Die Kritiker

«Tatort – Der Pakt»: Striesows Abschiedsvorstellung

von

Devid Striesows letzter «Tatort»-Einsatz beginnt und endet mit guten Ideen, dazwischen überzeugt leider nur wenig.

Cast und Crew

  • Regie: Zoltan Spirandelli
  • Drehbuch: Michael Vershinin, Zoltan Spirandelli
  • Darsteller: Devid Striesow, Elisabeth Brück, Hartmut Volle, Sandra Maren Schneider, Sandra Steinbach, Franziska Schubert, Lucie Hollmann, El Mehdi Meskar, Jaschar Sarabtchian, Thomas Bastkowski, Christoph Bautz, Aylin Werner
  • Kamera: Wolf Siegelmann
  • Schnitt: Magdolna Rokob
Und tschüss! Mit «Tatort – Der Pakt» erlebt Kriminalhauptkommissar Jens Stellbrink seinen achten Fall innerhalb von sechs Jahren – und seinen letzten. Die saarländische «Tatort»-Reihe mit Devid Striesow stand von Anfang an unter einem schlechten Stern: Obwohl das Debüt über neun Millionen Menschen ansprach, galt es aufgrund übermäßig vieler negativer Reaktionen seitens des Fernsehpublikums sowie der Kritiker als Misserfolg, auch der im Block mit der Auftaktfolge gedrehte zweite Teil fand kaum Anklang. Vornehmlich hieß es, der Versuch einer weiteren komödiantischen «Tatort»-Reihe sei kalkuliert gewesen und nach hinten los gegangen – und der verantwortliche SR würde Striesows immenses Talent gnadenlos verschwenden.

Spätere Ausgaben schienen auf diese erste Welle an negativer Kritik einzugehen, drosselten etwa sukzessive die Kauzigkeit der Stellbrink-Fälle, Ausgabe fünf, «Totenstille» schien im Januar 2016 glatt wie ausgewechselt, gab sich ruhig, nachdenklich und leicht sinnlich – doch weiterhin sollte die Reihe nicht den richtigen Ton treffen, um zu überzeugen. Erst Fall sechs kam Anfang 2017 wenigstens auf einen soliden Kritikerkonsens, doch schon Anfang 2018 folgte mit einem antiquitierten Fall für Stellbrink und seine oft vergessene Kollergin Hauptkommissarin Lisa Marx (Elisabeth Brück) die nächste Schlappe. Aber was soll's – noch vor Veröffentlichung des siebten Striesow-Krimis gab der Mime bereits bekannt, den «Tatort» verlassen zu wollen.

Und das muss man dem Autorenteam Michael Vershinin und Zoltan Spirandelli lassen: Sie gehen clever mit dem unzeremoniellen Ende der Reihe um. Kurz nach Beginn des achten und letzten Stellbrink-Falls spricht er lieblos einen Abschied aus ("Irgendwann ist ja mal Schluss", gähnt Striesow ironisch). Nicht aber von seinem Weggang spricht er, sondern von dem der Polizistin Mia Emmerich (Saarland-«Tatort»-Wiederholungstäterin Sandra Maren Schneider). Und selbst das ist eine Täuschung, denn sie verlässt das Leben als einfache Polizistin, um nun zur Kommissarin zu werden. Zoltan Spirandelli inszeniert das mit gutem Timing und leicht klobiger, aber effizienter Bildsprache – lässt so aber Gedankenspiele zu, wie es der «Tatort»-Reihe wohl ergangen wäre, hätte sie ihren Humor durchweg in solch einer Art vermittelt.

Dann aber genug der Selbstthematisierung auf der Meta-Ebene. Der eigentliche Fall muss her, und der sieht so aus: Die Schwesternschülerinnen Vanessa und Anika sehen sich verblüffend ähnlich und befinden sich beide im zweiten Ausbildungsjahr. Sonst sind sie aber unterschiedlich – so ist Vanessa ein begeisterungsfähiges Partytier, während Anika von der ernsten Sorte ist. Daher lässt Anika auch die große Party mit ihren Kolleginnen und diversen attraktiven Assistenzärzten sausen, um sich stattdessen ihrem Engagement für die Initiative "Mediziner für Illegale (MefI)" zu widmen. Dort hat sie auch den koptischen Christen Kamal Atiya kennengelernt, der mit seinem kleinen Bruder Raouf aus Ägypten geflohen ist. Die Brüder werden in Deutschland geduldet – wie Anika erfährt jedoch nur aufgrund eines moralisch fragwürdigen Deals: Kamal ist Zuträger für die Ausländerbehörde und muss eine Quote an Denunzierungen erfüllen.

Die idealistische Schwesterschülerin drängt ihn dazu, dies öffentlich zu machen. Wenige Zeit später macht sie in ihrem Wohnheim eine grauenvolle Entdeckung: Vanessa liegt ermordet in ihrem Zimmer. Für die Polizei liegt der Fall auf der Hand: Kamal war es, er hat Vanessa mit Anika verwechselt. Doch war es wirklich so einfach?


El Medi Meskar spielt den Asylsuchenden, der sein Land verlassen hat, um der dort vorherrschenden Gewalt zu entfliehen, und sich nun in Deutschland als Denunziant verdingen muss und schon wieder mit Gewalt zu tun bekommt, einfühlsam. Jedoch enttäuscht das Drehbuch, indem es die tragische Rolle an den Rand ihrer Geschichte drängt. «Der Pakt» ist kein Drama über die Schwierigkeit, in Deutschland Fuß zu fassen, geschweige denn über institutionalisierten Rassismus. Es ist ein Fließbandkrimi mit Verhören, den obligatorischen irreführenden Verdächtigungen, die von der sich sukzessive stärker herauskristallisierenden, richtigen Spur ablenken sollen, und mit einem Ermittler, der seinen Gedankengang in leicht verdaulichen Häppchen ausformuliert.

Die Nebendarsteller erhalten keine Chance, Eindruck zu hinterlassen, und auch Striesow hat weitestgehend kaum Gelegenheit, in diesem funktional gefilmten Krimi sein großes Schauspieltalent zur Geltung zu bringen. Nur zum Schluss wird Striesow gefordert – und da muss er gegen einen aggressiv die Emotion des Moments überbetonenden Popsong anspielen, was sogleich doppelt schade ist. In ihren letzten Atemzügen versucht die Stellbrink-Reihe, über sich hinauszuwachsen und ein Statement über das Genre zu setzen – doch nicht nur, dass es diesem Moment am dramaturgischen Fundament fehlt, auch punktuell, rein auf die Sequenz bezogen, verliert dies aufgrund der aggressiven Musikwahl an Wirkkraft. Aber rein schon für die Idee gebührt den Machern ein Grundmaß an Respekt.

In dem Sinne: Tschüss, Kriminalhauptkommissar Stellbrink. Und viel Erfolg mit den Projekten, für die Sie nun Zeit haben, Herr Striesow!

«Tatort – Der Pakt» ist am 27. Januar 2019 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.

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