Die Kino-Kritiker

«The Prodigy» - Gruselkind im Anmarsch

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In Nicholas McCarthys Horrorfilm «The Prodigy» muss sich ein kleiner Junge plötzlich mit einer fremden Macht herumschlagen, die Besitz von ihm ergriffen hat.

Filmfacts: «The Prodigy»

  • Eventstart: 7. Februar 2019
  • Genre: Horror
  • Laufzeit: 92 Min.
  • FSK: 16
  • Kamera: Bridger Nielson
  • Musik: Joseph Bishara
  • Buch: Jeff Buhler
  • Regie: Nicholas McCarthy
  • Darsteller: Jackson Robert Scott, Taylor Schilling, Brittany Allen, Colm Feore, Peter Mooney
  • OT: The Prodigy (HKG/USA 2019)
Stolz verkündete Regisseur Nicholas McCarthy («The Pact») im vergangenen Jahr, dass sein neuer Film «The Prodigy» nach einem Testscreening noch einmal durch den Schnitt musste. Das Publikum habe an einer Stelle einfach so laut und so lange geschrien, sodass man den Dialog nach einem Jumpscare einfach nicht mehr verstehen konnte. Nun kommt die zigste Geschichte um ein dämonisches Kind in die deutschen Kinos und soviel können wir verraten: Die genreerprobten Editoren Tom Elkins («Annabelle») und Brian Ufberg («Zodiac – Die Spur des Killers») haben einen derart guten Job gemacht, dass sich jetzt nicht einmal mehr erahnen lässt, an welcher Stelle die Zuschauer denn so außer sich geraten sein müssen, dass sie sich vor Gekreische nicht mehr eingekriegt haben. Ein Schelm, wer hinter der Meldung nur leidlich kreatives PR-Gewäsch vermutet… Aber abseits von dieser fragwürdigen Legende ist «The Prodigy» im Großen und Ganzen wirklich solide geraten.

Die Prämisse eines besessenen Dreikäsehochs ist zwar beileibe nicht neu und gerade beim Ende hat man sich offenkundig an einem ähnlich gelagerten Klassiker orientiert, sodass wir den Titel aus Spoilergründen auch gar nicht erst nennen wollen. Doch der in sich runde, absolut konsequent erzählte Schocker setzt vorwiegend auf Atmosphäre und weniger auf platte Schreckmomente und hat damit einem Großteil moderner Genrekonkurrenz viel voraus.

Was ist nur mit Miles los?


Der jungen Mutter Sarah (Taylor Schilling) und ihrem Ehemann John (Peter Mooney) fällt seit einiger Zeit das beunruhigende Verhalten ihres jungen, hochbegabten Sohnes Miles (Jackson Robert Scott) auf. Alles deutet darauf hin, dass eine böse, womöglich übernatürliche Kraft von ihm Besitz ergriffen hat. Er spricht plötzlich eine fremde Sprache und murmelt böse Sätze im Schlaf, die gegenüber seinen Eltern immer bedrohlicher werden. Sarah muss sich entscheiden zwischen ihrem Mutterinstinkt, Miles zu lieben und zu schützen und dem verzweifelten Verlangen herauszufinden, was – oder wer – dafür verantwortlich ist. Sie wird gezwungen, in der Vergangenheit nach Antworten zu suchen und muss schnell feststellen, dass die Grenzen zwischen Wahrnehmung und Realität immer mehr verwischen. Gibt es Heilung für den besessenen Miles, der von Tag zu Tag unberechenbarer wird?

Newcomer Jackson Robert Scott ist gerade einmal zehn Jahre alt und doch schon ein alter Hase was das Mitwirken in Horrorwerken angeht. 2017 war er in einer Episode der Zombieserie «Fear the Walking Dead» zu sehen, eh er sich als vom Gruselclown Pennywise in die Kanalisation entführter Georgie in die Herzen der «Es»-Zuschauer spielte. «The Prodigy» ist nun sein zweiter Kinofilm und eine größtmögliche darstellerische Spannbreite lässt sich derzeit wohl kaum einem anderen Darsteller in seinem Alter attestieren. Aus dem entführten, traurigen Opfer ist ein echter Satansbraten geworden, der seine Mutter auch schon mal im Schlaf Schimpfworte an den Kopf knallt, den Hund erschlägt, oder aus purer Raserei heraus auf einen Klassenkameraden eindrischt, eh eine Lehrkraft ihn davon abhalten kann, ihm vollständig den Garaus zu machen.

Obwohl Wunderkind Miles seinen Eltern Sarah und John maximal bis zur Hüfte reicht, reißt Scott mit seiner Performance sämtliche Szenerien an sich; gerade weil man ihm derartige Taten eigentlich gar nicht zutraut und der Jungschauspieler diesen Eindruck zusätzlich untermauert, indem er bis zum durch und durch konsequenten Finale nie ganz aus sich herauskommt – eine Steigerung zu seinem bis dahin bereits alles andere als normalen Verhalten eines Heranwachsenden muss es schließlich geben.

Oldschool-Horrorkino statt Hollywood-Hochglanz


Jackson Robert Scott ist es auch, der den erwachsenen Schauspielern hier durch die Bank die Show stiehlt. «Orange is the New Black»-Star Taylor Schilling und ihr Film-Ehemann Peter Mooney («We Were Wolves») mimen die besorgten Eltern aufopferungsvoll, kommen allerdings gerade in den darstellerisch ausufernden Szenen nie so ganz aus sicher heraus. Es sind vor allem die zwischenmenschlich-emotionalen Momente, in denen die beiden überzeugen, gleichzeitig macht es schon Sinn, dass sie die Bühne in erster Linie dem Newcomer überlassen. Dem Newcomer und der Inszenierung, denn Nicholas McCarthy wählt für «The Prodigy» einen inszenatorischen Ansatz fernab von glatt poliertem Blumhouse-Horror.

Bereits im Rahmen des Prologs, der außerdem den schon eher abstrusen Plot vorgibt – dazu später mehr – herrscht das Feeling eines charmanten Achtzigerjahre-Films vor. Die Bilder von McCarthys Stammkameramann Bridger Nielson («Holidays») sind geprägt von einer grundlegenden Düsternis und sehen dabei oft ganz schön dreckig und eben nicht nach gängiger Hochglanzoptik aus. Auch auf Computereffekte wird fast vollständig verzichtet. Kurzum: «The Prodigy» ist einfach angenehm oldschool.

Erzählerisch hat man in «The Prodigy» mehrmals schwer zu schlucken. Bereits in der Eröffnungsszene, in der sich die Geburt eines Kindes – Miles nämlich – parallel zu der Ergreifung und anschließenden Exekution eines wahnsinnigen Serienkillers abspielt, erahnt man, worauf der Plot des Films wohl hinauslaufen wird. Entsprechend überraschungsarm verläuft dann auch die Geschichte, doch anstatt hibbelig auf die Auflösung zuzusteuern, ist «The Prodigy» viel besser darin, aufzuzeigen, wie Miles‘ Umfeld die unheimlichen Vorkommnisse rund um den kleinen Jungen ergründet, die wir schon längst entschlüsselt haben. Das alles inszeniert McCarthy mit ernster Hand; Drehbuchautor Jeff Buhler («Midnight Meat Train») scheut zudem nicht davor zurück, sich an den einen oder anderen Klischees zu bedienen. Da wird eben schon mal das Haustier Opfer von Miles blutigen Gelüsten, ein an übernatürliche Kräfte glaubender Therapeut kommt zum Einsatz und dass ein von einem Dämon oder Wasauchimmer Heimgesuchter plötzlich mit der Stimme des Bösen spricht, haben wir auch schon dutzendfach in anderen Horrorfilmen gesehen.

Gleichzeitig lässt Buhler von Anfang an durchscheinen, dass es ihm nicht bloß darum geht, einfach nur Jumpscare an Jumpscare zu reihen – davon gibt es in «The Prodigy» nämlich gar nicht so viele – sondern vor allem um das Erzählen einer Geschichte. Und genau das gelingt ihm; vor allem als Horroreinsteiger ist «The Prodigy» ein hübscher Appetizer, um sich anschließend an die altbekannten Klassiker zu wagen.

Fazit


«The Prodigy» ist ein solider Gruselfilm über ein besessenes Kind, das von «Es»-Georgie Jackson Robert Scott glaubwürdig angsteinflößend verkörpert wird. Auch wenn die Story nur wenig Überraschungen bietet, hat man den positiven Eindruck, die Macher wollten vor allem eine spannende Horrorgeschichte erzählen und nicht einfach nur plump schockieren. Genau das ist ihnen gelungen.

«The Prodigy» ist ab dem 7. Februar in den deutschen Kinos zu sehen.

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