Die glorreichen 6

Die glorreichen 6 – Episodenfilme (Teil VI)

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Weiter geht sie, unsere Parade an denkwürdigen Episodenfilmen. Zum Abschluss stellen wir euch einen der tollsten Filme 2018 vor: «Was uns nicht umbringt».

Viele kleine Geschichten, von einem Psychotherapeuten zusammengehalten


Max (August Zirner) ist zwar Psychotherapeut, von den vielen Problemen seiner Patienten ist er allerdings selbst heillos überfordert. Seine beiden Töchter stecken mitten in der Pubertät, seine Ex-Frau (Barbara Auer) plant ein neues Leben mit einem deutlich jüngeren Mann und sein neuer Hund ist noch schwermütiger, als die vielen Menschen, die ihm tagtäglich davon erzählen, was sie alles bedrückt. Eines Tages lernt er Sophie (Johanna ter Steege) kennen. Sie erzählt ihm von ihrer Spielsucht und er verliebt sich. Ganz langsam. Doch dass sich ein Therapeut in seine Patientin verliebt, ist so eigentlich nicht vorgesehen… Um ihn herum versinken derweil die Leben vieler anderer Menschen im Chaos, die alle über kurz oder lang wieder zu Max führen. Denn nur Max weiß: Was sie nicht umbringt, macht sie stärker…

Bereits in Sandra Nettelbecks Erfolgsfilm «Bella Martha», der der Hollywoodproduktion «Rezept zum Verlieben» mit Catherine Zeta Jones als Vorlage diente, spielte er eine kleine Rolle, nun erhält der Therapeut Maximilian in «Was uns nicht umbringt» endlich seinen eigenen (und deutlich größeren) Auftritt. August Zirner («Wackersdorf») hält ein Ensemble zusammen, das sich mit Christian Berkel («Elle»), Deborah Kaufmann («Dark»), Barbara Auer («Transit»), Bjarne Mädel («25 km/h») und vielen weiteren bekannten und weniger bekannten Namen sehen lassen kann. Sie alle spielen im Trubel des Alltags verloren gegangene Seelen, die sich mit großen und sehr großen Problemen auseinander setzen müssen – vom gebrochenen Herzen über den Verlust des Ehemannes oder Partners bis hin zur bevorstehenden Kündigung, die, so komisch das auch klingen mag, schon mal in eine ungewollte Schwangerschaft münden kann.

Sandra Nettelbeck («Mr. Morgans Last Love») besitzt ein herausragendes Gespür dafür, Alltagsthemen leinwandtauglich aufzuarbeiten und im Gegenzug das Besondere im Normalen zu finden. «Was uns nicht umbringt» ist ein weiterer kleiner Geniestreich in ihrer bisherigen Vita, in dem sie genau dieses Gespür einmal mehr unter Beweis stellt.

Wie das bei den meisten Episodenfilmen so üblich ist, laufen auch in «Was uns nicht umbringt» sämtliche Handlungsstränge bei einer Person zusammen. In diesem Fall wird der Psychotherapeut Maximilian das Zentrum, der eigentlich selbst genug Probleme hat aber eben genau dadurch auch ein idealer Ankerpunkt für die verschiedenen Figuren ist. Der kompetente Zuhörer aus «Bella Martha» ist er derweil nicht mehr. Sobald seine Patienten die Praxis verlassen haben, hat er mit genau denselben Problemen zu kämpfen für die er selbst Ratschläge gibt. Natürlich ist «Was uns nicht umbringt» dadurch von Anfang an melancholisch, ja, wenn nicht gar traurig eingefärbt. Und dass Nettelbeck einmal mehr in ihrer ständig wolkenverhangenen Heimatstadt Hamburg gedreht hat, unterstreicht diese betonte Schwermut zusätzlich.

Doch wo sich andere Filme in dieser Melancholie ergehen, durchbricht Nettelbeck, die auch das Drehbuch schrieb, die gedrückte Stimmung immer wieder mit beißender Situationskomik, die sich vor allem auf die vielen komplexen Charaktere und ihre mitunter sogar skurrilen zurückführen lässt. Gezielte Pointen oder Gags benötigt es dafür gar nicht. Hier schauen sich mal zwei Figuren vielsagend an, ein anderes Mal findet Jemand einfach nicht die richtigen Worte, um seinem Gegenüber zu sagen, dass er verliebt ist – oftmals ist es auch einfach nur die Unbeholfenheit jedes Einzelnen von ihnen, die so echt und so herzlich ist, dass es entweder zum Lachen ist, oder sogar zu Tränen rührt.

Ein herausragendes Ensemble


Vom Zoowärter Hannes (Bjarne Mädel), der ein Auge auf seine autistisch veranlagte Arbeitskollegin Sunny (Jenny Shily) geworfen hat und kurzerhand in die Bresche springt, als sie gefeuert werden soll, über den Piloten Fritz (Oliver Broumis), der Flugangst hat, weil sein langjähriger Partner Robert im Sterben liegt, bis hin zum Geschwisterpaar Mark (Christian Berkel) und Henriette (Victoria Mayer), das trotz ihrer schweren Hypochondrie ein Bestattungsunternehmen leitet, vereint all diese Geschichten, die über kurz oder lang mit Max‘ Schicksal zusammenfinden, die Tragik der Umstände und eine damit einhergehende Ironie des Schicksals – man weiß nie so ganz, ob man nun lachen oder weinen soll; ein Zustand, der «Was uns nicht umbringt» kaum besser beschreiben könnte. Doch Sandra Nettelbeck geht es nicht bloß darum, ein größtmögliches Spektrum an Emotionen zu bedienen. In ihrem Film geht es vor allem auch die Kommunikation beziehungsweise darum, was passiert, wenn sie (ob nun gewollt oder nicht) fehlschlägt.

Jede einzelne Episode in «Was uns nicht umbringt» ist von fehlender Kommunikation geprägt. Am stärksten sind sogar die Szenen, in denen ganz bewusst auf Dialog verzichtet wird und einfach nur die sehr einprägsame Musik von Volker Bertelmann («Die Farbe des Horizonts») sowie die vereinzelt platzierten Evergreens für sich stehen dürfen. Und wann immer doch miteinander gesprochen wird, sind es die auf den Punkt formulierten Dialoge Nettelbecks, die uns noch tiefer in die Seele der Figuren blicken lassen.

Das von August Zirner angeführte Ensemble aus mal mehr, mal weniger bekannten Darstellerinnen und Darstellern agiert ausnahmslos fantastisch. Stellvertretend für die Vielfalt der Schauspielleistungen seien dafür vor allem drei zu nennen: Bjarne Mädel als in der Liebe unbeholfener Tierpfleger, von dem wir sogar gern noch ein klein wenig mehr gesehen hätten (obwohl seine Episode eigentlich genau richtig lang ist), erweist sich als absoluter Szenendieb, wenn er die Tragik seiner Figur absolut treffend hervorkehrt und mit einer ordentlichen Portion trockenem Humor würzt. Christian Berkel und Victoria Mayer («Hin und weg») kratzen als fast symbiotisches Geschwisterpaar hier und da zwar schon ein wenig an einer Karikatur, fügen sich aber ebenfalls stimmig ins Gesamtbild – auch hier gilt letztlich: Ihr Handlungsstrang gibt genau das her, was sie hier spielen. Und August Zirner hält das Figurengefüge zwar weitestgehend zusammen, doch seine ebenfalls angeknackste Psyche verleiht dem Ganzen eine Instabilität, die zusätzlichen Drive in die Geschichten bringt. Am Ende steht nur noch die Frage im Raum, wann all das wohl zum Einsturz kommt, oder eben, wie es all diesen maroden Seelen gelingt, sich wieder aus dieser Situation heraus zu manövrieren.

In diesem verschwommenen Grau-in-Grau des Alltags findet Kameramann Michael Bertl («Mr. Morgans Last Love») immer wieder kleine Details, die jede Figur besonders, jedes Handeln einzigartig und jeden Gedanken liebenswert machen. Mit irgendeiner von den vielen Figuren wird man sich am Ende garantiert identifizieren können. Und wenn nicht mit den Figuren selbst, dann doch zumindest damit, dass man sich eine Situation so ganz anders vorstellt, als sie am Ende verläuft – das vielleicht schönste inszenatorische Gimmick in «Was uns nicht umbringt» ist nämlich, dass Sandra Nettelbeck Realität und Wunschvorstellung immer wieder radikal einander gegenüberstellt.

Fazit


«Was uns nicht umbringt» ist ein emotionaler Episodenfilm über Ängste, Sehnsüchte und Hilflosigkeit – aber auch darüber, wie wir uns aus eigener Kraft wieder daraus befreien können. Tolle Darsteller, wunderschöne Musik und eine in ihrer Trostlosigkeit malerische Kulisse machen aus Sandra Nettelbecks Werk ein absolutes Must See.

«Was uns nicht umbringt» ist seit dem 15. November in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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