Filmfacts «The Favourite – Intrigen und Irrsinn»
- Regie: Giorgos Lanthimos
- Produktion: Ceci Dempsey, Ed Guiney, Lee Magiday, Giorgos Lanthimos
- Drehbuch: Deborah Davis, Tony McNamara
- Darsteller: Olivia Colman, Emma Stone, Rachel Weisz, Nicholas Hoult, Joe Alwyn
- Kamera: Robbie Ryan
- Schnitt: Giorgos Mavropsaridis
- Laufzeit: 120 Minuten
- FSK: ab 12 Jahren
Aus diesem Konzept formte der Grieche eine mit bewusst atonalen Dialogen versehene, spröde-humorige Geschichte voller moralischer Sackgassen. «The Killing of a Sacred Deer» letztlich war eine als stiller Psychothriller getarnte, staubtrocken-pechschwarze Komödie über einen Mann, der überlegen muss, ob er einen (vermeintlichen?) Fluch für bare Münze nimmt und zur Aufhebung dieser Verwünschung ein Familienmitglied tötet. Kurzum: Entweder liegt man auf Lanthimos Wellenlänge, die entrückten Humor und gezielt atonal-sperrige Gespräche umfasst, oder der Regisseur sorgt für saftige Fragezeichen über dem eigenen Kopf. Ein Mittelding war bei Lanthimos bis dato unmöglich.
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Aber es ist zweifelsohne eine in sich schon überaus komische Verkehrung dessen, was Giorgos Lanthimos bislang getan hat. «The Favourite – Intrigen und Irrsinn» ist nämlich sein erster Historienfilm. Und nachdem der Regisseur die Menschen in seinen kontemporären und futuristischen Settings hat sperrig sprechen lassen, ist es auf seltsame Art konsequent, dass nun das Personal seines Historienfilms, wo staubig-entrückte Sprache sonst zur Tagesordnung gehört, mit moderner Spritzigkeit vor sich hin züngelt.
Und genau daraus generiert sich der offensichtlichste, amüsanteste Reiz von «The Favourite – Intrigen und Irrsinn»: Waren Lanthimos' vorherige Filme nur aus bestimmten Perspektiven Komödien, und dann obendrein noch getarnte, ist «The Favourite – Intrigen und Irrsinn» eine unverhohlene Komödie voller sarkatischer, spitzzüniger Dialoge. Das Drehbuch-Team Deborah Davis & Tony McNamara sowie Lanthimos formen aus der weitestgehend wahren Geschichte der englischen Königin Anne (Olivia Colman), ihrer Hofdame Lady Sarah Churchill (Rachel Weisz) und deren Cousine Abigail Masham (Emma Stone) eine Art "«Girls Club» über den englischen Adel im frühen 18. Jahrhundert".
Es wird gelogen, betrogen und um Macht sowie Zuneigung gefeilscht – und das nicht etwa in steifer «Maria Stuart, Königin von Schottland»-Manier, sondern mit der anachronistischen Ironie, Rotzigkeit und Keckheit einer genialen Teeniekomödie aus der Post-John-Hughes-Ära. Emma Stone übernimmt in «The Favourite – Intrigen und Irrsinn» als aufgrund der Spielschulden ihres Vaters gefallene Adelige, die sich wieder hocharbeiten möchte, den süffiantesten Part: Mit dem selbstironischen, schlagfertigen Schnattermaul einer Teeniefilm-Protagonistin lacht sie alle Pein hinfort, die ihr aufgrund ihres gesellschaftlichen Stands zu jener Zeit als zumutbar galt. Da wird auch mal mit lasziv-sarkatischer Aggressivität nach der Auspeitschung gefragt, mit der sie bestraft werden soll, und an anderer Stelle begrüßt sie einen adeligen Verehrer mit augenzwinkernd-freudigem Glühen, ob er in ihr Gemach gekommen sei, um sie zu hofieren oder um sie zu vergewaltigen.
Emma Stone, und hier kommt ein sonderbarer Filmvergleich, meistert also das, was Seth MacFarlane in seinem Comedywestern «A Million Ways to Die in the West» versucht hat: Der «Family Guy»-Schöpfer spielt in dem kommerziellen Misserfolg aus dem Jahre 2014 einen Schafsfarmer im Jahr 1882, der als Einziger in seinem Umfeld die "Normalität" seiner Zeit hinterfragt und sich mit Galgenhumor durch die fraglichen Gegebenheiten, die er nicht ändern kann, scherzt und wundert. Was bei MacFarlane jedoch als Gag rasch an seine Grenzen gerät, variiert Stone mit wandelbarer Mimik, funkelnden Augen, nuanciertem Gestus und ihrer markanten Stimme, die wie geschaffen für sarkatische Randbemerkungen ist, so gekonnt ab, dass es immer wieder neu und überraschend ist.
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Olivia Colman schlussendlich meistert die immens schwierige Aufgabe, aus einer vermeintlichen Witzfigur eine runde, geradezu tragische Figur zu formen. Mit viel zu großem Appetit, schmerzenden Gelenken und juckender Haut, sowie einem gigantischen seelischen Schaden, den über ein Dutzend Kindstode ihr zugefügt haben, erscheint die dauernervöse Queen Anne eingangs wie ein unfähiges Wrack. Colman aber verleiht ihr durch ihr Spiel eine nachvollziehbare, bei aller Verletzlichkeit noch immer hellwache Persönlichkeit, was in eine wahrlich denkwürdige Schlussszene mündet.
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Fazit: «The Favourite – Intrigen und Irrsinn» ist eine brillant gespielte Komödie voller spritzig-sarkastischer Dialoge, die den Machtkampf am englischen Hofe zu Beginn des 18. Jahrhunderts überaus originell und denkwürdig anpackt. Ein Kinobesuch ist hier absolutes Muss!
«The Favourite – Intrigen und Irrsinn» ist ab sofort in vielen deutschen Kinos zu sehen.
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