RTLplus-Marktanteilsentwicklung
- 16/17: 0,9% / 0,8%
- 17/18: 1,2% / 1,0%
- 18/19: 1,5% / 1,3% (bis November)
Durchschnittliche Saison-Marktanteile ab 3 / 14-49 Jahren.
Das ist zweieinhalb Jahre nach der Revitalisierung der Marke RTLplus eine alles in allem ziemlich jämmerliche Bilanz, die in geradezu grotesk anmutendem Widerspruch zu ihrer Marktanteilsentwicklung (siehe Infobox) steht. Das Rätsel lässt sich nach einigen ähnlichen Erfahrungen bei älteren Spartensender der beiden großen privaten Sendergruppen relativ simpel lösen, denn auch bei Nitro, Maxx, Gold und Co. sind die wahren Garanten für starke Marktanteile in der Breite selten die Eigenproduktionen, sondern viel häufiger altbekannte Marken, die längst viel zu abgenutzt für das Hauptprogramm sind, in der zweiten, dritten oder vierten Reihe aber einen späten zweiten, dritten oder vierten Frühling feiern. Das ist nicht unbedingt das, was sich der TV-Liebhaber wünscht und es ist vor allem nicht das, was einem Sender Relevanz verschafft - aber es ist das, was einen Spartenkanal aktuell am wirtschaftlichsten und einfachsten durch den Programm-Alltag bringt.
Neue Kochshow, neue Chance - bei wenigen Gefahren
Das Daytime-Aufgebot von RTLplus ist derzeit mit das erschreckendste Beispiel für eine knallhart auf Wirtschaftlichkeit getrimmte Programmpolitik: Regelmäßig geben sich zwischen ca. 2 Uhr und 20:15 Uhr Straf-, Jugend- und Familiengericht die Klinke in die Hand, unterbrochen lediglich von einer «Staatsanwalt Posch ermittelt»- und zwei «mieten, kaufen, wohnen»-Folgen. Damit fährt man aus Quotensicht gut, setzt aber natürlich keinerlei Akzente, die in irgendeiner Weise vorzeigbar wären. Dieses Bisschen Minimalrelevanz soll nun «Essen & Trinken - Für jeden Tag» schaffen, das vorerst 82 Mal montags bis freitags auf Zuschauerjagd geht und inmitten all der ollen Kamellen mit ungewohnter Frische überrascht. Die immense tägliche Richter-Dosis reduziert RTLplus im Zuge dessen aber nicht, stattdessen muss das vergleichsweise quotenschwache «mieten, kaufen, wohnen» um 17 Uhr dran glauben.
- TV Now / Markus Hertrich
Nur nix anbrennen lassen: Meta Hiltebrand (r.) und Ludwig Heer stehen für die neue RTLplus-Sendung am Herd.
Sollte das neue kulinarische Format dem Publikum also nicht so recht munden, wären die Folgen für den Sender also überschaubar: Der betreffende Slot war ohnehin bislang eher ein Ladenhüter und die RTLplus-Erfolgsschiene bliebe unangetastet. Und auch sonst ist die von Riverside Entertainment in Kooperation mit tibool Media hergestellte Produktion nicht gerade darauf ausgerichtet, groß ins Risiko zu gehen: Das Format beruht auf der gleichnamigen Kochzeitschrift Gruner + Jahr, auf deren Titelbild seit Jahren Tim Mälzer zu sehen ist - und in dessen Kochstudio "Bullerei" die Produktion auch erfolgt. Somit ist der Neustart sicherlich auch ein Stück weit als Cross-Promotion für die Zeitschrift zu verstehen, in der wiederum auf die Fernsehsendung verwiesen werden dürfte. Die damit verbundenen Implikationen für Auflage und Präsenz der Marke dürften die eine oder andere Quotendelle deutlich aufhübschen.
Und auch konzeptionell erfindet RTLplus nun wahrlich nicht das Rad neu: Unter dem (übrigens auch der Zeitschrift entnommenen) Motto "Schnell! Einfach! Lecker!" kreieren in der Sendung zwei Profi-Kochteams im täglichen Wechsel tolle Alltagsgerichte zum Nachkochen, wobei jede Folge unter einem bestimmten Motto steht. Mit dabei sind die Schweizer Chefköchin Meta Hiltebrand und Küchenmeister Ludwig Heer sowie die Konditorenweltmeisterin Andrea Schirmaier-Huber und der Kochspezialist Ronny Loll. Die Rezepte stammen ebenfalls von Gruner + Jahr. Man könnte auch sagen, dass die Sendung in vielerlei Hinsicht eine Bewegtbild-Adaption eines bereits in Zeitschriftform existierenden konzeptionellen Grundgerüsts ist - was alleine freilich noch keine Erfolgsgarantie mit sich bringt, liegt die aktuelle Auflage der Zeitschrift doch gerade einmal im hohen fünfstelligen Bereich. In der TV-Welt hieße das: kurz vor nicht messbarer Einschaltquote.
RTLplus hat aus seinem jungendlichen Leichtsinn gelernt
Trotzdem haben die Programmverantwortlichen die Risiken von «Essen & Trinken» durch dessen Grundkonzeption auf ein Minimum reduziert: Ersetzt wird nur eine mau laufende Uralt-Dokusoap, falls das Interesse überschaubar bleibt, hat man immerhin ein wenig Werbung für die gleichnamige Zeitschrift gemacht und zugleich kann man die häufig zu hörende Kritik, RTLplus versende nur inhaltlich gar nicht mal so gute Überbleibsel von der Resterampe des Hauptprogramms, neuerdings empört zurückweisen. Große Freudensprünge bei den Fernsehgourmets sind wohl nicht zu erwarten, doch auf deren Freude mag man seit den beinahe ausschließlich enttäuschenden Erfahrungen mit den Neuauflagen von «Jeopardy», «Ruck Zuck», «Familienduell», «Glücksrad» und «Der Preis ist heiß!» auch gerne verzichten.
Damals nämlich, als RTLplus noch unter jugendlichem Leichtsinn litt und allzu motiviert Geld und Mühe in die Revitalisierung beliebter Marken aus den 90ern steckte, blieb die Belohnung durch das Publikum weitgehend aus: Quasi immer wurde am Vorabend die Prozenthürde verfehlt und auch inhaltlich waren manche Fans der guten, alten Zeit mit den Remakes nicht so recht zu beglücken. Immerhin wirkte die Aufmachung viel billiger als in den 90ern, die Moderation zumindest von Inka Bause und Jan Hahn hölzern, die zu gewinnenden Kleckerbeträge nicht wirklich attraktiv, das oft nur wenige Seelen umfassende Publikum armselig. Was für RTLplus eine gewaltige monetäre und organisatorische Investition war, kam beim Rezipienten eher als blutarmer, semi-charmanter Versuch an, Relikte aus der Vergangenheit künstlich wiederzubeleben. Das ist schade um das (im Rahmen der Möglichkeiten) wahrlich liebevoll produzierte «Der Preis ist heiß!», es ist schade um ein «Ruck Zuck», das nicht wirklich schlechter war als das Original und es ist schade um den generellen Ansatz, den Sender nicht nur als Gelddruckmaschine zu betrachten. Aber letztendlich dürfte es kaum jemanden geben, der den neuen alten Gameshows allzu viele Tränen nachweint. Ob sich «Essen & Trinken» wird behaupten können, ist freilich genauso fraglich - ein Flop würde aber weitaus weniger schmerzen.
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