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«Unten am Fluss»-Neuauflage: Hoffnungsvoller, kinderfreundlicher, hässlicher

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Die Zeichentrickadaption des Richard-Adams-Romans verstörte ganze Generationen. Nun bringt Netflix eine starbesetzte Neuinterpretation auf die Bildschirme. Wie gut ist der Neustart?

Animationsfilme und -serien sind heute erwachsener denn je. Formate wie «Rick & Morty», «Archer» oder «Bojack Horseman» werden mittlerweile explizit für ein Publikum im Erwachsenenalter konzipiert und selbst Animationsfilme von Disney oder Pixar überlegen sich immer wieder neue Wege, um auch den Eltern, die mit ihren Kindern die Kinos zu besuchen, zu gefallen. In den 70er Jahren war das noch anders. Zu dieser Zeit waren Zeichentrick- und Animationsfilme noch fast untrennbar mit einer jungen Zielgruppe verbunden. Das erklärt auch, warum der 1978 erschienene Zeichentrickfilm «Watership Down» fast eine ganze Generation an Kindern und Jugendlichen verstörte. Die Adaption des Richard-Adams-Romans aus dem Jahr 1972 handelte von der abenteuerlichen Reise einer Gruppe von Kaninchen, die aus ihrem angestammten Zuhause entfliehen und im englischen Hügelland Watership Down eine neue Heimat finden. Statt niedliche Kaninchen bekamen Zuschauer aber einen zuweilen grausamen Flüchtlings-Thriller vorgesetzt.

Starauflauf für Neuinterpetation mit Aktualität


Doch der britische Film hinterließ auf diese Weise Eindruck und wird trotz der verstörenden Wirkung zu einem der besten britischen Filme aller Zeiten gezählt - glaubt man dem Magazin „Total Film“, bei dem es die Produktion unter die Top 50 schaffte. 40 Jahre nach der Premiere des Animationsfilms erscheint bei Netflix am 23. Dezember eine neue Verwertung der Romanvorlage. Dafür tat sich der Streaming-Dienst mit der britischen BBC zusammen und heuerte eine erstaunliche Anzahl hochangesehener britischer Schauspieler an. Die Miniserie zählt James McAvoy («X-Men: Zukunft ist Vergangenheit»), Oscar-Preisträger Ben Kingsley («Gandhi»), Olivia Colman («Mord im Orient Express»), John Boyega («Star Wars: Der letzte Jedi»), Nicholas Hoult («Mad Max: Fury Road»), Gemma Arterton («Hänsel & Gretel: Hexenjäger») oder Daniel Kaluuya («Get Out») zu ihren Stimmen.

Für Fans des Originals entkräftete dieser Star-Auflauf allerdings noch immer nicht die Sorgen, dass die Netflix-Neuauflage die Eindringlichkeit des Originals womöglich verwässern könnte. Zumindest der Stoff ist heute angesichts Massen-Migrationen aber wieder aktuell, womit sich eine neue Verwertung inhaltlich sehr gut anbietet. Die Romanvorlage thematisierte obendrein Komplexe wie Umweltschutz oder dystopische Gesellschaftssysteme, die ebenfalls derzeit wieder (oder noch immer) diskutiert werden. Dass aus dem Roman im Jahr 1978 also ein Kinder-Horrorfilm wurde, war angesichts der bedrückenden Themen in der Vorlage also gar nicht mal so abwegig. Netflix und die BBC belebten den Stoff nun als genau den aktuellen Gesellschaftskommentar wieder, von dem auszugehen war - mit Kaninchen, die in einer Welt leben, die unserer sehr ähnlich ist und aus dieser wegen menschlicher Entwicklung fliehen müssen.

Eine erzählerisch mitreißende Neuauflage


Facts zu «Unten am Fluss»

  • Genre: Fantasy
  • Vorlage: "Watership Down" (1972) von Richard Adams
  • Drehbuch: Tom Bidwell
  • Regie: Noam Murro
  • Stimmen: James McAvoy, Ben Kingsley, Olivia Colman, John Boyega, Nicholas Hoult, Gemma Arterton, Daniel Kaluuya u.w.
  • Ursprungsland: UK, Irland & USA
  • Produktionsfirmen: 42, Brown Bag Films, Biscuit Filmworks, BBC, Netflix
  • Budget: 20 Millionen Pfund
Für Erstaunen sorgen hierbei auf den ersten Blick die Animationen. Nicht weil sie so eindrucksvoll daherkommen, sondern weil sie sehr simpel, wenn nicht sogar billig, erscheinen. Nichtsdestotrotz gelingt es Regisseur Noam Murro und Autor Tom Bidwell, ein starkes Mitgefühl auf Seiten der Zuschauer zu erzeugen, was in einer mitreißenden Miniserie um große, angsteinflößende Themen wie Leben und Tod resultiert, dabei aber auch subtilere Aussagen über Liebe, Freundschaft und die Schattenseiten von Kapitalismus und Autoritarismus trifft.

Inhaltlich hält sich die neue Serie recht nah an frühere Versionen. Falls die Geschichte einigen Zuschauern neu ist: Kaninchen Fiver hat zu Beginn der Serie eine Vision, wonach der Bau der Kaninchengruppe bald zerstört werden wird. Von dieser Vision erzählt er seinem Bruder Hazel, der so viele andere Artgenossen wie möglich zusammentrommelt, um der drohenden Gefahr zu entfliehen. Bei der Suche nach einer neuen Heimat sehen sich die Tiere aber einer Reihe unterschiedlicher Gefahren ausgesetzt. «Unten am Fluss» stützt sich dabei auf die mythologische Fabel, dass Hasen die ursprünglichen Bewohner der Erde waren. Weil diese sich aber so schnell vermehrten, schuf der Sonnengott verschiedene Raubtiere, um deren Anzahl wieder zu dezimieren. Zu den Gefahren, die in «Unten am Fluss» auftauchen, gehören daher auch Füchse, Katzen oder Hunde, die zwar als Widersacher auftreten – teilweise aber nicht in der Form, in der man glaubt. Dennoch resultiert die spannende Frage: Welche Form von Gesellschaft entsteht durch Lebewesen, die ihr ganzes Leben als Beute verbringen?

Familienfreundlicher, doch visuell problematisch


Die Serie gibt sich ohnehin viel Mühe, so wenig Stereotype wie möglich zu bedienen und Zuschauer stattdessen dazu zu motivieren, sich ein eigenes Bild zu machen. Auch deswegen ist das Format wesentlich mehr für Kinder geeignet als der Film von 1978. Die Produktionen bereitet jungen Zuschauern Lernchancen auf, keine voreiligen Schlüsse aufgrund von Aussehen oder Geschlecht zu ziehen, ohne dabei belehrend zu wirken. Bedenkenlos können Eltern ihre Kinder dem Format aber auch nicht anvertrauen. Zwar beschränken sich die Szenen über die Zerstörung des Lebensraums und die Flucht der Kaninchen auf einigermaßen familienfreundliche Montagen, gerade in Folge eins folgt allerdings noch die eine oder andere moderat gruselige Szene, ohne dass es visuell je explizit wird. Der Grusel in «Unten am Fluss» beschränkt sich auf die Atmosphäre statt auf Bilder. Die BBC selbst empfiehlt «Unten am Fluss» für Kinder im Alter von mindestens acht Jahren.

Erzählerisch funktioniert «Unten am Fluss» tadellos, doch bildlich könnte die Serie gerade für junge Zuschauer ein Problem darstellen. Die Serie hat wenig mit der animationstechnischen Brillanz von Pixar-Filmen gemeinsam, die heutzutage nun einmal der Maßstab für anspruchsvoll animierte Unterhaltungsware ist. Stattdessen wirkt «Unten am Fluss» teilweise wie ein Computerspiel kurz nach der Jahrtausendwende. Da bot sogar der 40 Jahre ältere Film mehr Schauwerte mit handgemalten Animationen und Hintergründen im Wasserfarben-Stil. Selbst die charakteristischen und großartigen Stimmen, gerade im Original, schaffen teilweise nicht Abhilfe bei drohenden Verwechslungen zwischen den Kaninchen-Protagonisten. Es fällt sogar auf, dass im Drehbuch ungewöhnlich häufig Namen genannt werden, um diesem Problem vorzubeugen. Gerade bei Bewegungen werden dem CGI die Grenzen aufgezeigt – und Kaninchen bewegen sich blöderweise häufig.

Wie seine Romanvorlage ist auch die neueste Interpretation von «Watership Down» eine kostbare Kuriosität, die vielen Zuschauern gerade thematisch ganz unterschiedliche Dinge abgewinnen wird, manchen Netflix-Abonnenten aber womöglich auch gar nichts. Das hat mit den spartanischen Animationen zu tun, aber auch mit einer sehr viel hoffnungsvolleren Herangehensweise als beispielsweise der Film von 1978, der dafür mehr Raum für Interpretationen ließ. Statt die vier Episoden mit doppelt so viel Laufzeit im Vergleich zum Film zu nutzen, um mehr World-Building zu betreiben, dehnt die Serie die Kampf- und Fluchtszenen, sodass das Format weniger wirkt wie eine bittersüße Erzählung von Überleben und Freiheit und mehr wie ein Familien-Actionfilm. Interessanterweise erscheint «Unten am Fluss» am Ende thematisch wie die (gelungenere) Antwort auf «The Walking Dead». Eine Geschichte darüber, ob die umherziehenden Überlebenden einer Plage dieser Herr werden können, ohne sich dabei selbst zu verlieren und über die schrecklichen Kompromisse, die einige eingehen, um am Leben zu bleiben. Nur, dass die Seuche kein Zombie-Virus ist, sondern der Mensch.

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