Cast & Crew
Vor der Kamera:Anneke Kim Sarnau als Katrin König
Charly Hübner als Alexander Bukow
Uwe Preuss als Henning Röder
Andreas Guenther als Anton Pöschel
Josef Heynert als Volker Thiesler
Klaus Manchen als Guido Wachs
Hildegard Schmahl als Ursula Stöcker
Hinter der Kamera:
Produktion: Filmpool Fiction GmbH
Drehbuch: Eoin Moore (auch Regie) und Anika Wangard
Kamera: Florian Foest
Produzentin: Iris Kiefer
Bei den Kollegen ist aber Katrin König das Arschloch: Schließlich hat sie mit ihrem doofen schlechten Gewissen und einem vollumfänglichen Geständnis die juristische Aufarbeitung ihrer Tat erst losgetreten – eine unnötige Beschmutzung der Rostocker Polizei und ihrer Mitarbeiter. Der einzige Tatzeuge, Kollege Bukow, hätte ja nur zu gern ein paar Straftaten begangen, damit das alles niemals rauskommt.
Aber nein: „Irgendwann muss man sich eben die Frage stellen: Is‘ man wirklich ein Teamplayer oder is‘ man keiner?“, gibt ihr ein Kollege als Grund mit auf den Weg, warum sie nun das Ziel von Spott und Häme ist. Das besonders Schlimme daran: Dieser Film kritisiert das nicht. Er findet das irgendwie toll. Ein schöneres Plädoyer für mehr Corpsgeist in Behörden, die traditionell immense Probleme mit Corpsgeist haben, hätte er nicht sein können.
Seine Widmung – „Für Janina“ – bezieht sich indes auf einen seit dreißig Jahren ungeklärten Mordfall. In den letzten Monaten vor der Wende war die junge Janina auf dem Rückweg von einem Ostberliner Bruce-Springsteen-Konzert (ja, das gab es wirklich!) vergewaltigt und ermordet worden. Kommissar Röder (Uwe Preuss) – heute natürlich immer noch im Dienst – hatte damals Guido Wachs (Peter Trabner) als Täter ausgemacht. Über ein Jahr lang saß der Mann in Untersuchungshaft – unschuldig. Denn ein Gericht sprach ihn schließlich vom Tatvorwurf frei. Seitdem lebt er als unbescholtener Bürger im Rostocker Umland, hat Frau und Kinder und ist glücklich.
Doch weil Janinas Mutter auch nach dreißig Jahren noch nicht aufgibt und als ehemalige Volkspolizistin ohnehin zur Polizeifamilie gehört, nehmen sich König, Bukow und Kollegen ein weiteres Mal des Falles an. Nach einigen Sackgassen ist für sie klar: Guido Wachs war’s doch. Da der Mann jedoch rechtskräftig freigesprochen wurde, kann er deswegen nicht verhaftet, geschweige denn erneut angeklagt werden. Ein Mörder und Vergewaltiger bleibt frei – vor allem für König ein unerträglicher Ausgang: „Ich will Gerechtigkeit herstellen“, verkündet sie stolz und widerborstig.
Deshalb wendet die Rostocker Polizei nun Methoden an, die man zu DDR-Zeiten wohl „Zersetzung“ genannt hätte und die im Großen und Ganzen etwa der Vision entsprechen, die der baldige rechtsradikale Präsident von Brasilien für den Polizeiapparat seines Landes hat: Sie brechen in das Haus des Beschuldigten ein, bedrängen ihn, versuchen ständig, ihn in eine Falle zu locken, nötigen ihm – auch unter Androhung körperlicher Gewalt – Geständnisse ab, geben rechtswidrig Ermittlungsergebnisse an sein unmittelbares Umfeld weiter und stacheln die Mutter des Opfers an, ihn von seiner Familie zu entfremden. Als gar nichts mehr geht, beschließt König, ihm einfach ein anderes Verbrechen anzuhängen, für das der Mann als Täter prinzipiell infrage käme. Ob er die Tat tatsächlich begangen hat, weiß man nicht. Es interessiert auch nicht mehr. Hauptsache, er kommt hinter Gitter, egal wie.
Das weckt düstere Erinnerungen: Vom Präsidenten des Volksgerichtshofes Roland Freisler ist die Anekdote überliefert, er habe während einer Verhandlung mal das Strafgesetzbuch weggeschleudert und angekündigt, den Angeklagten auch „ganz ohne Gesetz“ zu verurteilen. Sieht man sich an, was Katrin König und Badass Bukow in diesem Film so treiben, wird einem bei diesem Kontext schwummrig.
- © NDR/Christine Schroeder
Andreas Guenther als Anton Pöschel.
Diese inhaltliche Konsequenz will der Film natürlich so weit wie möglich umgehen, wenn nicht gar völlig dreist negieren. Zu diesem Zweck emotionalisieren die Autoren den Fall so stark wie sie können, verlassen dabei jedoch nicht den Konflikt um Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit: Als König ihrem Kollegen gesteht, DNA-Spuren manipuliert zu haben, um Guido Wachs eine weitere Vergewaltigung anzuhängen, ist der entsetzt – nicht nur, weil er (korrekt) konstatiert, dass es König eher um Selbstgerechtigkeit geht statt einer tatsächlichen Aufklärung des Sachverhalts, sondern weil ihre impulsive kriminelle Energie auch seine Rolle in Gefahr bringt: Badass Bukow hat schließlich immer die (mehr oder weniger) gesetzestreue König gebraucht, um „in der Spur“ zu bleiben – und bei der Ausübung seines Amtes nicht völlig in die Kriminalität abzudriften.
Weiter als zu dieser im Kern lächerlichen Gegenüberstellung will dieser Film thematisch nicht gehen – und in anderen Passagen werden Bedenken und Gewissensbisse noch deutlich didaktischer wegdialogisiert. Die Sympathie von „Für Janina“ bleibt bei seinen kriminellen Polizisten. In Zeiten, in denen rechtsstaatliche Institutionen unter Druck stehen und nahezu wöchentlich erschreckende Enthüllungen über die internen Vorgänge von Polizei- und Verfassungsschutzbehörden publik werden, muss einem bei diesem Film mulmig werden – nicht zuletzt wegen der erschreckenden Verachtung für rechtsstaatliche Prinzipien, die aus jeder seiner Poren quillt und die öffentlich-rechtliche Autoren, Produzenten und Redakteure offenbar blind durchgewinkt haben.
Das Erste zeigt «Polizeiruf 110 – Für Janina» am Sonntag, den 11. November um 20.15 Uhr.
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