Die Kritiker

«Tatort – Wir kriegen euch alle»

von

Der neue Fall aus München: Eine Mischung aus Psychodrama und Problem-Sonntagskrimi.

Cast und Crew

  • Regie: Sven Bohse
  • Drehbuch: Michael Comtesse, Michael Proehl
  • Darsteller: Udo Wachtveitl, Miroslav Nemec, Leonard Carow, Jannik Schümann, Lilly Walleshauser, Martin Feifel, Thomas Limpinsel, Stephan Schad, Ferdinand Hofer, Yun Huang, Jing Xiang, Romy Seitz, Robert Joseph Bartl, Anne Werner
  • Kamera: Michael Schreitel
  • Schnitt: Dirk Göhler
  • Musik: Jessica de Rooij
Ja, mei. Is' denn scho' wieder Halloween? Wenige Minuten nach Beginn des neuen Münchener «Tatort»-Teils, «Wir kriegen euch alle», mag man das fast glauben. Lange Einstellungen sich ziehender, kühler, klinisch-unheilvoll glänzender Flure. Ein Mädchen, das im Dunkeln mit einer Puppe redet. Eine Puppe, die dem Mädchen antwortet. Ein martialisch agierender Mann in Maske. Und eine Passantin, die eine Sage über Mörderpuppen erzählt, deren Haare wachsen, sobald deren Besitzerin verstorben ist. Doch weit gefehlt: Was die Drehbuchautoren Michael Comtesse («Tatort – Dein Name sei Harbinger») und Michael Proehl («Das weiße Kaninchen») nach diesem von Regisseur Sven Bohse («Ku'damm 59») so ominös inszenierten Einstieg erzählerisch spinnen, ist kein weiterer Grusel-«Tatort» der Marke «Fürchte Dich» oder «Blut».

Was erzählt wird, ist eine Mischung aus Psychodrama und Problem-Sonntagskrimi. Gewiss, Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl) waten eingangs durch ein ziemliches Blutbad. Die Eltern der kleinen Lena, eben jenem Mädchen mit der sprechenden Puppe, wurden ermordet. Eine Tat mit Botschaft: Lenas Vater wurden die Geschlechtsteile entfernt, an der Wand prangt die in Blut geschmierte Botschaft "Wir kriegen euch alle" und am Tatort liegt ein Hinweis auf den Strafrechtsparagrafen bezüglich sexuellen Missbrauch. Nachdem so die Fallhöhe gesetzt ist, geht der «Tatort» einen weniger schaurigen und drastischen Weg.

Wie sich dank Technikexperte Kalli (Ferdinand Hofer) herausstellt, ist Lenas sprechende Puppe ein "smartes Spielzeug", eine mit dem Internet verbundene Puppe, die mittels Kamera und Mikrofon verlässlich Spionage betreiben kann. Eine Puppe, die in drastischerer Version das vorführt, was vor einigen Monaten durch die Schlagzeilen ging, als eine Reihe an smarten Puppen diverse Datenschutzrechte missachtete. Die Ermittlungen gehen daraufhin aber sehr analog und klassisch weiter: Batic und Leitmayr granteln, stellen unermüdlich Fragen und liebäugeln hin und wieder damit, das Recht auf eigene Weise zu deuten.

Anders als im kürzlich gezeigten «Tatort – KI», stutzen die beiden Ermittler dieses Mal aber ein gutes Stück weniger über die Wunder- und Schauderwerke der modernen Technik. Aber sie zeigen allmählich ihr Alter, geraten etwa bei Verfolgungsjagden schnell aus der Puste. Bohse inszeniert das Geschehen in ruhigen, atmosphärischen Bildern, mehrmals lässt er Kameramann Michael Schreitel das Geschehen fast nur in Primärfarben tauchen, um so eine unheimliche Stimmung aufkommen zu lassen. Der nur sporadisch eingesetzte, dann aber kräftig aufgedrehte Score von Jessica de Rooij («Schwerter des Königs - Die letzte Mission») fügt sich sehr gut in diese Bildwelt.

Diese Tonalität sorgt auch dafür, dass das eh schon emotionale Thema des Kindesmissbrauchs nicht künstlich auf Effekthascherei gebürstet wird. Größerer Fokus liegt auf einer fesselnden Erzählweise und auf sinnigen, dennoch gut verborgenen Handlungswenden. Dabei geraten die Darsteller etwas in den Hintergrund: Von Leonard Carow als emotional komplexen Verdächtigen abgesehen, fällt niemand aus diesem Ensemble aus dem rein funktionalen Rahmen – und der zumeist so hervorragende Jannik Schümann («Die Mitte der Welt», «Jugend ohne Gott») wird durch ein schlecht sitzendes, dick aufgetragenes Kostüm gehemmt. Unterm Strich bleibt so ein überdurchschnittlich guter, klug konstruierter Fall der Münchener Ermittler.

«Tatort – Wir kriegen euch alle» ist am 2. Dezember 2018 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.

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