Interview

Dietrich Brüggemann: 'Das Fernsehen ist hierzulande ein übertrieben bürokratischer Apparat'

von   |  1 Kommentar

Der Regisseur und Autor findet, dass die ARD-Gremien einen Todesstern darstellen, aus dem oft reine Schnapsideen rauskommen. Mehr dazu und über seinen Murot-«Tatort» verrät er uns im Interview.

Über Dietrich Brüggemann

  • 1976 in München geboren
  • Lebt in Berlin
  • Drehte unter anderem «Neun Szenen», «3 Zimmer/Küche/Bad», «Kreuzweg» und «Heil»
  • Verantwortete 2017 den Stuttgarter «Tatort» mit dem Titel «Stau»
  • Lässt im neuen Murot-«Tatort» «Murot und das Murmeltier» Tukurs kultige Rolle eine Zeitschleife durchleben
Mir wurde mal gesagt, dass es beim «Tatort» die Regel gibt, dass ein (mutmaßlicher) Mord ermittelt werden muss und dass er sich so vom «Polizeiruf 110» unterscheidet. Wurde die Regel für Sie ausgesetzt? (lacht)
Ganz ehrlich: Ich hab mit diesen ganzen Regeln rund um den «Tatort» nie zu tun gehabt. Man kennt sie vom Hörensagen, aber selbst da gibt es wohl Unterschiede, wie sie weitererzählt werden. Ich bekam zu hören: "Es muss ein Kapitalverbrechen sein und irgendwann muss es eine Leiche geben." Und das ist hier halt der Kommissar selber. (lacht) Aber das war auch allein meine Entscheidung. Mir wurden nie gedruckte Regeln vorgesetzt, auch wenn es sie wohl gibt – mich hat niemand damit behelligt. Mir wurde auch nie gesagt "Bis Minute soundso muss diesunddas passiert sein" – nix da. Beim Hessischen Rundfunk ist denen das alles wohl auf erfrischende Weise egal. Auch beim SWR wo ich vorher einen Stuttgart-«Tatort» gemacht habe, waren Regeln nicht groß Thema. Da bin ich aber auch nicht angetreten, um Regeln zu brechen: «Stau» war mein Versuch, ganz elegant einen «Tatort» zu machen, der alle Regeln erfüllt und dennoch ganz anders ist. «Murot und das Murmeltier» dagegen tritt jetzt mit einer anderen Mission an.

Ich schau ja nicht viel Fernsehen und bekomme dennoch mit, wie einseitig das alles ist. Denn ich sehe mir oft Demobänder von Schauspielern an, und die bestehen fast ausschließlich aus Verhören. Klar, schließlich werden in Deutschland wahnsinnig viele Krimis produziert, und irgendworaus müssen Demobänder ja bestehen. Also war es für mich naheliegend, das zu thematisieren, wie repetitiv das alles ist, indem bei mir der Kommissar in einer Zeitschleife festhängt und dauernd den selben Tag erlebt.
Dietrich Brüggemann
Wie kann ich mir den Prozess vorstellen, wenn ein Kinoregisseur zum «Tatort» kommt? Hat der «Tatort» bei Ihnen angerufen oder waren Sie es, der beim «Tatort» angeklopft hat?
In beiden Fällen kam die jeweilige Redaktion auf mich zu und hat gefragt: "Ey, hast du Lust einen «Tatort» zu machen?" Mehr nicht. Und in beiden Fällen war die Idee schon beim ersten Gespräch auf dem Tisch. Ich kenne Stuttgart gut, habe dort schon andere Filme gedreht, also weiß ich: Da ist immer Stau. Also fand ich es naheliegend, mal im Stau einen kompletten «Tatort» spielen zu lassen. Und bei Murot war es so, dass man auf mich zu kam und meinte, ob ich noch einen «Tatort» drehen will. Und mir kam der Gedanke, damit dann die Krimi-Dauerschleife im deutschen Fernsehen zu kommentieren, wenn ich schon zu ihr beitrage.

Ich schau ja nicht viel Fernsehen und bekomme dennoch mit, wie einseitig das alles ist. Denn ich sehe mir oft Demobänder von Schauspielern an, und die bestehen fast ausschließlich aus Verhören. Klar, schließlich werden in Deutschland wahnsinnig viele Krimis produziert, und irgendworaus müssen Demobänder ja bestehen. Also war es für mich naheliegend, das zu thematisieren, wie repetitiv das alles ist, indem bei mir der Kommissar in einer Zeitschleife festhängt und dauernd den selben Tag erlebt.

Auch wenn Ihr Murot-«Tatort» seine nachdenklichen und melancholischen Momente hat, ist er gemessen an früheren Fällen der Reihe sehr humorig und relativ positiv geraten …
Ach, ich habe eh eine große Affinität zum Lustigen, die wollte ich nicht künstlich abschütteln. Im Humor liegt ja auch sehr viel Wahrheit begraben. Wenn man die Dinge einfach beim Namen nennt, ist das sehr oft von alleine komisch. Hinzu kommt, dass durch die ständige Wiederholung eine große Steilvorlage für Komik gegeben ist. Wir forcieren ja nichts. Es ist keine lächerliche Figur dabei. Durch das Wiederholen allein und Murots Frust entsteht ganz von selbst der Witz. Sozusagen: Der Witz lag auf der Straße, den musste man nur aufheben. Ich finde sowieso, dass diese popmöse, selbstüberschätzende Ernsthaftgikeit des deutschen Fernsehkrimis pathetisch ist. Wieso also nicht einmal dagegen arbeiten?

"Im Humor liegt ja auch sehr viel Wahrheit begraben" war ja auch schon bei «Heil» ihr Motto …
Sowas Heiliges wie den «Tatort»-Vorspann beschmutze ich doch nicht. Das gehört sich nicht.
Dietrich Brüggemann
Ja, auf den Film bin ich sehr stolz. Es ist sehr, sehr schade, was mit dem passiert ist, dass der vom Verleih so nachlässig behandelt und mit wenig Kopien in einer Hitzewelle gestartet wurde. Ich habe mich mit Händen und Füßen dagegegen gewehrt, den im Sommer zu starten. Ich meinte unentwegt: "Da. Gehört. Der. Nicht. Hin." Es ist schade. Aber der ist ja deswegen nicht weg. Der kann noch gut fünf, 10, 20 Jahre vor sich hin existieren bis er vielleicht wiederentdeckt wird. Denn ich glaube schon, dass ich da ein paar Dinge auf den Punkt gebracht und beim Namen genannt habe, die dauerhafte Probleme in unserem Land sind. Trotzdem: Wirklich bedauerlich, wie leicht Filme im Kino untergehen können. Im Fernsehen ist man da auf einer etwas sichereren Seite. Gerade beim «Tatort», da ist eine gewisse Reichweite nahezu garantiert. Selbst, wenn man es den Leuten schwer macht. Wenn nach dem mutierten Murmeltier-Vorspann noch 6,5 Millionen Leute dran bleiben, reicht mir das völlig. (lacht)

So schwer machen Sie es den Leuten ja auch wieder nicht: Der Vorspann läuft erst einmal ganz brav und normal ab, ehe Sie da rumwerkeln.
Natürlich! Natürlich! Sowas Heiliges wie den «Tatort»-Vorspann beschmutze ich doch nicht. Das gehört sich nicht. Beim Tennispielen renne ich auch nicht auf die falsche Seite des Platzes und mach da irgendwelchen Schabernack. Ein gewisser Grundrespekt vor den Regeln muss dann doch sein. Und der «Tatort»-Vorspann wird respektiert und geehrt.

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
16.02.2019 14:13 Uhr 1
Joar, der heilige Gral des tatort - Vorspanns.... :roll:

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