Serientäter

«Teen Titans Go!»: Verhasst und doch erfolgreich

von   |  1 Kommentar

Das Internet ist voll mit Verrissen der DC-Serie «Teen Titans Go!», doch sind die turbulenten Abenteuer der jugendlichen Superheldentruppe wirklich so grauenvoll, wie es so oft heißt?

Die Produktionsfirmen der Serie

  • Copernicus Studios
  • Bardel Entertainment
  • DC Entertainment
  • Warner Bros. Animation
Bei IMDb hat sie eine Benotung von 5,0/10 Punkten, basierend auf 14.294 Abstimmungen. Sage und schreibe 6.030 mal wurde bei IMDb die Tiefstnote von 1,0 vergeben. Bei TV.com hat sie sogar bloß 3,9 von 10 Punkten. Wer unter einen Webartikel oder ein Webvideo über diese Serie in die Kommentarsektion blickt, findet ein völliges Schlachtfeld vor, in zahlreichen Rankings wurde sie zu einer der schlechtesten Superheldenserien der TV-Geschichte gewählt. Und selbst im serieneigenen Fanwiki gibt es bei den Episodenartikeln häufig längere Absätze darüber, weswegen die Folge als schlecht erachtet wird. Man sollte denken, dass «Teen Titans Go!» ein televisionärer Auffahrunfall ist, den die Verantwortlichen eilig ins Reich der Vergessenheit bringen wollen. Doch weit gefehlt.

Seit 2013 sind über 225 zirka elfminütige Episoden entstanden, weitere sind bereits in Arbeit. 2018 kam sogar ein «Teen Titans Go!»-Kinofilm heraus, der dem Format weitere Aufmerksamkeit einbrachte. Und es verwundert keineswegs, weshalb «Teen Titans Go!» weiter macht und weiter macht, ganz gleich, was zornige Teenager und Erwachsene im Internet über diese Serie schreiben. Denn diese Animationsserie ist mit ihren hervorragenden Quoten einer der Stützpfeiler ihres Heimatsenders Cartoon Network. Also: Ist «Teen Titans Go!» das Cartoon-Äquivalent behämmerter, billig produzierter Nachmittags-Schundsendungen, die aus unerklärlichen Gründen gut laufen, obwohl sie qualitativ nichts zu bieten haben? Oder, und das mag eine sehr gewagte Frage sein: Tut "das Internet" «Teen Titans Go!» etwa Unrecht? *hier dramatischen Tusch vorstellen*

Hass von jenen außerhalb der Zielgruppe


Die meisten negativen Kritiken zu «Teen Titans Go!» lassen sich schnell zusammenfassen: Sehr viele Comicfans bemängeln, dass diese kindertaugliche Comedy-Trickserie eine kindertaugliche Comedy-Trickserie ist und schimpfen, sie sollte doch lieber ein ernsteres Format sein. Das ist ungefähr so, als verreiße man «The LEGO Batman Movie» allein deshalb, weil es kein dramatischer Thriller im Stile der Nolan-Batman-Filme ist oder die Filme des Marvel Cinematic Universe, weil in ihnen zu wenig Schädel eingeschlagen und Eingeweide rausgerissen werden, obwohl es doch Marvel-Comics gibt, in denen genau das passiert.

Cartoon Network und Warner Bros. Animation haben sich, zugegebenermaßen, einen Teil dieses Fanjähzorns selbst eingebrockt, weil sie die 2003 gestartete Trickserie «Teen Titans» im Anime-Look, die eher jugendorientiert und actionreich war, plötzlich eingestellt haben, obwohl ihre Quoten weiterhin ansehnlich waren. Der Grund dafür war angeblich, dass man auf Senderseite mit den inhaltlichen Plänen für eine in Vorproduktion befindliche Staffel nicht zufrieden war.

Dass Fans dieser «Teen Titans»-Serie den Sender mit erbostem Feedback zuschütten, und die Frage aufwerfen, weshalb man nicht erst versucht hat, sich auf eine andere Storyline zu einigen, ist verständlich. Eine andere Serie mit derselben Inspirationsquelle, die aber einen ganz anderen Tonfall und ein anderes Publikum anspricht, jahrelang in der Luft zu zerreißen, ist unsinnig – und wie man nach über 225 Episoden «Teen Titans Go!» einsehen sollte, obendrein fruchtlos.

Das Superhelden-«Family Guy» für Kinder und Fans absurder Komik


Lässt man sich erst einmal auf «Teen Titans Go!» ein, bekommt man eine Trickserie im farbenfrohen, niedlichen Look und mit stabilem Animationsstil geliefert, die sich in groben Zügen als Junior-«Family Guy» mit Superhelden bezeichnen lässt. Frei nach Seth MacFarlanes Anarcho-Rüpeltrickserie kann in «Teen Titans Go!» alles mögliche passieren – und keine Kontinuität der Welt kann die Serienmacher davon abhalten. Der Cyborg-Superheld Cyborg und der sich in Tiere verwandelnde Beast Boy halten einen Anstarrwettbewerb ab, der 30 Jahre dauert? Ja, warum nicht. Alle Teen Titans sterben in einem Vulkan? Ja, gut, passiert. Teenager Robin bekommt einen Schulverweis und landet daher als Penner auf der Straße, wo er freudlos fett und alt wird? Jepp.

Wie wäre es mit einer Folge, die zu 50 Prozent daraus besteht, dass die Titans über ein Fernsehspecial sprechen, das es nicht gibt? Ja, natürlich, schnallt euch an für abstruse Superlative und völlig erzürnte Internetkommentare von Leuten, die längt hätten kapieren müssen, dass die Serie wohl nicht für sie gemacht ist! Halten wir den Plot für eine «DuckTales»-Hommage an? Ja, halten wir den Plot für eine «DuckTales»-Hommage an. Batman wird in einen Truthahn verwandelt und als Thanksgiving-Mahl serviert? Sorry, Batsy, wir haben halt Hunger …

Das oberste Gesetz von «Teen Titans Go!» ist: Absurdität schlägt innere Logik einer Einzelepisode, innere Logik einer Einzelepiode schlägt Storykontinuität. Wer diese Serie einschaltet, muss das schnell kapieren und goldenen Kälbern wie der anderen «Teen Titans»-Serie oder dem geheiligten Status anderer DC-Helden bschwören, sonst droht der metaphorische Tod durch Gehirnaneursmya. Entlohnt wird man fürs Einlassen auf «Teen Titans Go!» mit einer (so weit es die Familientauglchkeit zulässt) unberechenbaren Trickserie, in der nichts heilig ist und dank der gebotenen Regellosigkeit ein wildes Sammelsurium an Ideen auf das Publikum losgelassen werden. Wie wäre es mit einer Folge in 8- und 16-bit-Videospieloptik? Einer Folge mit Marionetten? Einer Folge im hyperstylischen 80s-Look? Einer Parodie auf grottenschlechte, billig animierte Superheldenserien von vor mehreren Jahrzehnten? Was, unsere zynischen, selbstsüchtigen Helden sehen ein, dass sie als Superschurken besser dran wären? Ja, warum nicht …

Kritik lässt sich dennoch anbringen


So ermüdend der Hass auf «Teen Titans Go!» auch sein mag, den Internetuser auf die Serie loslassen, weil sie durch ihre bloße Existenz ihre "Kindheit zerstört hat": Es ist keinesfalls so, als wäre es unmöglich, Kritikpunkte an der Serie zu finden. So tut sich die Serie in all ihrer Regelverachtung schwer, sich auf eine zentrale Altersgruppe zu fokussieren. Man sollte denken, dass eine Serie, in der Helden wiederholt (undramatisch) sterben, an massiver Selbstsucht leiden (die nie kuriert wird) und auch mal nahtlos ins Schurkentum übergehen, sich eher an ältere Kinder (und aufwärts) richtet. Ganz davon zu schweigen, dass die Jubiläumsfolge Nummer 200 von den grausigen Produktionsbedingungen animierter Fernsehserien handelt.

Doch wie passt das dann dazu, dass «Teen Titans Go!» unter anderem eine sehr kleinlich-pädagogische Folge über ausgewogene Ernährung hat, eine über die Bereicherung des eigenen Vokabulars durch bildhafte Sprache, eine wetere über die Bedeutung von Zahnhygiene, noch eine über Badezimmer-Ettikette oder auch eine über den Umstand, dass jeder Mensch mehrere Charaktereigenschaften hat?

«Teen Titans Go!» kann also für Eltern frustrierend sein, weil eine Handvoll an Vorschulepisoden einen falschen Eindruck erweckt – die meisten Folgen dürften Vorschulkindern eher wenig bieten, manche sogar dieses sehr junge Publikum überfordern. Auf der anderen Seite werden ältere Kinder (und Erwachsene), die an «Teen Titans Go!» den Meta-Humor, die bissige Selbstironie und die kreative Absurdität schätzen, sich gelangweilt durch Folgen mit solch niedrigen Ambitionen wie der Lektion "Iss immer schön brav dein Obst und dein Gemüse" kämpfen müssen.

Doch das rechtfertigt noch lange nicht den grauenvollen Ruf, den «Teen Titans Go!» online genießt. Andererseits hat dieser die «Teen Titans Go!»-Macher zu einigen herrlich gehässigen Rückantworten inspiriert, inklusive elaborierter Aprilscherze und sarkastischen Meta-Folgen. Die gehören sogar zu den gelungensten «Teen Titans Go!»-Momenten. Insofern: Hasst ruhig weiter, ihr Hater!

«Teen Titans Go!» ist mehrmals täglich Cartoon Network zu sehen und via Amazon, iTunes und Netflix abrufbar.

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
ingo.mertens
13.02.2019 08:22 Uhr 1
Wer diese herrlich absurde, selbstironische und an Querverweisen zur Popkultur reiche Serie nicht gut finden kann, ist sich meines Mitleids gewiss. Dadurch wird TTG auch gerade für Erwachsene zur urkomischen Unterhaltung, während sich die Kids bestens mit den Ängsten, Zwangsneurose und Schrulligkeiten dieser selbsternanntensSuperhelden-WG identifizieren können.
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