Die Kritiker

«Polizeiruf 110 - Tatorte»

von

Die Tragik an dieser «Polizeiruf»-Reihe? Genau in der letzten Folge wird Hanns von Meuffels die perfekte Kollegin zur Seite gestellt.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Matthias Brandt als Hanns von Meuffels
Barbara Auer als Constanze Herrmann
Maryam Zaree als Nadja
Bettina Mittendorfer als Therapeutin
Aurelia Schikarski als Jasmina
Stephan Zinner als Jochen Fahrenholz
Anna Maria Sturm als Anna Burnhauser

Hinter der Kamera:
Produktion: Claussen+Putz Filmproduktion GmbH
Drehbuch und Regie: Christian Petzold
Kamera: Hans Fromm
Produzenten: Uli Putz und Jakob Claussen
“Das ist doch scheiße, das ist wie im Fernsehen!“, raunt Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) seine neue Kollegin Nadja (Maryam Zaree) an, als sie beim Autofahren ihren aktuellen Mordfall besprechen und er ihr dabei jeden Halbsatz aus der Nase ziehen muss. „Dialogisch kommt man weiter als allein“, antwortet sie. So hat sie das auf der Akademie gelernt, und dieser Satz könnte auch das Leitmotiv für die meisten deutschen Fernsehkrimis sein, deren Ermittlerduos sich durch gekünstelt geschriebene und aufgesagt gesprochene Dialogzeilen zum Ziel hangeln müssen.

„Nein, nein, bitte sagen Sie’s nicht“, wiegelt von Meuffels an anderer Stelle ab, als Nadja das Offensichtliche fragen will. In seiner letzten Folge soll vor allem dieser Mann – und weniger sein aktueller Fall – im Zentrum der Dramaturgie stehen, und bei diesem Schritt scheint das Drehbuch nicht anders zu können, als sich selbst zu kommentieren. „Die Welt ist eben nicht immer wie um 20.15 Uhr“ ist ein anderer dieser Metasätze, der zugleich wohl die Ambition hinter dieser «Polizeiruf»-Reihe deutlich machen will, in der alles meist ein bisschen realistischer, ein bisschen kunstvoller, ein bisschen inspirierter, ein bisschen psychologischer, manchmal auch ein bisschen vermessener war als in anderen Sonntagabendkrimis.

Und doch verkennt diese kecke Meta-Fiktionalisierung, dass Hanns von Meuffels immer dann am besten war, wenn er nicht durch den Meta-Ring springen musste, sondern wenn er und die Episodenrollen vornehmlich auf der psychologischen Ebene Untersuchungsfeld waren. Dies geschieht in der letzten Folge allerdings nicht auf dem hohen Niveau, das diese Reihe zu ihren Spitzenzeiten erreicht hatte: etwa als von Meuffels damit ringen musste, dass er einen Unschuldigen hinter Gittern gebracht und damit letztlich in den Tod getrieben hatte.

In «Tatorte» kämpft er mit der Trennung von seiner Partnerin Constanze (Barbara Auer), die an der Polizeiakademie in Nürnberg – dort, wo Nadja ihre dialogistischen Theorien gelernt hat – unterrichtet. Die Spedition muss nur noch ihr Sack und Pack in München aus von Meuffels‘ Wohnung wegtragen, und die Beziehung wäre Geschichte. Doch von Meuffels kann nicht loslassen.

Das Zweifeln am Lebensumbruch schwappt auch in seinen letzten Fall bei der Münchener Mordkommission über. Denn für Nadja ist eigentlich alles klar: Eine Mutter wollte den geschiedenen Vater ihres Kindes mit kompromittierenden Fotos erpressen, damit er ihr das alleinige Sorgerecht lässt. Bei der Übergabe hat der Mann sie abgeknallt und wollte auch das Kind töten, das sich glücklicherweise retten konnte. Doch für Meuffels ergibt das Szenario keinen Sinn: Wieso das Kind umbringen, um dessen Sorgerecht man noch erbittert ringt – und dabei noch die vermeintlich desaströsen Fotos am Tatort zurücklassen?

Vielleicht schwingt bei der Beobachtung, dass von Meuffels ausgerechnet in seiner allerletzten Folge die passende Berufspartnerin gefunden hat, eine gewisse Tragik mit: Denn diese Nadja hebt sich – trotz aller Anfänger-Übereifrigkeit – wohltuend von all den nöhlenden besserwissenden jungen Frauen ab, die Alten-Hasen-Cops von deutschen Fernsehkrimiautoren gerne zur Seite gestellt werden: Sie ist klug und charmant, selbstsicher, aber noch nicht mit allen Wassern gewaschen, kann die Erfahrung des Kollegen schätzen, ohne ihn unanständig als Mentor verehren zu müssen. Noch dazu ist ihre Darstellerin Maryam Zaree eine tolle Entdeckung – und bliebe ein entscheidender Plot-Twist gegen Ende des Meuffels’schen Schwanengesangs aus, hätte sie sich konsequent als Nachfolgerin empfohlen. Viel Zeit ist vergangen, seit Anna Maria Sturm als deutlich bayernde Anna Burnhauser in diesem «Polizeiruf» primitiven Lokalkolorit von sich absondern musste. Im Finale darf sie stattdessen einen rührenden und angenehm wehmütigen Auftritt absolvieren, damit sich der Kreis auf einer weiteren Ebene schließen kann.

Das Erste zeigt «Polizeiruf 110 – Tatorte» am Sonntag, den 16. Dezember um 20.15 Uhr.

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