Das neue RTL
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RTL setzt auf eine Mischung aus Konstanz und frischem Wind. In der zurückliegenden Dekade wurde der größte deutsche Privatsender stets von Managern mit Stallgeruch geführt. Sowohl Anke Schäferkordt als auch Frank Hoffmann kamen mit Vorschusslorbeeren vom kleineren VOX. VOXiger wurde RTL deshalb dennoch nicht. Beide brachten aber ihre eigenen Vorstellungen von RTL mit; Hoffmann etwa förderte Infoprogramme und Magazine, Schäferkordt war es, die mit den Scripted Reality-Programmen am Nachmittag neue Rekorde aufstellte. Jetzt führt Jörg Graf das Unternehmen, der zuvor für alle Auftragsproduktionen von RTL zuständig war.
Lesen Sie hier: Alle Personalwechsel der zurückliegenden Tage und Wochen in der Übersicht.
Eine logische Wahl, ist es doch erklärtes Ziel der Gruppe, dass sich RTL künftig fast vollständig unabhängig macht von Lizenzware aus Übersee. Graf gilt als Kenner der Szene und als Mann, der sowohl weiß, was die Senderseite, aber auch was die Produzentenseite braucht. Er steht für einen guten Austausch – der wichtig ist, um künftig Zugriff auf die besten Stoffe zu haben. Vielleicht noch elementarer als die Ernennung Grafs zum RTL-Chef, ist die Berufung gleich zweier Manager, um die Unterhaltung zu führen. Nachfolger von Tom Sänger werden Markus Küttner und Kai Sturm. Küttner, der sich zugleich auch um die Daytime kümmern soll und diese mit frischen Ideen zu füttern hat, war zuletzt für die Mega-Quotenerfolge «Ich bin ein Star» und «Ninja Warrior Germany» zuständig. Sturm arbeitete über viele Jahre hinweg als VOX-Chefredakteur und war dort auch für die Unterhaltung zuständig.
Erneut darf sich also die Frage stellen: Wird RTL jetzt voxiger? Wohl nicht. Stattdessen steht das Duo Küttner/Sturm vor der Aufgabe, die RTL-Unterhaltung gleichermaßen zu erneuern, aber keinen Kahlschlag zu betreiben. Wie viel lässt sich aus den Langläufern «Supertalent», «DSDS» und vor allem «Wer wird Millionär?» noch herausholen. Schon bald wird man die neue Strategie des Senders vielleicht im Beispiel der Jauch-Quizshow ablesen können. Der Handschlag-Vertrag mit Günther Jauch geht noch bis Sommer. Das von Endemol Shine Germany hergestellte Ratespiel holte zuletzt mit Specials starke Quoten, macht aber auch immer mehr Pausen und hat in den vergangenen Jahren vor allem beim jungen Publikum an Popularität eingebüßt. Wird man die Quizshow weiter fortsetzen?
Und: Welche neuen Trends wird RTL entdecken? Sowohl im eigenen Land als auch international die Fühler nach dem nächsten Mega-Hit auszustrecken, wird künftig wichtiger denn je - im übrigen auch für Programmschienen abseits der klassischen Primetime. Zuletzt schien die Mediengruppe hier aber schon einen guten Riecher zu haben; «Temptation Island» (RTL/TV Now) und «Survivor» (VOX/TV Now) sind nur zwei der anstehenden Neustarts. Sturms VOX stand zuletzt immer für die intensive, aber nie laute Unterhaltung. Bei RTL wird hingegen standesgemäß deutlich lauter getrommelt. Wird RTL auch unter neuer Führung diesen Weg weitergehen? Das ist eine Frage, die sich aktuell noch nicht abschätzen lässt. Schon jüngst konnte man, etwa bei «Deutschland sucht den Superstar», den Eindruck gewonnen, dass die Zeiten der Dampfhammer-Methode sich dem Ende neigen.
Auffallend: Vom Personalwechsel nicht betroffen war die Fiction-Abteilung, die weiterhin vom ehemaligen «Der letzte Bulle»-Erfinder Philipp Steffens geführt wird. Er hatte 2018 zahlreiche neue Serien an den Start und drei davon auch in eine zweite Staffel gebracht. Weitere Neustarts laufen im Frühjahr an, zuletzt wurde intensiv nach neuen Primetime-Serien gesucht, die das Thema Familie in den Mittelpunkt rücken. Von UFA Serial Drama wird zudem im Herbst eine neue wöchentliche Krankenhaus-Serie kommen. Hier ist RTL umtriebig.
Das neue VOX
- © VOX
Der Star unter den Privatsendern erlebt den größten Umbruch. In der Führungsetage behält quasi nur Programmdirektorin Ladya van Eeden ihren Posten. Ab Frühsommer übernimmt mit Sascha Schwingel erstaunlicherweise ein klassischer Ficition-Produzent den Chefsessel beim Sender mit der roten Kugel. Schwingel («Babylon Berlin») steht aber nicht nur für Filme und Serien, sondern in erster Linie für Fernseher allerhöchster Qualitätsstufe. Und genau das berechtigt ihn letztlich auch, die Zügel bei VOX in die Hand zu nehmen. VOX wird unter seiner Führung weiterhin hochklassiges Fernsehen anbieten.
Dennoch dürften in seinem Notizblock schon einige Aufgaben stehen. Auch VOX muss sich in der Unterhaltung erneuern. Die ganz großen Erfolge, «Die Höhle der Löwen», «Kitchen Impossible» und «Sing meinen Song», haben schon einige Staffeln auf dem Buckel – bei letzterem Format wird im Sommer die Frage beantwortet, ob man die Quotenverluste der schwächeren zurückliegenden Runde wieder wird ausgleichen können. Schwingel wird nicht zuletzt aber auch die eigenproduzierte Serie bei VOX zu stärken haben. Nach dem Überflieger «Club der roten Bänder» spielte der Nachfolger «Milk & Honey» Ende 2018 mindestens eine Klasse tiefer.
Während Schwingel also vor allem Wert darauf legen wird, dass bei VOX starke Geschichten erzählt werden – sein Know-How lässt sich übrigens auch in Formaten wie «Goodbye Deutschland» einbringen – werden zwei bisher eher unbekannte Namen in der Unterhaltung nach neuen Hits graben. Kirsten Petersen und Marcel Amruschkewitz. Beide kommen aus dem Entwicklungsbereich. Amruschkewitz war Chef der Kreativabteilung von VOX, Petersen Leiterin der Programmentwicklung bei RTL.
Das zeigt deutlich: Auch bei VOX stehen die Zeichen auf Erneuerung. Es braucht mehr neue und gute Formate, um den Sender mit der roten Kugel gegenüber den Mitbewerbern und auch der Fragmentierung abzusichern. Ein wirkliches Problem im Bereich Factual/Unterhaltung hat VOX mit zahlreichen Formaten, die für tolle Quoten sorgen, nicht. Das soll auch künftig so bleiben.
Die neue Mediengruppe
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Sehr deutlich ist aber auch, dass das Kreieren von gutem Fernsehen in Köln-Deutz keine One-Man-Show mehr ist. Bernd Reichart hat sich für seine oberste Chefetage kürzlich das Know-How von fünf Fachleuten ins Haus geholt – eine Stufe tiefer in den Programmbereichen setzt er nun auf Duos. Sowohl das Team Küttner/Sturm als auch das Duo Petersen/Amruschkewitz soll sich gegenseitig antreiben, um optimale kreative Prozesse in den Gang zu setzen.
Den Wettbewerb und die damit verknüpften Aufgaben der kommenden Jahre besteht eine Gruppe eben nur über gute Ideen aus denen gutes Fernsehen reift. Dazu gehört auch, dass die Mediengruppe ein Stück weit enger zusammenrückt. Reichart erklärte, sich zusätzliche Impulse dadurch zu erhoffen, dass VOX-Manager nun Führungspositionen bei RTL übernehmen und andersherum. Frische Blickwinkel durch Manager, die aber nicht ausschließlich von extern kommen, können den Unterschied ausmachen. Und zudem will Reichart das Tempo bei Entscheidungsprozessen erhöhen, denn bekanntlich schläft die Konkurrenz ja nicht.
Das Entwickeln einer neuen Identität und Content-Strategie, es ist ein spannender Prozess, der gerade abläuft. So spannend, dass RTL-Group-Chef Bert Habets in dieser Woche mehrere Tage lang selbst in Köln verweilte, um mit seinem lokalen Management an Zukunftsstrategien zu feilen.
Hey Köln! Together with the @rtlgroup Operations Committee we met at @MediengruppeRTL. We discussed recent acquisitions, new initiatives to drive creativity, content creation and our current business performance. Thanks for hosting, Bernd! See you tomorrow @MediengruppeRTL pic.twitter.com/n8c5yH1umG
— Bert Habets (@BertHabets) 12. Februar 2019
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15.02.2019 12:23 Uhr 1