Die Kino-Kritiker

«25 km/h»: Eidinger und Mädel auf Tour

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Nicht ganz rund, aber sehr unterhaltsam und mit Herz: «25 km/h» schickt zwei entfremdete Brüder quer durch Deutschland.

Filmfacts: «25 km/h»

  • Regie und Produktion: Markus Goller
  • Drehbuch: Oliver Ziegenbalg
  • Darsteller: Lars Eidinger, Bjarne Mädel, Sandra Hüller, Alexandra Maria Lara, Franka Potente, Wotan Wilke Möhriing, Jella Haase, Jördis Triebel
  • Kamera: Frank Griebe
  • Schnitt: Matti Falkenberg
  • Musik: Andrej Melita
  • Laufzeit: 116 Minuten
  • FSK: ab 6 Jahren
Fast 30 Jahre haben sie sich nicht mehr gesehen, doch nun kommt es für die Brüder Christian (Lars Eidinger) und Georg (Bjarne Mädel) zur Wiedervereinigung. Und das ausgerechnet auf der Beerdigung ihres Vaters. Friedlich verläuft das Wiedersehen zunächst nicht: Georg, der in seinem Heimatdorf geblieben ist und sich nach der schweren Erkrankung des nicht immer umgänglichen Vaters um ihn gekümmert hat, ist nämlich stinkwütend auf Christian, der ein erfolgreiches und hoch geschäftiges Businessleben führt und sich daher kaum noch bei der Familie gemeldet hat. Dass Christian jetzt auch noch zu spät zur Trauerfeier erscheint, lässt bei Georg die Hutschnur reißen. Aber nach einer kleinen Kabbelei und viel Alkohol werden die zerstrittenen Brüder im Herzen wieder zu Jugendlichen, die vielleicht mal kurz aufeinander sauer sind, aber schnell wieder in alte, brüderliche Gewohnheiten verfallen.

Im Suff beschließen die beiden Ü-40er schlussendlich, einen alten Jugendtraum nachzuholen und auf Mofas durch Deutschland zu touren. Dabei wollen Christian und Georg alle Regeln und Herausforderungen beachten, die sie sich als Pubertierende für diesen Trip gestellt haben. Und ganz nebenher kommen sich die Beiden während ihrer Spontanreise wieder näher – sie lernen sich gegenseitig als Erwachsene kennen und machen außerdem Erkenntnisse über sich selbst …

Eine episodenhafte Wohlfühl-Roadtrip-Komödie, durch die sich charaktergezogene Dramatik zieht. Das hat Regisseur Markus Goller doch schon einmal gemacht: 2013 gelang der Dramödie «Frau Ella» mit Matthias Schweighöfer und Ruth Maria Kubitschek ein Achtungserfolg. Jetzt, fünf Jahre später, stützt sich «25 km/h» noch intensiver auf das Roadtrip-Element, besteht sogar fast ausschließlich aus der Reise der beiden Hauptfiguren: Goller verplempert nur wenig Zeit, ehe er seine Protagonisten auf ihre mit Kindheitserinnerungen aufgeladenen Mofas packt und quer durch die Bundesrepublik schickt. Es ist eine (praktisch) ziellose Reise, mit einem von den Brüdern vor Jahrzehnten arbiträr abgestecktem Endpunkt und ohne eingangs ausformulierten Anlass.

Es geht nicht darum, ein erstes oder letztes Mal das Meer zu sehen, wie in vielen anderen filmischen Roadtrips, etwa «Knockin' on Heaven's Door» und «Vincent will Meer». Es geht nicht darum, jemanden zu treffen und dabei zufällig eine andere Person kennenzulernen, wie etwa in «303». Christian und Georg wollen "fahren, einfach fahren". Dadurch ist «25 km/h» ein sehr purer Roadmovie, der den Fokus auf die Interaktion zwischen den entfremdeten Brüdern legt, sowie darauf, wie Zufallsbekanntschaften und Zwischenstopps verschiedenster Natur sie verändern. Das nimmt «25 km/h» dramaturgischen Antrieb, wodurch er unverbraucht wirkt. Jedoch hat der Mangel eines antreibenden, offenkundigen Konflikts zur Folge, dass die Qualitätsschwankungen zwischen den einzelnen Passagen umso schwerer wiegen als bei einem geradliniger aufgezogenen Roadmovie.

Sehr kurzweilig ist etwa der Gelegenheitsflirt zwischen den Brüdern und den Freundinnen Ingrid (Alexandra Maria Lara) und Ute (Franka Potente). Die Episode beginnt mit flockigem Dialogwitz, wenn Christian und Georg versuchen, sich unauffällig darüber zu zanken, wie offen heraus sie flirten sollten, mündet in eine von Markus Goller beschwingt eingefangene Tanzsequenz und setzt sich mit ruhigerer, aber auch derberer Situationskomik fort. Das Zusammenspiel zwischen den vier immensen Schauspieltalenten ist natürlich, die komödiantischen Funken fliegen und wie Alexandra Maria Lara als Ingrid ihre spießige Nachbarschaft und den Mond (!) ausschimpft ("Du hast doch auch keine Haltung!"), ist einfach zu köstlich.

Ungelenker ist dagegen ein Berlin-Abstecher geraten, der Christians Hintergrundgeschichte vertieft. Goller verirrt sich in dieser Passage in bildsprachliche Plattitüden und wischt mit Popmusik und Fußball über tiefgreifende interpersonelle Probleme hinfort. Es ist Lars Eidingers Performance zu verdanken, dass diese Passage wenigstens solide bleibt: Obwohl das «25 km/h»-Skript jahrzehntelange Sorgen, Ängste und Nachlässigkeiten innerhalb weniger Augenblicke unglaubwürdig runter bricht, spiegelt Eidingers zerfressene Mimik den inneren Tumult wider, der sich in Christian abspielen müsste, selbst wenn der Handlungsverlauf dies bestenfalls nur anreißt.

Gemeinhin spielt Eidinger in «25 km/h» spitze – genauso wie sein Filmbruder Bjarne Mädel. Beide spielen ihre komödiantischen Stärken aus und ergeben ein sehr unterhaltsames, semi-harmonisches Brudergespann ab – bestehend aus dem augenzwinkernd-schnöseligen Geschäftsmann und dem liebenswerten, sich aber auch unentwegt selbst bemitleidenden Verlierer. Klar, dass beide Brüder Lektionen fürs Leben machen, wobei die Charakterentwicklung unaufdringlich, erratisch und weitestgehend glaubwürdig verläuft. Einen Wohlfühlnachklapp hätte Goller da gar nicht gebraucht – gut, dass er und Autor Oliver Ziegenbalg («Mein Blind Date mit dem Leben») ihn wenigstens kurz und knapp halten.

Von Kameramann Frank Griebe übersichtlich gefilmt und mit einigen bildhübschen Landschaftspanoramen versehen, lassen sich Goller und Matti Falkenberg beim Schnitt wiederholt zu "Schweigerismen" hinreißen: Vereinzelte Szenen werden wie eine Montage präsentiert, inklusive laut aufgedrehtem, zuweilen inhaltlich unpassendem, seichtem Popsong, obwohl sie normal weiterlaufen. So werden einzelne Szenen distanzierter präsentiert, als es der filmische Kontext nahe legen würde. Das trübt den Gesamteindruck. Goller wirft in diesen Fällen seinen im Großteil des Films unaffektierten Inszenierungsstil über den Haufen, um Frühstücksflockenwerbeästhetik zu bemühen. Vielleicht herrschte der Gedanke vor, das Publikum bräuchte das – wenn dem so war, ist das bedauerlich. Es sind zwar nur kurze Augenblicke, trotzdem bringen sie die Mofa-Motoren von «25 km/h» wiederholt zum Stottern.

Fazit: Trotz vereinzelter Stolperschwellen ist «25 km/h» ein spaßiger Roadmovie mit einem tollen Ensemble und einer kurzweiligen Mixtur aus Slapstick, Sinnkrise und Situationskomik.

«25 km/h» ist ab dem 31. Oktober 2018 in vielen deutschen Kinos zu sehen.

Kurz-URL: qmde.de/104859
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