Platz 1: «Unter Verdacht»
Schon seit geraumer Zeit steht fest: Bald geht Dr. Prohacek in Rente. Und sieht man sich ihre Kollegen an, die ebenfalls samstagabends im ZDF Mörder und Totschläger hinter Schloss und Riegel bringen, wird einem schnell bewusst, welche Lücke sie hinterlassen wird. Denn der ruhige, bedachte, klug-besonnene Duktus ihrer Figur hat sich auch auf die Erzählhaltung dieser Reihe durchgeschlagen, die stets angenehm unaufgeregt – und dabei nie spannungsarm – gestaltet war. Billige Motive, derer sich weniger stringent entworfene Krimis oft behelfen müssen (von seelenlos aneinandergereihten Verfolgungsjagden über nichtsnutziges Gezeter in Verhörräumen bis zu übersteigerten Zufallsverstrickungen), hatte dieses Format so gut wie nie nötig. Das wird bald fehlen.
Platz 2: «Friesland»
Lange Zeit war es ein besonders populäres Steckenpferd deutscher Fernsehmacher, die Genres Krimi und Humor zu vermischen. In den meisten Fällen führte das ins erzählerische Elend – hauptsächlich weil Autoren und Redakteure nicht recht zu verstehen schienen, dass eine Lächerlichmachung ihrer Charaktere oder aufgesetzte Albernheiten keine heitere Serie machten, sondern stattdessen nur die erzählerische Glaubwürdigkeit untergruben. Wie die Genre-Mischung doch gelingen kann, macht seit einiger Zeit «Friesland» vor: mit sympathischen, behutsam überzeichneten Charakteren, die allesamt freudvoll individuell genug entworfen wurden, um mit Leichtigkeit der Stereotypen-Schublade zu entkommen. Dass das Format auch emotional schwierigere Handlungsverläufe bewältigen kann, ohne seinen heiteren Duktus über den Haufen werfen zu müssen, zeigt, dass man hier verstanden hat, was man erzählen will: und samstagabends im ZDF sieht man immer wieder gerne zu.
Platz 3: «Kommissarin Heller»
«Kommissarin Heller» ist eine der figurenzentrischsten Reihen des Sendeplatzes, und ihre Hauptfigur gleichsam eine der markantesten: Winnie Heller ist forsch, mitunter rabiat, eckt an, macht den Mund auf, steht ungeniert für sich und ihre Werte ein, macht sich mit niemandem gemein, der ihr zuwider ist, ist aufrichtig und unverfälscht, intellektuell auf Zack und ethisch auf dem richtigen Weg, entsprechende Konflikte eingeschlossen. Sie geht damit konträr zu dem Bild, das anderen weiblichen Ermittlerfiguren in hiesigen Fernsehfilmen gerne aufoktroyiert wird: Denn Kommissarin Hellers Anecken ergießt sich nicht nur in einer aufgesetzten Keckheit, sondern geht tiefer. Dass ihre Einsamkeit (mitunter eine Folge ihres forschen Auftretens) in den letzten beiden Episoden unangenehm pathologisiert wurde, ist eine unschöne Verirrung dieser ansonsten geglückten Reihe.
Platz 4: «Helen Dorn»
Viele deutsche Krimi-Reihen flüchten sich gerne ins Privatleben ihrer jeweiligen Charaktere: Dort begeben sie sich auf die Suche nach Erklärungsansätzen, warum ihre Hauptfigur so drauf ist wie sie eben drauf ist. Weil man Komplexität im Allgemeinen scheut, enden diese Eskapaden oft in rührseliger Küchenpsychologie und erzwungenen Spiegelungen der Privatkonflikte im Fall der Woche. «Helen Dorn» machte schon in ihren ersten Folgen deutlich, dass die Reihe einen höheren Anspruch an sich stellte: Die Betrachtung ihres Privatlebens ist in diesem Format kein Vorwand, um tausendfach gesehene Allgemeinplätze abzuspulen, sondern Ausgangspunkt vielschichtiger Betrachtungen, die gerne über ihre unmittelbare Folgendramaturgie zu allgemein gefassteren Fragestellungen hinausreichen dürfen.
Platz 5: «Wilsberg»
Kaum eine andere Reihe auf diesem Sendeplatz konnte eine ähnlich engagierte Fangemeinde aufbauen und so einen gewissen Kultstatus erreichen. Die Gründe hierfür werden schnell deutlich: «Wilsberg» ist wohl die „eigenste“ der Samstagabend-Krimi-Reihen des ZDF, gespickt mit Running Gags, unaufdringlichen, aber unübersehbaren Meta-Referenzen und einer etwas verqueren, aber unverwechselbaren Hauptfigur. Mit großer Individualität und einer unprätentiösen Haltung ist das Format ein Beispiel modernerer Erzählformen auf einem ansonsten eher von traditionelleren Farben geprägten Sendeplatz.
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