Herr Niethammer, Sat.1 hatte früher das schlechteste Nachrichtenimage der vier großen Sender – wo sehen Sie den Sender jetzt?
Ich denke, dass wir unsere Info-Kompetenz stark verbessern konnten. Wir haben das zuletzt am 7. Juli wieder bewiesen. Sat.1 hat rasch und umfassend in mehreren Sondersendungen über die Terroranschläge in London berichtet.
Wo sehen Sie Sat.1 jetzt?
Wir können inzwischen mit den „Großen“ im Nachrichten-Geschäft ganz gut mithalten. Aber wir wollen noch besser werden.
Beispiel Michael Jackson-Urteil. Da hat Sat.1 – zwar als einziger ausstrahlender großer Sender – gute Quoten eingefahren.
Da haben wir in der Tat schnell und mit einem guten Gespür reagiert. Und 3,1 Millionen Zuschauer haben es honoriert.
Welche Rolle spielt Thomas Kausch bei dem Erfolg der neuen Sat.1 Informationssendungen?
Mit der Entscheidung von Roger Schawinski für Thomas Kausch kam der Erfolg. Er besticht durch seine persönliche Art der Präsentation und durch seine Gabe, auch komplizierte Sachverhalte verständlich darzustellen.
Zu einer Nachrichten-Offensive gehören aber auch erfahrene Journalistinnen und Journalisten, die spannende Geschichten erzählen und Wesentliches von Unwesentlichem unterscheiden können. Und ein ausgebuffter News-Profi wie Jörg Harzem, Chefredakteur von N24, der die Truppe zusammenhält. Sie alle haben grossen Anteil am Erfolg unserer Nachrichten.
Seit über einem Jahr haben Sie die Moderation im Frühstücksfernsehen aufgeteilt. Eine Schiene von 5:30 Uhr bis 7:00 Uhr, eine zweite Schiene von 7:00 bis 9:00 Uhr. Würden Sie das heute noch mal machen?
Absolut. Das Konzept ist einfach: Im selben Time-Slot sollen immer die selben Moderatoren zu sehen sein. Unter der Leitung von Jürgen Meschede sind wir beim Frühstücksfernsehen inzwischen bei 21 Prozent Marktanteil gegenüber 17 Prozent im Vorjahr angelangt. Die Rechnung ist also aufgegangen.
Vor einem Jahr haben Sie Peer und Charlotte Karlinder-Kusmagk engangiert. Würden Sie noch einmal eine Ehepaar für die Doppelmoderation einsetzen?
Eher nicht. Die Belastung für beide war wahnsinnig groß. Jeden Morgen um vier Uhr aus den Federn und gemeinsam vor die Kamera - fünf mal pro Woche, vier Wochen im Monat: das ist schon hart. Wir alle haben das ein wenig unterschätzt.
Anfang August startet «Der Talk der Woche». Warum heißt die Moderatorin Bettina Rust?
Weil sie bei den Castings die Beste war. Wir haben uns mit vielen Kandidatinnen und Kandidaten auseinander gesetzt, mit einigen mehr, als in der Presse zu lesen war.
Wer war denn noch dabei?
(lacht) Namen nenne ich Ihnen keine. Gehen Sie aber davon aus, dass wir mit sehr vielen Leuten in Deutschland gesprochen haben, die über Talkerfahrung verfügen. Einige Kollegen haben sich auch selbst ins Spiel gebracht. Die besten Kandidaten haben wir zu Castings eingeladen. Roger Schawinski hat sich schliesslich für Bettina Rust entschieden.
Die BILD warf Spekulationen auf den Tisch, dass Frau Rust profitiert hat, weil sie mit Ihnen liiert ist…
Wer so denkt, hat wenig Ahnung vom Fernseh-Geschäft. Meine Aufgabe als Sat.1-Magazinchef war es, die Castings zu organisieren. Roger Schawinski sah sich die Bänder an und entschied sich für Bettina Rust. Natürlich freue ich mich für Bettina und ich werde sie mit ganzer Kraft unterstützen, weil wir alle den Erfolg wollen. Die Gesamtverantwortung für den Talk der Woche liegt bei Roger Schawinski, der ja in der Schweiz viele Jahren selbst eine Talkshow moderiert hat und über sehr viel Erfahrung verfügt.
In der Programmzeitschrift Hörzu wurde Anfang des Jahres geschrieben, dass Uli Meyer sich wünschen würde, die Talkshow zu präsentieren. Diesem Wunsch haben Sie ihm nicht erfüllt. Uli Meyer ist aber ein verdienter Mitarbeiter von Sat.1, «Akte» ist ein unheimlich erfolgreiches Magazin. Ist das jetzt nicht ein harter Schlag für ihn?
Es ist kein Geheimnis: Letztlich fiel die Entscheidung zwischen ihm und Bettina Rust. Ulrich war ein fairer Zweiter. Er hat Bettina auch persönlich gratuliert.
Wie sieht das Konzept Ihrer Talkshow aus?
Talk der Woche ist keine mono-thematische Talkshow. Bettina Rust spricht mit drei Gästen über die vier aktuellen, spannenden und aufregenden Themen der Woche. Talk der Woche ist keine politische, sondern eine gesellschaftspolitische Talkshow. Wir reden über Angela Merkel und Gerhard Schröder, über den Papst, über Gentechnologie, die Pisa-Studie, über die schwierige Integration von Muslimen in Deutschland, über Dieter Bohlen, Jan Ulrich, Charles und Chamilla. Bei uns sitzen keine Experten im Studio. Wir werden prominente Menschen einladen, die leidenschaftlich gerne diskutieren, debattieren, streiten, ihre persönliche Meinung vertreten.
Wird es einen Pool von Gästen geben?
Natürlich überlegen wir uns sehr genau, wen wir einladen. Entscheidend ist die Konstellation. Wer kann gut mit wem, wer streitet gerne mit wem? Konstellationen, die in den ersten Sendungen gut funktionieren, werden wir auch wieder sehen. So wird sich mit der Zeit ein Pool von 15 bis 20 Gästen entwickeln. Das heisst aber nicht, dass wir darüber hinaus nicht immer wieder auch neue Gäste einladen werden.
Das heißt also, dass bei einem religiösen Thema mit Michel Friedman gestritten werden kann…
Ja. Wenn Herr Friedmann bereit ist, auch über andere Themen zu diskutieren. Über den Sex-Skandal bei VW oder Prinz Alberts uneheliche Tochter.
Laden Sie auch Angela Merkel ein, oder ist jemand wie sie schon zu sehr „Expertin“?
Für Frau Merkel gilt dasselbe wie für Herrn Friedmann: Wenn die Bundeskanzler-Kandidatin Lust hat, auch über die anderen, nicht politischen Themen der Sendungen leidenschaftlich zu diskutieren, wäre es toll, wenn sie käme.
Welche Quoten muss die Sendung erzielen?
Wir reden über Sonntagabend 22:30. Davon hängt der Gesamtmarktenteil von Sat.1 nicht relevant ab. Wir wissen, dass wir keinen leichten Weg vor uns haben. Es wäre schön, wenn es uns gelingen würde, mittelfristig mit einem solchen Talk wieder zweistellig in der Zielgruppe zu sein.
Im zweiten Teil des Interviews sprechen wir mit Nik Niethammer über das neue Magazin «Sat.1 am Mittag», über «Akte 05» und vieles mehr.