Die Kino-Kritiker

«Sweethearts» - Zwei wie Feuer und Wasser

von

Ihr Regiedebüt «SMS für Dich» war grandios. Nun legt Schauspielerin Karoline Herfurth ihr nächstes Werk als Regisseurin vor und kann diesen hervorragenden Eindruck mit «Sweethearts» bestätigen.

Filmfacts: «Sweethearts»

  • Eventstart: 14. Februar 2019
  • Genre: Action/Komödie
  • Laufzeit: 107 Min.
  • FSK: 12
  • Kamera: Daniel Gottschalk
  • Musik: Annette Focks
  • Buch: Monika Fäßler
  • Regie: Karoline Herfurth
  • Darsteller: Karoline Herfurth, Hannah Herzsprung, Frederick Lau, Anneke Kim Sarnau, Nilam Farooq, Cordula Stratmann
  • OT: Sweethearts (DE 2019)
Nur wenigen Filmschaffenden, die sich nach vielen Jahren in ihrem Metier auch einmal auf den Regiestuhl wagen, gelingt direkt mit ihrem Debüt ein Kritikererfolg. Ryan Goslings Erstlingswert «Lost River» warf man vor, lediglich eine gut gemeinte Nicholas-Windng-Refn-Hommage zu sein. Nolans Stammkameramann Wally Pfister zerriss man seinen «Transcendence» direkt in der Luft. Und auch an Ewan McGregors Drama «Amerikanisches Idyll» ließen die Feuilletonisten kaum ein gutes Haar. Als 2015 die Werbung für Karoline Herfurths Erstlingswert ein ähnliches Debakel ankündigte – der Titel «SMS für Dich» wirkte in Zeiten von WhatsApp und Co. altbacken, das Plakat und die Trailer kitschig ohne Ende – konnte sich kaum einer vorstellen, dass ihre romantische Komödie genau das eben nicht werden würde. Doch dann begeisterte ihre aufrichtige Auseinandersetzung mit dem Gefühl der Verliebtheit aus dem Stand, nicht zuletzt, weil sie den Humor sehr wohldosiert einsetzte und ihr Ensemble vor Stars nur so überschäumte. Lässt sich so ein Glücksgriff wiederholen? Ganz offensichtlich ja! Und zwar, indem Herfurth genau darauf nicht baut: Wiederholung.

Ihr Folgewerk «Sweethearts» schlägt nämlich nur sehr bedingt in die Kerbe des Vorgängerfilms, denn mit ihrem neuen Film wagt sich die Schauspielerin ans Actiongenre und legt eine sehr zielstrebig inszenierte Actionthrillercomedy vor, die bei aller Eskalation immer auf dem Boden bleibt.

Gangsterinnen wider Willen


Franny (Karoline Herfurth) ist beruflich wie privat völlig orientierungslos mit starker Tendenz zu Panikattacken. Dagegen ist die alleinerziehende Mutter Mel (Hannah Herzsprung) eine toughe Selbstversorgerin, die sich und ihrer Tochter mit einem Diamantenraub ein besseres Leben verschaffen möchte. Doch so gut Mels Plan auch ist – die Durchführung entwickelt sich eher suboptimal, und niemand hätte ihr je gewünscht, ausgerechnet Franny als Geisel zu nehmen. Franny treibt Mel mit ihren Panikattacken und „Deine Mutter“-Witzen in den Wahnsinn, während die toughe SEK-Leiterin Ingrid von Kaiten (Anneke Kim Sarnau) den beiden dicht auf der Spur ist. Und dann ist da noch der attraktive Polizist Harry (Frederick Lau), der nicht nur Franny total den Kopf verdreht, sondern gleich als zweite Geisel genommen wird. Das Chaos ist perfekt und bei dem Versuch sich einigermaßen schadenfrei aus der Situation zu manövrieren, entwickelt sich eine unerwartete Freundschaft zwischen den beiden Frauen.

Wenn man sich das Plakat so anschaut, kommt man spontan nicht auf die Idee, es bei «Sweethearts» mit einem Actionfilm zu tun zu haben, der in seinen spannendsten Momenten sogar noch eine ordentliche Portion Gangsterthriller in sich trägt. Damit bleibt sich das Marketing eines Karoline-Herfurth-Films ja schon irgendwie treu; und das ist bedauernswert, denn falsche Erwartungen werden so auf jeden Fall geschürt. Doch lassen wir das erschreckend weichgezeichnete Plakat einmal außen vor, macht die hier debütierende Drehbuchautorin Monika Fäßler von Anfang an deutlich, in welche Richtung ihr Skript in den kommenden eindreiviertel Stunden.

Nach einer kurzen, möglichst kontrastreichen Einführung der beiden Protagonistinnen – Franny ist ein Angsthäschen, Mel eine toughe Gangsterbraut – treffen die so unterschiedlichen Frauen auch schon direkt aufeinander, als Mel in einer sehr atmosphärisch inszenierten Szene, unterlegt von Imagine Dragons‘ Überhit „Thunder“, beschließt, Franny als Geisel zu nehmen. Fortan entspinnt sich auf der Leinwand einerseits ein altbekanntes Motiv von den Komplizen wider Willen, die trotz ihrer Differenzen irgendwie zueinander finden. Auf der anderen Seite inszeniert Herfurth diesen vorgezeichneten Weg immer auch unberechenbar genug, damit man den Ausgang der Geschichte nie komplett vorherzusehen vermag.

Ein Trio Infernale


Bestärkt wird dieser Eindruck zusätzlich, als mit dem Auftreten von Polizist Harry aus dem Duo ein Trio Infernale wird. Frederick Lau («Spielmacher»), der bereits in «SMS für Dich» eine wichtige Nebenrolle spielte (neben ihm besetzte Herfurth noch einige weitere Rückkehrer aus ihrem Debüt, doch dazu später mehr), verkörpert den gleichermaßen unverhofft wie skeptisch, aber auch irgendwie fasziniert in diese Situation hineingerutschten Beamten mit einer Trockenheit, dass er gleichzeitig für die besten Gags verantwortlich ist. Darüber hinaus ergänzt er die allzu gut bekannte Buddy-Movie-Figurenkonstellation stimmig und sorgt dafür, dass man mit der Zeit gar nicht mehr so recht erkennt, wer hier eigentlich der vermeintlich Gute und wer der Böse ist. Arbeiten die drei zusammen? Belauern sie sich? Aus dieser Frage entwickelt sich eine kaum einschätzbare Spannung, die bis zum Schluss aufrecht erhalten bleibt.

Passend dazu verkörpern Karoline Herfurth («Die kleine Hexe») und Hannah Herzsprung («Steig. Nicht. Aus!») ihre Hauptfiguren Franny und Mel mit Mut zu Ecken und Kanten. Während Frannys Angsthasenattitüde in den Händen weniger fähiger Darstellerinnen schnell nervig werden könnte, macht Herfurth aus ihr ein glaubhaftes Nervenbündel, in dem die Entführungssituation sukzessive ungeahnte Kräfte freisetzt. Genauso wenig eindimensional ist Mel: Wenngleich man dazu tendieren möchte, auf sie einfach nur das Sprichwort von der harten Schale und dem weichen Kern anzuwenden, gibt sich Herzsprung derart viel Mühe, den weichen Kern auf keinen Fall zum Vorschein kommen zu lassen, dass schlichtes Sympathisieren mit ihrer Figur schwer fällt – und genau das macht sie so interessant.

Neben Lau und Herfurth gibt es außerdem ein Wiedersehen mit Uwe Preuss («Dieses bescheuerte Herz») sowie «Schillerstraße»-Star Cordula Stratmann. Auch wenn letztere einfach nur ihren Auftritt als gleichermaßen staubtrockene wie durchsetzungsfähige Chefin wiederholt, sorgt sie einmal mehr mit dafür, dass der Cast durch die Bank überzeugt. Selbst für noch so kleine Nebenrollen ist es den Machern gelungen, einprägsame Gesichter zu verpflichten. Unter ihnen auch Anneke Kim Sarnau («Simpel»), die in «Sweethearts» das Erbe von Katja Riemann antritt. In «SMS für Dich» stahl sie als exzentrische Mischung aus Helene Fischer und Andrea Berg allen die Show. Diesmal ist es Sarnau in der Rolle einer toughen Polizisten, die die beiden Frauen um alles in der Welt dingfest machen will.

Mit ihrer Performance reißt sie jede Szene an sich und spielt gerade im zeitweise etwas zähen Mittelteil über die ein oder andere Holprigkeit hinweg. Zu diesen zählt übrigens auch die Inszenierung der Actionszenen. Atmosphäre und Dynamik hat Karoline Herfurth definitiv drauf. Doch leider gestalten sich die Schießereien und Verfolgungsjagden hin und wieder auch unübersichtlich. Das liegt nicht nur an der bisweilen sehr verwackelten Kamera, sondern auch am hektischen Schnitt. Das ändert allerdings trotzdem nichts daran, dass es Karoline Herfurth auch mit «Sweethearts» gelungen ist, einen Film fernab ausgetretener (Genre-)Pfade zu inszenieren, der sich knapp zwei Stunden lang frisch und überraschend anfühlt.

Fazit


Nach «SMS für Dich» beweist Karoline Herfurth, dass sich als Regisseurin nicht nur Romantik, sondern auch Hochspannung inszenieren kann. Ihre Actioncomedy „Sweethearts“ ist ein stilsicheres Genrestück, das stark gespielt und in den besten Momenten auch noch äußerst komisch ist.

«Sweethearts» ist ab dem 14. Februar in den deutschen Kinos zu sehen.

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