Filmfacts: «Nur ein kleiner Gefallen»
- Regie: Paul Feig
- Produktion: Paul Feig, Jessie Henderson
- Drehbuch: Jessica Sharzer, basierend auf dem Roman von Darcey Bell
- Darsteller: Anna Kendrick, Blake Lively, Henry Golding, Andrew Rannells
- Musik: Theodore Shapiro
- Kamera: John Schwartzman
- Schnitt: Brent White
- Laufzeit: 117 Minuten
- FSK: ab 12 Jahren
Stephanie Smothers (Anna Kendrick) ist eine quirlige, naive Single-Mom, die einen eigenen YouTube-Channel betreibt, auf dem sie Rezepte verrät, Erziehungs- sowie Basteltipps gibt und ein wenig aus ihrem Leben plaudert. Zudem ist die junge Witwe völlig übermotiviert, weshalb die Eltern der anderen Kinder aus der Klasse ihres Sohns Miles häufig hinter Stephanies Rücken über sie herziehen. Eines Nachmittags begegnet Stephanie jedoch der stets hochelegant gekleideten, determiniert-schroffen Emily (Blake Lively). Die wohlhabende PR-Managerin einer angesehenen Modefirma wird Stephanie "verschlingen", schwören die restlichen Eltern, als sie erkennen, wie schnell Stephanie der zackige Kommandos verteilenden, weltlichen Emily verfällt. Sie lädt sie zu Mittagsmartinis ein, entlockt ihr düstere Geheimnisse und lässt die Mom-Vloggerin vom Leben der Reichen kosten. Und dann, eines Tages, bittet Emily ihre neue Bekannte um einen kleinen Gefallen. Sie soll kurz auf ihren Sohn aufpassen. Danach ist Emily wie vom Erdboden verschluckt …
Paul Feig vermengt mit zielsicherer Hand zwei prägende, filmische Einflüsse, um den Stil seines gewitzten Thrillers zu finden: Mit einem durch Saul Bass inspirierten Vorspann, internationalen Evergreens voller Attitüde und Emilys geräumigen, geschmackvoll eingerichteten Loft weckt Feig Assoziationen zu den distinguierten, modischen Thrillern der 1960er-Jahre wie etwa «Charade». Die Instrumentalmusik des Komponisten Theodore Shapiro ahmt derweil die synthetisch-eisige Klangwelten nach, die Trent Reznor und Atticus Ross für «Gone Girl» erschaffen haben und die seit David Finchers Spitzenthriller oft kopiert wurden. Shapiro ist jedoch kein schaler Trittbrettfahrer, sondern verleiht seiner Reznor-Ross-Hommage in der Instrumentierung eigenes Flair.
Generell ist «Nur ein kleiner Gefallen» zwar nicht inhaltlich, sehr wohl aber tonal ein verdrehtes «Gone Girl». Während David Finchers Gillian-Flynn-Adaption primär auf Suspense setzt, die packende Story jedoch mit satirischen Seitenhiebe auf Medien, das US-Rechtssystem und die gesellschaftlichen Erwartungen an Ehepaare unterfüttert, ist Feigs «Nur ein kleiner Gefallen» durchweg gewitzt – wobei der Witz eingangs durch die süffisanten Dialoge entsteht und nach und nach auch der Plot zur Gagquelle wird. Trotzdem spinnt Feig durch seine Aufmachung und die Haken schlagende Erzählung einen packenden dramaturgischen Bogen. Dieser diffizile tonale Balanceakt gelingt in erster Linie, weil das gesamte Ensemble den mit zunehmender Laufzeit immer absurderen Filmstoff mit völliger Selbstverständlichkeit und schnurgerade heraus spielt. Kein Augenzwinkern, kein Sarkasmus, sondern geradlinige Performances in einer völlig überhöhten Realität.
Anna Kendrick gibt sogar eine ihrer besten Schauspielleistungen ab. Mit einer wunderbaren Beiläufigkeit lässt sie ihre Rolle, die gekünstelt-freundliche und daher auf einer unterschwelligen Art gruselige Mommy-Vlogger persifliert, solche spitzzüngig geschriebene Sätze sagen wie: "Ich werde nie die Trennung zwischen Hausfrauen und Geschäftsfrauen verstehen – man kann doch mit Beidem befreundet sein!" So lustig-überspitzt Stephanie geschrieben ist, erdet Kendrick sie genug, dass sie als Protagonistin in dieser wahnsinnigen Suspensestory funktioniert. Und sie legt Stephanie so an, dass sie als Heldin, Opfer und Schurkin glaubwürdig wäre, so dass der weitere Storyverlauf unklar bleibt. Wenn die Handlung beginnt, fast schon im Fünf-Minuten-Takt Haken zu schlagen, ist dies aufgrund der schieren Übertreibung zwar sehr unterhaltsam, trotzdem bleibt ein Körnchen der Plausibilität vorhanden, da Stephanie jede der angedeuteten Rollen im Plot zuzutrauen ist.
Blake Lively derweil darf als kultivierte, arrogante, enigmatische Frau auftrumpfen, die Neid, Staunen und auch Mitleid erzeugt. Ein echter Hingucker sind ihre beeindruckenden Kostüme, die sich vor dem alten Hollywood verneigen, als Frauen wie Marlene Dietrich in Hosenanzügen Geschlechterrollen aufgebrochen haben. So raffiniert die Kostüme und das Produktionsdesign von «Nur ein kleiner Gefallen» sind, ist die Kameraarbeit leider eine kleine Enttäuschung: Feig und Kameramann John Schwartzman («Das Vermächtnis des geheimen Buches») illustrieren das Geschehen in überbelichteten Bildern, was dem Film einen klinischen Look mitgibt, statt entweder den Stil seiner 60er-Inspirationen oder Finchers Thrillern in kleinerem Rahmen zu emulieren. Da kann «Nur ein kleiner Gefallen» nur neidisch auf die Bildästhetik des Comedy-Thrillers «Game Night» starren.
Das und der Schlussakt, der entweder zu dick aufgetragen ist oder noch nicht dick genug, in gegebener Form aber im Niemandsland landet, trüben ein wenig den Gesamteindruck. Dessen ungeachtet ist Paul Feigs schelmischer Thriller eine sehenswerte Fingerübung mit tollen Schauspielleistungen seiner beiden Hauptdarstellerinnen und umwerfendem Kostümdesign.
«Nur ein kleiner Gefallen» ist ab dem 8. November 2018 in vielen deutschen Kinos zu sehen.
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07.11.2018 13:14 Uhr 1