Interview

Thilo Mischke über sein «Uncovered»: ‚Wir sind das «Auslandsjournal» für die junge Zielgruppe‘

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Sechs neue Episoden der ProSieben-Reportage laufen am neuen Info-Dienstag des Senders. Mit uns sprach der Journalist über die Angst vor dem Tod, das größte Problem in Deutschland und den Darien Gap, eine Flüchtlingsroute, die kaum einer kennt.

Zur Person: Thilo Mischke

Journalist Thilo Mischke, geboren 1981, arbeitete schon für Die Zeit und VICE, außerdem war er für den Stern und den Focus tätig. 2012 war er im TV gemeinsam mit Paula Lambert zu sehen: «Unter fremden Decken – Auf der Suche nach dem besten Sex der Welt» hieß seine Produktion. Es folgten Engagements bei «Heiß & fettig». 2014 folgte ein Glashaus-Experiment für «Galileo», seit 2016 läuft «Uncovered»
Sechs weitere Episoden von «Uncovered» stehen ab Dienstag an. Nach Drogentrips, Reisen in Kriegsgebiete und die Welt des organisierten Verbrechens. Welche Themen erwarten uns diesmal?
Grundsätzlich wird sich die Sendung in ihrer dritten Staffel nicht verändern. Wir sind quasi weiterhin das «Auslandsjournal» für die junge Zielgruppe. Wir haben uns diesmal allerdings noch mehr Zeit genommen und sind die Themen auch anders angegangen. Plus: Wir versuchen immer, einen Bezug zu Deutschland und damit zum Leben der Zuschauer herzustellen. Früher waren wir zum Thema Drogen mal in drei Ländern unterwegs, diesmal werden wir spezifischer. Wir haben eine Folge, in der es um die Arbeit der Bundeswehr in Mali geht. Wir haben das Camp und die Soldaten dort besucht, wir sind aber auch rausgegangen - wohl gemerkt ohne Schutz. Wir wollten hier frei sein – etwas, das fast schiefgegangen wäre, wie man in der Folge sieht.

Wir haben eine Stunde Zeit, um den Menschen ein Thema ganz nahe zu bringen. Wir waren auf einem Kreuzfahrtschiff unterwegs, blicken dort hinter die Kulissen. Wir befassen uns mit der „Ware Mensch“ und auch mit der Ausbeutung seiner Arbeitskraft. Und es wird auch ein Herzensprojekt von mir dabei sein. Es gibt eine kleine Flüchtlingsroute, die man Darien Gap nennt, die quer durch den Dschungel verläuft. Mich hat das sehr interessiert. Ich habe mit Flüchtlingen gesprochen und ihre Geschichte verstanden. Das ist auch für uns in Deutschland relevant.

Wenn Sie, Herr Mischke, in Mali dann ohne Schutz unterwegs sind. Muss man Ihnen da Leichtsinn, einen zu hohen Adrenalinspiegel oder Ähnliches unterstellen?
Ich bin kein Adrenalinjunkie. Ich bin höchstens manchmal ein Trottel und ein bisschen blauäugig. Aber ich berichte jetzt seit rund sieben Jahren als Reporter aus Krisengebieten. Mit dieser Erfahrung denke ich, Situationen inzwischen gut einschätzen zu können. Genau das macht es aber auch gefährlich. Man darf sich eben nie zu sicher sein. Wir bereiten jeden Dreh unfassbar aufwändig vor, mit Risikobewertungen und einem Netzwerk aus Journalisten aus aller Welt. Wir wollten kürzlich in Afghanistan drehen, bekamen aber die Info, das lieber ein oder zwei Wochen später zu machen. Irgendetwas sei im Busch gewesen. Keiner von uns wusste damals, dass wir genau dann in Afghanistan sein würden, als 19 Journalisten bei einem Anschlag getötet wurden, 500 Meter von uns entfernt. Wir hatten Glück. Es passierte am frühen Morgen. Da schliefen wir noch. Der Trick perfide: Ein Mensch hat sich in die Luft gesprengt, die Journalisten eilten zum Ort des Geschehens, um zu berichten, als ein zweiter Mensch sich mit dem Ziel, Journalisten zu töten, in die Luft jagte.

Würden Sie sagen, dass man als Kriegsberichterstatter nie weiß, ob man morgen noch aufsteht?
Ich gehe immer fest davon aus, dass ich am nächsten Morgen wieder aufstehe.

Wir hatten es gerade: Drogen, Krieg, Mord. Was macht Ihnen persönlich eigentlich Angst?
Ich möchte niemals beim Paragliden draufgehen, weil so ein Tod sinnlos wäre. Wenn ich bei meiner Arbeit sterben sollte, dann hätte es immerhin einen Zweck erfüllt.
Thilo Mischke
Das sind eher alltägliche Dinge, Achterbahnfahren etwa. Ich fliege auch nicht gerne. Ich möchte niemals beim Paragliden draufgehen, weil so ein Tod sinnlos wäre. Wenn ich bei meiner Arbeit sterben sollte, dann hätte es immerhin einen Zweck erfüllt. Mit zwölf Jahren habe ich entschieden, dass ich Journalist werden will. Ich liebe diesen Beruf. Zur Vollständigkeit halber muss ich aber auch sagen, dass ich mich nicht nur um solche schweren Themen kümmere. Für manche Auftraggeber sitze ich auch mit 45 Jahre alten Mönchen nackt in Hütten.

Wie schonungslos darf eine Reportage von Ihnen sein, wenn Sie wissen, sie wird bei ProSieben gezeigt – einem Sender, der ja für Familienunterhaltung steht?
Es gibt von ProSieben keine Begrenzung. Wir können genau das machen, was wir wollen. Natürlich besprechen wir nach dem Dreh, wie wir eine Sendung schneiden. Wo muss man Dinge vereinfachen, wo muss man Dinge tiefer erklären. Das ist letztlich ein ganz normaler Prozess. Ich kann wirklich sagen, dass die ganze Firma, ich als Host und auch der Sender ProSieben auf «Uncovered» sehr stolz sind.

Das Jahr 2018 neigt sich langsam dem Ende zu. Was ist denn – Ihrer Meinung nach – das aktuell größte Problem der Menschen hier in Deutschland und vielleicht auch insgesamt auf der Welt?
Da kann ich nur eine sehr subjektive Antwort geben. Wissen Sie, ich bin als Antifaschist erzogen worden – auch mit dem Leitsatz „Wehret den Anfängen“. Wir haben hier in Deutschland eine politische Partei, die mir große Sorgen macht. Diese Partei wird nicht nur von Nazis gewählt, sondern auch von Bürgern, die sehr unzufrieden sind. Genau das macht es aber kompliziert. Eines der Probleme ist, so glaube ich, dass viele Journalisten diesen Menschen schon eine Stimme geben wollen, sie aber quasi immer auch im Gesagten verbessern. Die Presse muss sich hier selbstkritisch hinterfragen. Ich glaube, dass unsere komplette Situation in Europa vermeidbar gewesen wäre, wenn die Kommunikation anders verlaufen wäre.

Die komplette Welt ist Angela Merkel für das, was sie getan hat, unfassbar dankbar. Merkel wird geliebt. Und hier in Deutschland? Wird Angela Merkel von Teilen der Bevölkerung inzwischen gehasst.
Thilo Mischke
Die komplette Welt ist Angela Merkel für das, was sie getan hat, unfassbar dankbar. Merkel wird geliebt. Und hier in Deutschland? Wird Angela Merkel von Teilen der Bevölkerung inzwischen gehasst. Ich sehe diese Undankbarkeit eines Volkes, das selbst auch vom Fall der Mauer profitiert hat, schon als Problem an. Zumal niemand eine Lösung des Problems hat. Überall auf der Welt gibt es Flüchtlinge – in jedem Land. Und kein Gesetz dieser Welt wird verhindern, dass es Flüchtlinge gibt.

Es geht ja auch weniger um Gesetze als darum, dass diese diffuse Angst wahrgenommen und vielleicht auch ernst genommen wird…
Das versteht auch jeder. Angst vor Fremden hatten die Menschen schon immer. Aber letztlich ist es unsere Aufgabe, dass sich ein Geflüchteter bei uns so einleben kann, dass er in ein paar Jahren eben nicht mehr fremd ist. Wir müssen begreifen, dass es faktisch nichts gibt, wovor wir Angst haben müssen.

Und doch spielen Schlagzeilen von Vergewaltigungen rechten Strömungen in die Karten.
Da sind wir bei der Rolle der Presse. Gibt es auch Geschichten über gute Integration?

Danke für das Gespräch.
Die neue Staffel «Uncovered» startet am Dienstag, 27. November um 22.15 Uhr und dreht sich in der ersten Woche um die versteckte Welt auf Kreuzfahrtschiffen.

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