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Und so richtig weg ist er nicht, dieser durchtriebene, rücksichtslose Frank Underwood. Einerseits lebt er in seiner ebenso kühlen wie kalkulierten Witwe weiter, andererseits steht ihre Präsidentschaft zunächst komplett im Schatten der Missetaten ihres Mannes, im Zuge derer sie nicht nur von großen Teilen der Öffentlichkeit, sondern auch von vielen einflussreichen Weggefährten der letzten Staffel, als Komplizin mindestens vermutet wird. Dass Claire Underwood zu Beginn der Staffel mit dem Rücken zur Wand und für viele Beobachter ganz unter der Fuchtel ihres mit allen Wassern gewaschenen Vize-Präsidenten Mark Usher steht, ist Teil des großen Plans der Serie, aus der Not um den abwesenden Frank Underwood eine Tugend zu machen und eine Art feministisches Plädoyer mit der neuen starken Frau der USA zu halten.
Eine Finalstaffel als feministisches Plädoyer
Der traut nämlich zu Beginn ihrer Regentschaft kaum jemand etwas zu. Claire Underwood ist nicht nur die erste Präsidentin der USA, der Traditionalisten schon aufgrund ihres Geschlechts die Eignung absprechen. Sie ist für viele auch die Hinterbliebene eines verbrecherischen Machthungrigen, die zuvor auf höchst zweifelhafte Art und Weise verschiedenste Ämter bekleidete, weil sie einen Teil der Macht von ihrem Mann einforderte. Natürlich steckt in Claire Underwood insgeheim viel mehr als das.
Das zu beweisen, ist ihr Ziel in Staffel sechs. Sie wischt ihrem auf zwei Partys tanzenden Vize-Präsidenten eins aus, einer Oligarchen-Familie, ihrer rechten Hand Jane und überhaupt allen, die um ihre finsteren Geheimnisse wissen und einer wirklich bedeutenden Amtszeit im Wege stehen könnten. Die Anzahl an Leichen, die auf das Konto der Underwoods gehen, nimmt dabei mittlerweile eine schwindelerregende Höhe an, die allmählich jeglicher Glaubwürdigkeit entbehrt. Nur Journalist Tom Hammerschmidt (Boris McGiver), der immer noch an den Fersen von Claire und Doug Stamper (Michael Kelly) hängt, der ehemaligen rechten Hand von Frank Underwood, scheint sich dafür zu interessieren, dass immer mehr Leute im Dunstkreis des Weißen Hauses verunfallen.
Payback-Time für die konsequent fortgeschriebene Claire Underwood
Facts zur sechsten Staffel von «House of Cards»
- Erscheinungsdatum: 2. November 2018
- Episodenzahl: 8 (statt zuvor 13)
- Laufzeit: 45-53 Minuten
- Produktion seit: Oktober 2017
- Darsteller: Robin Wright, Michael Kelly, Campbell Scott, Patricia Clarkson, Derek Cecil, Greg Kinnear, Diane Lane, Boris McGiver, Jayne Atkinson u.w.
- Produktion: Netflix
- Deutschlandpremiere: Sky
Die schlechte Nachricht muss an dieser Stelle lauten: «House of Cards» endet keinesfalls auf einem qualitativen Höhepunkt. Doch es gibt auch eine gute: Robin Wright als Claire Underwood ist ihrer Rolle als neuer Anker der Serie absolut gewachsen. Schon seit Tag eins kennzeichnete die schon bald nicht mehr so geheime Geheimwaffe der Netflix-Produktion. Dass ihr außerhalb des Weißen Hauses keiner traut und sie darin keiner respektiert, verschafft der Figur nun die nötige Freiheit für den großen Rundumschlag. Ist der Ruf erst ruiniert… und so weiter.
- © Netflix
Das Yin zu Claire Underwoods Yang fehlt mit Spacey, dessen Charakter zu Emotionsausbrüchen neigte, während seine Frau diese um jeden Preis verhinderte. Wie «House of Cards» ihre Figur weiterführt, ist aber nur konsequent, denn sie wird nicht zu Kevin Spacey light. Claire Underwood strebt mit einem durchdachten Plan die Isolation von allen externen Einflussfaktoren an, um so ihre Aufgaben als Präsidentin ungehindert erfüllen zu können. Das passt zu ihrer Figur, die seit jeher menschliche Interaktion eher als lästige Notwendigkeit empfand. Eine Serienfigur bringt es auf den Punkt: „Ich weiß nicht, ob Claire Underwood ein Mensch ist oder nur einen spielt.“
Die Emanzipation von Spacey misslingt
So wäre «House of Cards» mit Kevin Spacey geendet
Im Nachhinein erklärten die Macher, was sie in Staffel sechs vorgehabt hätten, wäre Kevin Spacey nicht gekündigt worden. Auch ohne die Spacey-Affäre hatten die Autoren vor, Claire in Staffel sechs die Kontrolle übernehmen zu lassen, was das Ende der fünften Staffel bereits andeutet. Frank und Claire Underwood hätten sich darum gestritten, wer dem Publikum seine Geschichte erzählen darf, während sie sich um den Besitz des Weißen Hauses duellieren.Wenn die acht statt der üblichen 13 Folgen vorbei sind, kommt Zuschauern die traurige Erkenntnis: auch wenn Claire Underwood alles dransetzte, sich von ihrem Mann zu emanzipieren, die Autoren konnten es nicht. Immer wieder sucht der Geist von Frank Underwood Claire heim, schwebt der Spacey-Charakter über den Dingen, weil er und seine Taten immer wieder thematisiert werden. Es wirkt, als sei das «House of Cards»-Team etwas ratlos gewesen, wie sich die Serie wirklich hätte neu erfinden können, ohne so verzweifelt an der Vergangenheit zu hängen. Diese wurde freilich von Kevin Spacey dominiert und ein absoluter Verzicht fällt ungemein schwer. Diese große Serie, der erste wirkliche Hit von Netflix, hätte aber mehr verdient gehabt, als Opfer seines Personals zu werden. Wie der Geist von Frank Underwood Claire heimsucht, sucht Spacey nun in gewisser Weise die Produktion heim, die ihm in den vergangenen Jahren zum erneuten großen Glanz verholfen hatte.
«House of Cards», die finale Staffel, läuft linear freitags ab 22 Uhr bei Sky Atlantic und steht ab sofort bei Sky On Demand zum Abruf bereit.
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05.11.2018 20:41 Uhr 1