Filmfacts: «Anna und die Apokalypse»
- Regie: John McPhail
- Produktion: Naysun Alae-Carew, Nicholas Crum, Tracy Jarvis
- Drehbuch: Alan McDonald, Ryan McHenry
- Darsteller: Ella Hunt, Malcolm Cumming, Marli Siu, Sarah Swire, Christopher Leveaux, Mark Benton, Ben Wiggins, Paul Kaye
- Musik: Roddy Hart, Tommy Reilly
- Choreografie: Sarah Swire
- Kamera: Sara Deane
- Schnitt: Mark Hermida
- Laufzeit: 98 Minuten
- FSK: ab 16 Jahren
Der von einer Zukunft als Künstler träumende John (Malcolm Cumming) macht sich derweil Sorgen, weil er noch immer keine Rückmeldung vom College seiner Wahl erhalten hat. Seiner besten Freundin Anna (Ella Hunt), in die er heimlich verliebt ist, ist dieser Frust fremd. Nach dem Tod ihrer Mutter und der Trennung vom arroganten Bully Nick (Ben Wiggins) hat sie nämlich ein klares Ziel vor den Augen: Nach ihrem Abschluss möchte Anna das College erst einmal links liegen lassen und stattdessen die Welt bereisen, was ihr Vater Tony (Mark Benton) allerdings harsch kritisiert …
Das Poster verrät es bereits, der Trailer eh, und der Titel, dessen Einblendung von unheilvollen Klängen begleitet wird, macht auch kein Geheimnis draus: Was wie eine weihnachtliche High-School-Musicalkomödie beginnt, wird im Laufe der etwas mehr als 90 Minuten Laufzeit in einen Zombiefilm münden. Ehe dieser bedrohliche Schatten, der kurz nach der Titeleinblendung auch in den von den Protagonisten ignorierten Radionachrichten angerissen wird, aber tatsächlich über Little Haven hereinbricht, stellt Regisseur John McPhail die hoch sympathische Figurenbande vor, um die sich «Anna und die Apokalypse» dreht.
Und was McPhail nach einem Drehbuch Alan McDonalds und des 2015 an Knochenkrebs verstorbenen Filmemachers Ryan McHenry hier aufzieht, ist längst kein derart ironisch-trashiges Filmchen, wie man es angesichts der bunten Genremischung erwarten könnte. Ganz im Gegenteil: Die drohende Zombie-Apokalypse kündigt sich zwar durch ein paar bedrohliche Omen und pointiert-falsche Fährten im «Shaun of the Dead»-Stil an, aber im Inneren dieser Musicalkomödie pocht ein grundehrliches Herz.
Dazu trägt Hauptdarstellerin Ella Hunt einen kamingroßen Anteil bei: Die «Cold Feet»- und «Les Misérables»-Mimin hat eine enorme Leinwandpräsenz und füllt die Rolle der frustrierten, trotzdem hoffnungsvoll aufs Morgen blickenden Anna mit Charme, Witz und einer glaubwürdigen Orientierungslosigkeit. Wenn Anna mit entnervter Miene davon singt, dass ihr das ganze High-School-Liebeswirrwarr auf den Senkel geht, nur um kurz darauf mit kess-stolz verzerrten Mundwinkeln und singend festzuhalten, dass das Leben nicht wie ein Hollywood-Film abläuft, macht Hunt diese schwankenden Stimmungsnuancen plausibel. Diese "Ich habe auf das alles keinen Bock"-Attitüde Annas taut aber ganz schnell auf, wenn sie mit ihrem besten Freund John unschuldige Späßchen treibt – oder wenn sie mit Tatendrang in einen neuen Morgen startet. Unstete Teenageremotionen halt, die Hunt sympathisch sowie mit einer einnehmenden Singstimme unter einen Hut bringt.
Neben Hunt sticht besonders Sarah Swire aus dem «Anna und die Apokalypse»-Ensemble hervor: Als angehende Journalistin, die sich ungeliebt fühlt und in ihren sozialen Engagements Zerstreuung sucht, reißt Swire sogleich mehrere Szenen an sich. Wie Hunt meistert auch Swire den tonalen Balanceakt von «Anna und die Apokalypse» auf beeindruckende Weise. Sie begeistert genauso sehr, wenn Steph ungelenk Smalltalk treibt, sich mühevoll ihrem Gegenüber öffnet oder aber im Angesicht der Gefahr zwischen verzweifelter Offensive und vorsichtiger Defensive changiert. Swire ist darüber hinaus für die Choreografien verantwortlich und zeigt auch in dieser Hinsicht vielversprechendes Talent. «Anna und die Apokalypse» verzichtet auf große Showstopper-Bewegungsfolgen, sondern setzt primär auf kleine, doch bestens zu den Figuren passende, verspielte Tänzlein. Eine beschwingte Cafeteria-Gruppentanzszene, die leichte Parallelen zu «High School Musical» aufweist, lässt sie sich jedoch nicht nehmen.
Der Rest des Casts macht seine Sache durchweg gut: Marli Siu mutet als hibbelige Lisa an, als wäre die junge Anne Hathaway von der durch Ashley Tisdale verkörperten «High School Musical»-Schurkin Sharpay Evans besessen worden, Malcolm Cumming gelingt wiederum eine kurzweilige Spielvariante des geekigen, schüchternen Kumpels. Ben Wiggins ist als Raufbold Nick zu gleichen Teilen beeindruckend cool und ätzend großtuerisch und Paul Kaye ist als diabolischer Schulleiter wohl direkt aus irgendeinem durchgeknallten Disney-Cartoon entsprungen (und hat sich auf dem Weg in diesen Realfilm ein schmutzigeres Vokabular angeeignet).
Wenn der Zombie-Horror auf Little Haven hereinbricht, dann zunächst einmal in einer spritzigen Musical-Antwort auf die verkaterte Morgenroutine in «Shaun of the Dead». Sobald dieses Lied in einen comichaft viel Blut verspritzenden Kill mündet, wird der filmische Stile einende Tanz, den McPhail mit «Anna und die Apokalypse» aufführt noch komplexer – was der Film mühelos meistert. Mit eleganter Leichtigkeit hüpft McPhail von ironischen sowie ehrfürchtigen Genreverweisen zu irrsinnigen und auch wunderbar beiläufig-bodenständigen Dialogspäßen. Ebenso behände wechselt McPhail von wild-spaßigem Zombiegemetzel zu Suspense-Momenten, in denen wir mit den Figuren mitfiebern, die uns im Laufe dieses irrwitzigen, eigenwilligen Weihnachtsfilms ans Herz gewachsen sind.
Begleitet wird das Geschehen von einem Soundtrack voller Ohrwürmer, der dem filmischen Stilmix gerecht wird, indem er eine große Bandbreite an Musikrichtungen bedient: In «Anna und die Apokalypse» koexistieren unter anderem ein punkig-größenwahnsinniges Schulleiter-Solo, die rockige Hymne eines juvenilen Zombiekämpfertrupps und ein atemberaubend schönes Lied über die (zu überkommende) Sogkraft der digitalen Kommunikation. Und ein so, so unschuldig gesungenes, so, so doppeldeutiges Weihnachtslied darf da natürlich auch nicht fehlen – als hoch komödiantisches Gegengewicht für einige der aufrichtigeren Songs, durch die die Figuren an Tiefe gewinnen.
All dies spielt sich vor Ryan Clachries farbenfrohen Kulissen ab und findet durch Fi Morrisons Kostümarbeit, die subtil den Charakter jeder Figur unterstreicht, noch zielsicherer seinen Platz zwischen augenzwinkernder Hommage, Zombie-Suspense und weihnachtlichem Jugendkomödienspaß. McPhail und Kamerafrau Sara Deane fangen das Geschehen zudem mit scharfem Auge ein: Manche Außenaufnahmen weisen zwar einen künstlichen, leicht überbelichteten Glanz auf und lassen eine gewisse Tiefenwirkung missen, dafür bauen die Innenszenen nach Einbruch der Zombiekatastrophe dank schummriger Lichtquellen effizient Atmosphäre auf.
McPhail gelingt es konsequent, die Bildsprache unterschwellig an den gerade vorherrschenden Tonfall anzupassen und so behände die verschiedenen Filmwelten zu vereinen. Selbiges gilt für Mark Hermidas Schnitt, der den Witz überbordender Slapstick-Gewalt genauso zu unterstreichen weiß wie die Herzlichkeit der ruhigeren Momente oder die Suspense jener Augenblicke, in denen die Gefahr hinter jeder Ecke lauern könnte. Kurzum: Was als lustige und verrückte Idee beginnt, wird zu einem ebenso subversiven wie warmherzigen Feel-Good-Be-Shocked-Musical, bei dem man um die lieb gewonnenen Figuren fiebert. «Anna und die Apokalypse» ist also ein wahres Genre-Kleinod.
Fazit: Eine vergnügliche Zombiefilm-Hommage, ein gewitzter sowie packender Weihnachtsfilm, eine schottische High-School-Komödie mit aufrichtig pochendem Herzen und das mit Abstand beste Musical des Filmjahres: «Anna und die Apokalypse» ist ein außergewöhnliches, mitreißendes Genregemisch voller Ohrwürmer.
«Anna und die Apokalypse» ist ab dem 6. Dezember 2018 in vielen deutschen Kinos zu sehen.
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