Die Kritiker

Mordserie in Bayreuth: «Tatort – Ein Tag wie jeder andere»

von

Stilwechsel für Regisseur Sebastian Marka und Autor Erol Yesilkaya, die Köpfe hinter dem preisverdächtigen, dreckigen Meta-«Tatort» aus Berlin: Im Franken-«Tatort» setzen sie auf Größe in Bayreuth-Manier.

Cast und Crew

  • Regie: Sebastian Marka
  • Drehbuch:Erol Yesilkaya
  • Darsteller: Fabian Hinrichs, Dagmar Manzel, Eli Wasserscheid, Thorsten Merten, Stephan Grossmann, Jürgen Tarrach, Thomas Kügel, Karina Plachetka, Jule Hermann, Julia Heinze, Lena Dörrie, Cem Ali Gültekin, Katharina Spiering
  • Kamera: Willy Dettmeyer
  • Schnitt: Sebastian Marka
  • Musik: Thomas Mehlhorn
Es hätte ein Tag wie jeder andere in Bayreuth sein können. Doch es hat nicht sollen sein: Der Bayreuther Anwalt Thomas Peters (Thorsten Merten) schaut auf die Uhr, wartet die volle Stunde ab und erschießt im laufenden Prozess einen Richter. Dann flüchtet er. Exakt eine Stunde später stirbt eine Universitätsmitarbeiterin, erneut ist Anwalt Peters der Täter. Es gibt für ihn kein erkennbares Motiv, die Polizei findet keinerlei Verbindung zwischen dem zuvor unauffälligen Täter und den beiden Opfern. Es gibt bloß ein Tatmuster: Peters hat beide Male die volle Stunde abgewartet. Er ist weiter flüchtig. Droht etwa ein dritter Mord zur nächsten vollen Stunde? Und wenn ja: Wer wird das Opfer sein? Felix Voss (Fabian Hinrichs), Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) und ihr Team ermitteln in einem rasanten Wettlauf gegen die Zeit, um Menschenleben zu retten …

Das «Tatort»-Duo bestehend aus Regisseur Sebastian Marka und Autor Erol Yesilkaya war bereits in verschiedenen Krimi-Tonalitäten unterwegs. Der siebte und finale Fall des Frankfurter Ermittlers Steier, «Das Haus am Ende der Straße», war ein blutiger Krimi mit B-Movie- und Terrorfilm-Referenzen, mit «Es lebe der Tod» verpassten sie dem sonst exzentrischen Felix Murot ein morbid-introspektives Kammerspiel und mit «Meta» ließen sie in Berlin die metafiktionalen Puppen tanzen. Und doch gibt es ein stilistisches Bindeglied zwischen den Marka/Yesilkaya-Arbeiten. Sollte es noch niemand bemerkt haben, so ist die Katze nun aus dem Sack: Die beiden Filmschaffenden lieben es, ihre Filme mit einer Stilistik, einer Tonalität, einem erzählerischen Fokus zu beginnen und dann ungefähr nach der Hälfte des Films die Gangart zu ändern.

Auch ihr Franken-«Tatort» mit dem Titel «Ein Tag wie jeder andere» besteht aus zwei Komponenten, die sie durch zügige Erzählweise und straffe Regiearbeit fest zusammenzurren. Dieser Neunzigminüter beginnt als atemloser Thriller mit einem offenkundigen Täter, den es aufzuhalten gilt, entwickelt sich allerdings zu einem nicht minder packenden Drama über polizeilische Integrität, moralische Dilemmata und die Herausforderung, offensichtliche Motive sauber zu beweisen.


Die beiden Hälften dieses fesselnden «Tatorts» ergänzen sich hervorragend: Die erste Hälfte ist voller Bewegung, sie bringt den Puls zum Rasen und versetzt den Täter, die Ermittler und das Publikum in eine Jagdmentalität. Der Amokläufer muss aufgehalten werden, und wie seine verzweifelten, panischen Gesten klar machen, steht auch er unter Zugzwang. Übereilte Entscheidungen sind in dieser Hektik unvermeidlich. Die zweite Filmhälfte konfrontiert uns dann mit der Denkarbeit, überrumpelt nicht nur uns, sondern auch die sich massiv in den Fall hineinsteigernde Paula Ringelhahn mit der Diskrepanz zwischen gefühlter Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit, die für eine funktionierende Gemeinschaft eine blinde Justizia benötigt.

Die Inszenierung hat durchweg Kinoqualität, wenngleich die kinetischere, flottere Hälfte fast schon naturgemäß die einprägsameren Bilder mit sich bringt: Der von Thorsten Merten gleichermaßen unberechenbar wie Empathie erzeugend nervös gespielte Täter eilt durch die prächtig ausgeleuchteten, mit Tiefenwirkung in Szene gesetzten Sehenswürdigkeiten Bayreuths, opernhaft schwallende Musik suggeriert eine enorme Fallhöhe. Und ein wiederkehrendes, sich auch in die zweite Hälfte einmogelndes, Uhrenmotiv verdeutlich noch einmal, wie sehr die Zeit drängt. Komponist Thomas Mehlhorn erzeugt in der zweiten Filmhälfte einen kühl, mitleidig schneidenden Klangteppich, der Erinnerungen an Clint Mansells Arbeiten für Darren Aronofsky weckt, während Dagmar Manzel intensiv zeigt, wie ihre Figur an den moralischen Widerhaken des Falls verzweifelt.

Fazit: «Tatort – Ein Tag wie jeder andere» ist das Gegenteil dessen, was der Titel suggeriert: Aus einer Hatz, um einen Amoklauf zu stoppen, wird ein packendes Drama über Motive, Moral und Integrität.

«Tatort – Ein Tag wie jeder andere» ist am 24. Februar 2019 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.

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