Die Kritiker

«Nachtschicht - Es lebe der Tod»

von

Die neue Folge der «Nachtschicht» ist der schrägste Krimi des Jahres. Armin Rohde und Tedros Teclebrhan stolpern durchs Rotlicht-Milieu samt stockdoofen Puffbetreibern und herzschwachen Freiern.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Barbara Auer als Lisa Brenner
Armin Rohde als Erichsen
Minh-Khai Phan-Thi als Mimi Hu
Tedros Teclebrhan als Elias Zekarias
Roland Koch als Johnny de Groot
Almila Bagriacik als Zora Hagopian
Natalia Wörner als Anita de Groot

Hinter der Kamera:
Produktion: Network Movie Film- und Fernsehproduktion
Drehbuch und Regie: Lars Becker
Kamera: Andreas Zickgraf
Produzenten: Wolfgang Cimera und Bettina Wente
Der schon etwas in die Jahre gekommene Möbelhausbetreiber Johnny de Groot (Roland Koch) verbringt seine Abende am liebstem im Puff – vorzugsweise mit Zora (Almila Bagriacik), „so ‘nem Mädchen aus Armenien“, wie ihre Arbeitgeber sie liebevoll nennen. Johnny verspricht seiner Nutte schon seit geraumer Zeit, sie irgendwann aus dem Bordell rauszuholen. Bisher wartet sie auf konkrete Maßnahmen jedoch vergeblich – und wie es aussieht, wird daraus auch nichts mehr. Denn Johnny versagt beim Knattern das Herz und er sackt leblos über dem jungen Körper der kaukasischen Sexarbeiterin zusammen. Es gab schon ästhetischere Eröffnungssequenzen.

Im Schock löst Zora sofort Alarm aus. Dafür stauchen sie die intellektuell schwerfälligen Puff-Betreiber erst einmal zusammen: Denn wenn die Polizei eintrifft und wegen eines ungeklärten Todesfalls Ermittlungen aufnimmt, wird das tagelang den Betrieb lahmlegen. Schlecht für’s Geschäft. Sie tun also das einzig Logische – und spielen «Weekend at Bernie’s» nach: Der alte Sack wird wieder angezogen und vor einen Drink an die Bar gesetzt, so als wäre nichts gewesen.

Die Polizei, angeführt von Erichsen (Armin Rohde) und Neuling Elias Zekarias (Tedros Teclebrhan), ist natürlich doof genug, um auf den uralten Trick reinzufallen. Zusammengesackte alte Männer an Puff-Bars, die keinen Ton mehr rausbringen – das scheint in ihrem Einzugsgebiet ein völlig alltäglicher Anblick zu sein. Die Bullen ziehen wieder ab, an der Nase herumgeführt von zwei Gangstern, die zu dumm sind, einen Eimer Wasser auszuleeren.

Erst als de Groots Frau Anita (Natalia Wörner) viele Stunden später eine Vermisstenanzeige aufgibt, klingelt es bei den Hamburger Keystone Kops. Zurück im Puff kann sich natürlich niemand an irgendetwas erinnern – und Johnnys lebloser Körper ist längst von der Bar gekratzt worden. Sexarbeiterin Zora ergreift hastig die Flucht, die beiden unterbelichteten Bordellbetreiber werden festgenommen.

Zu diesem Zeitpunkt haben sie das, was von Johnny de Groot noch übrig war, schon in den Wald gefahren, um dort seine Leiche zu vergraben – wie man das im Milieu halt so macht. Bis sie feststellten, dass die Leiche gar keine Leiche war: Plötzlich öffnet Möbel-Johnny unverhofft die Augen, steht auf und uriniert an einen Baum. Leiche entsorgen? Nein, danke, das hat sich erledigt. Autor und Regisseur Lars Becker scheint nicht nur Fan von «Weekend at Bernie’s», sondern auch von einer der schlechteren «Scary-Movie»-Parodien zu sein.

Puffgänger Johnny muss trotzdem dran glauben: Er hatte – immer ein unkluger Schritt, wenn man sich mit Ganoven allein im Wald aufhält – angefangen, die Gangster zu erpressen und von ihnen verlangt, dass sie seine Armenieren freigeben. Ein paar Kugeln im Leib später war er nicht mehr so vorlaut – und ein zufällig in der Nähe hockender Vogelkundler um eine schmissige Anekdote reicher, die sich vielleicht sogar zu Geld machen ließe.

Bei diesem Handlungsabriss stellt sich eine entscheidende Frage, von der auch jede inhaltliche Bewertung dieser kruden neuen «Nachtschicht»-Folge abhängt: Ist die Komik tatsächlich auch im Einzelfall so gewollt gewesen – oder das Resultat des völligen Scheiterns, eine ernsthafte Geschichte mit komödiantischen Nebensächlichkeiten aufzulockern? Etwas härter formuliert: Wollte man die «Nachtschicht» in dieser Folge bewusst der Lächerlichkeit preisgeben – oder geschah das bei dieser Selbst-Parodie unfreiwillig?

Wir wollen einmal vom für die Macher günstigeren Fall ausgehen – und tatsächlich deuten das verschmitzte Spiel der Episodendarsteller (wenn auch nicht der griesgrämig-finstere Blick von Barbara Auer) und die besondere Freude am Absurden, die das Drehbuch offensichtlich bereits in einem frühen Stadium erreicht hat, in diese Richtung. Ist diese Unterstellung korrekt, will man auch vor dem manchmal müden Klamauk und den allzu überdrehten Kuriositäten den Hut ziehen: Denn Krimis mit Selbstironie, die sich nicht damit begnügen, „ungleiche Ermittlerpaare“ oder intellektuelle Sonderlinge auf die Zuschauer loszulassen, sieht man im öffentlich-rechtlichen Mitknobelbetrieb nicht alle Tage – besonders nicht, wenn sie wie „Es lebe der Tod“ das eigene Genre und die sehr spezielle Machart deutscher Fernsehfilme persiflieren.

Mit den dämlichsten Verbrechern seit «Fargo» und Tedros Teclebrhan als neuem Straight Man (angesichts seines Frühwerks mag man es kaum glauben), ist der «Nachtschicht» hier ein nettes Schelmenstück gelungen. Wenn es denn so intendiert war.

Das ZDF zeigt «Nachtschicht – Es lebe der Tod» am Montag, den 12. November um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/105125
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