Cast und Crew
- Regie: Philipp Kadelbach
- Drehbuch: Eva Kranenburg
- Produktion: Oliver Berben, Sarah Kirkegaard
- Darsteller: Friederike Becht, Wotan Wilke Möhring, Christian Friedel, Natalia Belitski, Ken Duken, August Diehl, Trystan Pütter, Juergen Maurer, Valerie Stoll, Julius Nitschkoff, Franziska Brandmeier, Oskar Belton, Albrecht Felsmann, Marc Hosemann, Susanne Wuest
- Kamera: Jakub Bejnarowicz
- Schnitt: Bernd Schlegel
- Musik: Fabian Römer, Michael Kadelbach
Deutschland. Niederrhein. Die Gegenwart. Sängerin K wird tot aufgefunden. Im Swimmingpool ihres Hauses. Nackt, mit kahl rasiertem Schädel und tiefen Schnittwunden. Unter den Achseln. Im Intimbereich. Profilerin Nadja Simon nimmt sich dem Fall an, soll herausfinden, was der alleinerziehenden Mutter widerfahren ist. Zunächst spekuliert die Expertin für Sexualstraftaten, es handle sich um einen perversen "Trophäenmord". Dem widerspricht der leitende Staatsanwalt Grünberg, mit dem Nadja ein heimliches Verhältnis hat. Ein Autoritätskonflikt schwillt an. Aber dank Grünbergs Theorien weht auch der Duft einer verlockenden Spur durchs Lande: Er glaubt an einen Täter aus dem Umfeld der Toten.
So rückt die ehemalige Jugendclique des Opfers in den Fokus der Ermittlungen: Moritz, Roman, Elena, Butsche und Zahnlos, fünf Menschen, die vieles vereint. Gemeinsame Erfahrungen an einem katholischen Internat. Die Liebe zu Patrick Süskinds Roman «Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders». Die Mitgliedschaft in einem vor über zwanzig Jahren gegründeten, geheimen Club. Die dort im jugendlichen Wahn betriebene Suche nach Macht und Liebe. Jugendexperimente rund um das Geheimnis des menschlichen Dufts. Stetige Versuche, ihren Geruchssinn zu perfektionieren und Gerüche einzufangen. Und noch etwas eint die Fünf: Sie haben als Erwachsene zerrüttete Liebesleben. Hat einer von ihnen K geopfert, um frühere Versuche wiederzubeleben?
Kranenburg mutet dem Publikum viel zu. Wie sie auch im Quotenmeter.de-Interview erklärt hat, spielt ihre «Parfum»-Erzählung in einer überhöhten Realität. In einer Dystopie, in der die Fähigkeit zu lieben denkbar rar gesät ist. Weder die Ermittler, noch die fünf Ex-Internatsschüler sind sonderlich ansprechende Zeitgenossen. Schroff, distanziert, abgestumpft. Kranenburg verzichtet auf einen Publikumsavatar, eine "normale" Person, die irritiert und mit Herzenswärme durch diese kalte, kalte Welt stapft. Die Autorin steigt tief in die menschlichen Abgründe hinab, lässt uns haarklein an den Macken und vor allem an der Leere der handelnden Figuren teilhaben. Ihr «Parfum» ist ein Slowburner, die Geschichte wird, um etwas dick aufzutragen, nicht erzählt. Dieses «Parfum» breitet sich im Raum der sechs rund einstündigen Episoden aus.
Obwohl alle relevanten Figuren eine eigene Persönlichkeit entwickeln und die einzelnen Episodenplots eine packende Gesamtstory ergeben, eine über Liebe, Verrat, Mord und Sehnsüchte, ist «Parfum» nur sekundär ein vom Plot getragener Serienthriller. Kranenburg und der mit einem International Emmy prämierte Regisseur Philipp Kadelbach («Unsere Mütter, unsere Väter») legen das Hauptaugenmerk auf die Atmosphäre. Es ist eine Serie, die ihr Publikum einnebelt, die Leid, Herzlosigkeit, Traumata und Psychospielchen verströmt. Schalte aufgrund des Titels ein, fühl dich von der Mördersuche abgeholt, bleibe für das kunstvolle Elendsgefühl.
«Parfum» ist dennoch nicht sperrig, nicht unzugänglich. Kranenburg steckt ihren Abstieg in die niederrheinische Hölle mittels Fragen ab, die sowohl die Geschichte als auch das Element der Charakterstudie sowie der (pessimistischen) Gesellschaftsskizze lose in kleine Etappen unterteilt. Die Miniserie «Parfum» ist andersartig, teils experimentell, behält gleichwohl eine Krimikomponente bei, die sie familiär macht. Es kommen stets neue Fragen auf, die sukzessive beantwortet werden und so neue Fragen entstehen lassen. Wer war K als Mensch? Wer ist der Vater ihres Kindes? Was geschah zwischen ihr und der Fünfer-Clique? Gehören die bizarren Experimente der «Das Parfum»-Fanatiker wirklich der Vergangenheit an? Wer von ihnen wäre bereit, über Leichen zu gehen?
- © ZDF / Jakub Bejnarowicz
Serienautorin Eva Kranenburg: " Ich habe die Serie bewusst an den Niederrhein gelegt, wo es sehr leere Landschaftsstriche gibt. Akkurat-horizontale Ackerflächen, schnurgerade Straßen und Flüsse, niedrige Architektur … Auch das ist eine Form von Leere, ein Entzug der visuellen Informationen."
Eingefangen wird dies in kränklich vergilbten, in Tagszenen verblichenen, in Nachtszenen kräftig-dunklen Bildern. Kameramann Jakub Bejnarowicz und Regisseur Kadelbach setzen auf eine ruhige, starre Kameraführung. Weg mit der unsteten Handkamera, her mit statischen Totalen, Halbtotalen und Halbnahaufnahmen, die Raum geben, die Mimik klar einzufangen und viel Gestik festzuhalten. Die intensiv betonte Ruhe in der Kameraführung verstärkt das Gefühl der Leere, dass die Figuren und die Schauplätze erfüllt. Kadelbach verwehrt uns Bildinformationen. Die Acker sind starr, die Bäche flach und geradlinig, die Straßen schmal und arm an Kurven, und dann steht die Kamera auch noch wie festgewurzelt in der Szenerie. Die Komponisten Fabian Römer und Michael Kadelbach untermalen dies mit effektiver, wenngleich eher uncharakteristischer Suspensemusik.
Getragen wird «Parfum» selbstredend auch vom großen, fähigen Ensemble. Dazu zählen Wotan Wilke Möhring als zweigesichtiger Staatsanwalt, ein unberechenbarer Ken Duken, August Diehl als entrückter, obsessiver Parfümeur, Friederike Becht in der Rolle einer stets bemüht ihr Verhalten an die Situation anpassende Ermittlerin und Natalia Belitski als schwer traumatisierte Frau, deren Leben durch einige von Ks früheren Verehrern in deprimierende Bahnen gelenkt wurde.
Sicherlich wird «Parfum» mit diesen Figuren als Mittelpunkt der Erzählwelt die eine oder Debatte im Publikum auslösen. Die Kollegen von der 'Zeit' seufzten bereits, schüttelten den Kopf über das, was sie als das Frauenbild der Serie ausgemacht haben. Jedoch darf man das Weltbild der handelnden Figuren nicht sogleich als das Frauenbild der Serie auffassen. Ja, es geht unter anderem um einen Frauenmord mit Leichenschändung, um einen Bordellbetreiber, der seine Schützlinge einreitet, und eine Frau, die einen abartigen Peiniger aus ihrer Jugend geheiratet hat und weiter von ihm erniedrigt wird. Doch «Parfum» ist entgegen aller Morbidität und Gefühlskälte geschmackvoll inszeniert, gestattet sich niemals den fasziniert-voyeuristischen Blick auf Gewaltakte und sexuelle Demütigung.
Kranenburg und Kadelbach setzen auf Ellipsen in Erzählung und Inszenierung, lassen oftmals die Gewalt völlig aus, zeigen dafür umso unbeschönigter das danach. Verstümmelte Leichen. Dreck. Verlorene Blicke. Das zitternde, Tränen unterdrückende, vom Glauben abgefallene Gesicht einer beschämten, jungen Frau, die in einer männerzentrischen, erzkatholischen Welt aufgewachsen ist und daher sich die Schuld dafür gibt, was ihr soeben angetan wurde. «Parfum» glorifiziert keine Verbrechen. Keine Geschmacklosigkeiten. Keinen Psychoterror gegen Frauen. Aber der Serie ist bewusst, dass es so etwas gibt – und sie behandelt es intensiv. Kein "Ach, jedes Verbrechen ist eine rare Ausnahme, die lustige Ermittlerteams flott auflösen und so für Gerechtigkeit sorgen"-Sonntagskrimiduktus. Nur die Erkenntnis: Der Mensch kann ein abscheuliches Tier sein – ganz gleich, wie intellektuell dieses Tier auftreten kann.
«Parfum» ist ab Mittwoch, dem 14. November 2018, um 22 Uhr bei ZDFneo zu sehen. Ab dann sind zudem alle Folgen in der ZDF Mediathek abrufbar, die Ausstrahlung im ZDF erfolgt Anfang 2019.
Es gibt 0 Kommentare zum Artikel