Filmfacts: «100 Dinge»
- Start: 6. Dezember 2018
- Genre: Komödie
- Laufzeit: 111 Min.
- FSK: 6
- Kamera: Bernhard Jasper
- Musik: Josef Bach, Arne Schumann
- Buch & Regie: Florian David Fitz
- Darsteller: Florian David Fitz, Matthias Schweighöfer, Miriam Stein, Hannelore Elsner, Katharina Thalbach, Johannes Allmayer, Maria Furtwängler
- OT: 100 Dinge (DE 2018)
Auf dieser Grundidee basiert nun auch Florian David Fitz‘ dritte Regiearbeit «100 Dinge» für die er sich nach «Der geilste Tag» erneut gemeinsam mit Matthias Schweighöfer («Hot Dog») vor die Kamera begab. Natürlich haben sie die Prämisse dafür ein wenig der gefühligen Dramaturgie ihrer Komödie angeglichen: «100 Dinge» ist keine spielfilmlange Gesellschaftskritik, sondern in erster Linie humoristisches Großstadtmärchen. Und auch, wenn Fitz‘ Produktion durchaus ein wenig mehr Ecken und Kanten hätte vertragen können, trifft er nun erstmals in seine Karriere als Regisseur voll ins Schwarze!
Wie viele Dinge brauchen wir eigentlich?
Toni (Matthias Schweighöfer) liebt seine Espressomaschine. Paul (Florian David Fitz) liebt sein Handy. Toni kann nicht ohne Haarpillen, Paul nicht ohne seine heiligen Sneakers. Aber vor allem kann Paul nicht ohne Toni und Toni nicht ohne Paul. Aber das wissen sie nicht. Immer geht es darum, wer besser oder cooler ist, und das haben sie nun davon: Jetzt sitzen sie da, ohne Möbel, ohne Kleidung, nackt und verfroren. Und das ist erst Tag eins! 100 Tage, haben sie gewettet, müssen sie auf alles verzichten. Jeden Tag kommt nur ein Gegenstand zurück. Und schon verheddern sie sich in Fragen, die ihnen vorher nie gekommen sind: Was braucht man wirklich? Besitzen wir unsere Dinge oder unsere Dinge uns? Gibt es den freien Willen überhaupt, und wie oft kann man eine Unterhose wenden, bevor sie auf den Sondermüll muss?
Vielen gegenüber muss man heutzutage gar nicht mehr versuchen, für die deutsche Mainstream-Komödie zu argumentieren – in den vergangenen Jahren haben auch Leute wie Matthias Schweighöfer mit austauschbaren Wohlfühlfilmen dafür gesorgt, dass das Feuilleton selten ein gutes Haar an ihnen lässt. Und blickt man einzig und allein auf dieses Jahr, sieht es nicht so aus, dass sich so schnell etwas daran ändern würde, dass das deutsche Publikum nach wie vor auf Geschichten abfährt, die den kleinsten gemeinsamen Nenner bedienen. Doch so fair muss man sein: So richtige Rohrkrepierer der Marke «Klassentreffen» haben weder Florian David Fitz noch Matthias Schweighöfer bisher abgeliefert (deren schwächere Kinobeiträge waren bisher eher uninspiriert dröge, nicht aber frappierend ärgerlich oder mit fragwürdigem Humor angereichert). So auch «Der geilste Tag», der trotz charmanter Grundidee und hervorragender Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern nur einen Bruchteil seines Potenzials ausspielte.
- © WarnerBros.
Für Florian David Fitz und Matthias Schweighöfer ist «100 Dinge» die zweite gemeinsame Zusammenarbeit.
Zwischen den ernsthaft zu Herzen gehenden Momenten wirkte der grobmotorische Humor fehl am Platz und andersherum. Die Erwartungen an «100 Dinge» waren entsprechend niedrig, doch umso beeindruckender ist es nun, was Fitz und Schweighöfer aus ihrem Projekt gemacht haben: Letztlich bedienen sie sich auch diesmal an gängigen Zutaten. «100 Dinge» ist eine Buddykomödie mit romantischem Einschlag, bei dem diesmal allerdings deutlich mehr zusammenpasst, als noch in ihrem letzten Projekt vor zwei Jahren.
Hochwertiges, gefühliges Komödienkino
«100 Dinge» fängt damit an, dass wir Toni und Paul in ihren Wohnungen beim Wachwerden beobachten: Beide verkörpern Figuren an der Grenze zur Karikatur des Businessman, jeweils mit ganz eigenen Spleens und Eigenheiten. Doch anstatt dabei einfach nur das Klischee des körperfixierten Sportasses respektive des kaufsüchtigen Snobs zu bedienen, schwingt in den Performances der beiden Schauspielstars immer auch eine gehörige Portion Selbstironie und Augenzwinkern mit – und die steht der ganzen Geschichte von Anfang an gut zu Gesicht, erst recht wenn man weiß, dass sich Schauspieler wie Til Schweiger das Image des unwiderstehlichen Aufreißers vollkommen ironiefrei auf den Leib schreiben. Überhaupt hat man an vielen Stellen das Gefühl, «100 Dinge» sei nicht bloß harmlose Komödie, sondern auch Metakommentar auf die gängigen Klischees der deutschen Comedy: Wenn sich etwa Paul in Zeitlupe im Sonnenuntergang mithilfe eines Seils in einen See schwingt, ist das erst einmal ein gängiges Schweiger-Film-Motiv – bis es das Skript (ebenfalls Florian David Fitz) allein dadurch konterkariert, dass Fitz‘ Figur mit dem Gesicht voran in den Matsch fällt.
Von derartigen Szenen gibt es mehrere, auch Momente, die in allzu arge Kitschigkeit abzudriften drohen, erhalten sofort den entsprechenden Kommentar („Das ist so schlecht, dass es schon wieder süß wäre, wenn es nicht so verdammt schlecht wäre!“). Das alles macht «100 Dinge» nicht automatisch zur Parodie; dafür erfüllt die RomCom letztlich selbst zu stark das, was man von einer Romantic Comedy erwartet. Aber es verleiht der Inszenierung allein dadurch Würze, dass die Personen vor und hinter der Kamera ganz genau wissen, was für eine Art Film sie hier abgeliefert haben.
Das ist natürlich in erster Linie eine Comedy – und zwar eine der harmlosesten Sorte, auch wenn es die Bilder nackter Männerhintern bereits im Trailer ein wenig anders angekündigt haben. Und ja: «100 Dinge» kann mitunter allein durch das perfekt aufeinander eingestimmte Spiel von Fitz und Schweighöfer in herrlich alberne Höhen schnellen, doch gleichzeitig greifen die Verantwortlichen niemals unter die Gürtellinie. Wenn Paul und Toni hier völlig entblößt durchs verschneite Berlin laufen müssen, verkommt der Gag nicht zum Selbstzweck, sondern ist fest in der Geschichte verankert (wer bei null Besitztümern anfängt, hat zu Beginn auch keine Klamotten – so einfach ist das!). Auch die Wortgefechte und vereinzelte Slapstick-Momente, oder auch das wohl unkonventionellste Dinner-Date jüngerer Filmgeschichte driften hier und da allenfalls ins Harmlos-absurde, sind jedoch nie bloß billiger Kalauer. Kein Wunder: «100 Dinge» tritt voller Aufrichtigkeit für seine Haupt- und Nebenfiguren ein und müht sich selbst dann noch darum, wenn das Skript in der zweiten Hälfte den einen oder anderen wenig glaubwürdigen Haken schlägt.
Doch an dieser Stelle kommt wieder der Märchencharakter ins Spiel: In «100 Dinge», wo alle in schönen Häusern wohnen, in angesagten Start-Ups arbeiten und mit noch angesagteren US-Firmenbossen Geschäfte machen, geht am Ende alles ganz besonders gut aus, damit auch wirklich jeder sein verdientes Happy End bekommt. Doch entgegen Mainstream-Comedy-Standardkost besitzt all das hier genauso viel Ehrlichkeit und Herz, wie die Tatsache, dass sich ein dem Konsum entsagender junger Mann ausgerechnet in eine kaufsüchtige Frau verliebt (Miriam Stein ist absolut umwerfend!). Das ist filmische Konstruktion wie sie im Buche steht – und gerade weil die Macher das in diesem Fall ganz genau wissen, damit spielen und kokettieren, funktioniert es im Falle von «100 Dinge» das erste Mal seit Ewigkeiten.
Fazit
Machen wir es kurz: «100 Dinge» ist die erste gute deutsche Mainstream-Komödie seit vielen Jahren! Und das vor allem, weil Florian David Fitz ganz genau weiß, was für einen Film er da eigentlich gedreht hat.
«100 Dinge» ist ab dem 6. Dezember bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.
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