommen haben!“ – das sagte Queens Leadgitarrist Brian May selbst nach einem Konzert in Hamburg über «Bohemian Rhapsody» und erklärt mit nur einem Satz, was den Reiz des Films ausmacht. Drehbuchautor Anthony McCarten («Die dunkelste Stunde») schon ziemlich penibel den typischen Stationen eines klassischen Leinwandporträts (Aufstieg, Fall, Wiederaufstieg, finaler Triumph), doch umso deutlicher macht er mit dieser Struktur auch, dass eventuell als Ungenauigkeiten (fehl-)interpretierte Details sehr wohl gewollt sind – denn selbst wenn das Leben von Freddie Mercury schon ohne kleine dramaturgische Korrekturen Filmpotenzial besitzt, folgt in «Bohemian Rhapsody» alles einem sehr filmischen Plan. Und so ist «Bohemian Rhapsody» eben nicht bloß ein sehr musikalischer (sämtliche großen Hits der Band werden mindestens an-, wenn nicht sogar komplett ausgespielt) und emotionaler Film geworden, sondern auch einer, der einfach verdammt unterhaltsam ist.
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Mehr Musik, weniger AIDS-Drama
Indem das Skript die Leidensgeschichte Freddie Mercurys nur zurückhaltend beleuchtet, lassen sich die vielen Momente auf und hinter der Bühne genießen, gleichzeitig steigt mit fortlaufender Spieldauer auch die Ehrfurcht vor den Leistungen der Band, wenn etwa die Textzeilen einzelner Songs die Ereignisse im echten Leben auf sarkastische Weise zu kommentieren scheinen. Dadurch provoziert «Bohemian Rhapsody» auf ganz subtile Weise immer mal wieder feuchte Augen – gleichzeitig gibt es aber auch viele Szenen, in denen ausgiebig gelacht werden darf. Vor allem die Szenen zwischen Queen und den hinter den Kulissen agierenden Produzenten und Musiklabelchefs gehören zu den ganz großen Highlights des Films; immerhin wissen wir heute sehr genau, wie erfolgreich die Band später wurde – und zwar, obwohl sie sich mit ihrem Stil betont davon wegbewegt hat, was sich im Radio gerade gut verkauft.
- © 2018 Twentieth Century Fox
Er war legendär: Der Auftritt von Queen beim Live-Aid-Konzert im Jahr 1985.
Wenn der von Mike Myers («Terminal – Rache war nie schöner») herrlich abgehoben gespielte Ray Foster den Jungs mit den Worten „Niemand wird Queen hören!“ eine Absage erteilt, dann braucht es keine gezielt auf eine Pointe hinarbeitende Punchline; manchmal ist das Leben selbst eben lächerlich genug. Und «Bohemian Rhapsody» gelingt es, genau das immer wieder hervorzuheben und mit sämtlichen Emotionen zu vermischen, die die Realität für einen bereithält. So entwickelt sich der Film mit der Zeit zu einem Gefühls-Auf-und-Ab. Auf der einen Seite verfolgen die Regisseure den (musikalischen) Triumphzug der Band, lassen das Publikum immer wieder an nachgestellten Konzertauftritten teilhaben, nehmen es mit ins Studio, wo unter unkonventionellen Mitteln neue, die Musikszene prägende Hits entstehen und stellen dem wiederum das Leben Freddie Mercurys gegenüber. Liebe, Leid, Freude, Streit – was Mercury einst nur mit seinen engsten Vertrauten teilt, teilt der Film nun mit uns.
Rami Malek auf Oscar-Kurs
Der 37-jährige Kalifornier Rami Malek, der einigen sicher aus der gefeierten Serie «Mr. Robot» bekannt sein dürfte, hat sich den Duktus, die Gestik und Mimik, den traurig-leeren Blick, aber auch die durch Mercurys Körper während der Auftritte pulsierende Energie so selbstverständlich zu eigen gemacht, dass es an einen Skandal grenzen würde, sollte Malek nicht mindestens für den Oscar nominiert werden. Um ihn herum verkörpern Gwilym Lee («The Tourist»), Ben Hardy («No Way Out – Gegen die Flammen») und Joseph Mazzello («G.I. Joe – Die Abrechnung») die drei Queen-Mitglieder Brian May, Roger Taylor und John Deacon, die von Freddie Mercury jedoch nie in den Schatten gedrängt werden («Wir sind alle Legenden!»). Das wortwörtliche Zusammenspiel funktioniert sowohl auf musikalischer, als auch auf persönlicher Ebene hervorragend. Dasselbe gilt für die Beziehung zwischen Malek und Lucy Boynton («Sing Street»), denen man die innere Zerrissenheit zwischen liebevoller Aufopferungsbereitschaft und dem Wunsch nach Selbstverwirklichung jederzeit abkauft.
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Fazit
«Bohemian Rhapsody» bringt das große Kunststück fertig, aus Menschen, die noch nie Berührungspunkte mit der Band hatten, Queen-Fans zu machen. Und trotz einiger Ungenauigkeiten im porträtierenden Teil, an dem sich allerdings nur Puristen stören dürften, ist der Musikfilm obendrein ein hochemotionales Porträt einer faszinierenden Persönlichkeit, die Rami Malek voller Inbrunst, Leidenschaft und Sensibilität verkörpert. They Will Rock You!
«Bohemian Rhapsody» ist ab Mittwoch, den 31. Oktober bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.
Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
07.11.2018 07:46 Uhr 1
07.11.2018 19:43 Uhr 2
Und für Nicht-Fans wie mich?
Für mich ist der Musikfilm des Jahres "A star is born" mit Lady Gaga und Bradley Cooper.
07.11.2018 21:37 Uhr 3
Vielleicht ergibt sich für Sacha Baron Cohen noch etwas und man bemüht sich um ein Biopic über Freddie.
08.11.2018 14:19 Uhr 4